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Monika E. Fuchs, Stefanie Lorenzen, Susanne Schwarz und Ulrike Witten
Zusammenfassung
Das Thema der Ausgabe wird in sieben Thesen zusammengefasst.
Shortage of religious education teachers: a summary in theses
Abstract
The theme of this issue is summarised in seven theses.
Das Phänomen des Lehrkräftemangels wurde in den Beiträgen des vorliegenden Heftes sowohl grundsätzlich als auch in seiner spezifischen Bedeutung für den Religionsunterricht sowie die wissenschaftliche Religionspädagogik aus mehreren Perspektiven beleuchtet: in seiner internationalen und nationalen Ausprägung, im Kontext unterschiedlicher Professionalisierungsfragen sowie im historischen und systematischen Vergleich. In der Zusammenschau lassen sich die Ergebnisse der verschiedenen Beiträge zu Thesen verdichten, die ein Bild der Lage und damit einhergehender Aufgaben vermitteln.
Das Phänomen des Religionslehrkräftemangels ist in vielerlei Hinsicht eine „Black Box“.
Obwohl mittlerweile eine recht breite Religionslehrkräfteforschung existiert, stellt die Frage nach dem Religionslehrkräftemangel noch eine Black Box dar und ist historisch, empirisch sowie systematisch-vergleichend wenig erforscht. Das liegt sicher auch an der hohen strukturellen Komplexität, die sich „hinter“ diesem Phänomen auftut: Einerseits ergeben sich durch die föderale Anlage der deutschen Bildungslandschaft in jedem einzelnen Bundesland unterschiedliche Ausgangslagen; andererseits bringt es die Verfasstheit des Religionsunterrichts als res mixta mit sich, dass die Situation in den jeweiligen Bistümern und Landeskirchen differiert. Das vorhandene Wissen ist daher zwar meist „vor Ort“ bei den Akteuren auf Ebene von Bundesland, Bistum und Landeskirche vorhanden, oftmals aber so unterschiedlich aufbereitet, dass daraus keine verlässliche Datengrundlage gewonnen werden kann. Hinsichtlich der spezifischen Struktur des schulischen Religionsunterrichts gilt diese Beobachtung zunächst einmal für Deutschland, die damit verbundene Unübersichtlichkeit zeigt sich allerdings auch international (vgl. die Beiträge von E. Leven und B. Kappelhoff et al.).
Aus dieser Defizitanzeige folgt die Notwendigkeit, für die verschiedenen Phasen und Ebenen der Lehrkräftebildung zunächst einmal eine verlässliche nationale Datengrundlage bereitzustellen, um besser begründete Prognosen und damit auch Entscheidungen zur Gewinnung von Lehrkräften, zu ihren Ǫualifizierungswegen sowie ihrem Einsatz treffen zu können. Diese muss wiederum neben der zu erwartenden demographischen Entwicklung und der damit verbundenen Vorausschätzung der Schülerzahlen den – schularten- wie fachspezifisch reflektierten – Lehrkräfte- und Einstellungsbedarf berücksichtigen, wobei die Anforderungen an künftige Vorausschätzungen insgesamt hoch sind (vgl. den Beitrag von K. Klemm). Eine solche Bündelung des Wissens würde auch die Möglichkeit für international vergleichende Studien erleichtern.
Die Steuerung des Religionslehrkräftemangels ist komplex.
Schon für die allgemeine Lehrkräfteplanung gilt, dass Prognosen mit komplexen Unwägbarkeiten zu kämpfen haben (vgl. den Beitrag von K. Klemm). Umso mehr trifft dieses Problem auf den schulischen Religionsunterricht in seinen diversen Verflochtenheiten mit staatlichen und religionsgemeinschaftlichen Strukturen zu. Neben der oben bereits angemerkten unübersichtlichen Datenlage impliziert dies, dass die Auswirkungen möglicher Maßnahmen aufgrund der komplexen Gemengelage nur schwer zu modellieren sind. Es gilt im Blick zu haben, welche Nebenfolgen und Dynamiken es angesichts dieser gemeinsamen Verantwortung von Staat und Religionsgemeinschaften geben kann. Auf vier Szenarien ist hier hinzuweisen:
Zunächst ist das Dilemma von Studierenden, die bereits als Lehrkräfte eingesetzt sind, zu benennen: Dass Studierende bereits unterrichten, kann in vielerlei Hinsicht für die Lehrkräfte-Professionalisierung als problematisch eingeschätzt werden (vgl. den Beitrag von M. Bienert & M. Hailer). Würden die Religionsgemeinschaften diese Praxis durch ein Nicht-Erteilen der Lehrerlaubnis (wie Missio und Vocatio) im Sinne der Ǫualifizierung der angehenden Religionslehrkräfte unterbinden, bestünde jedoch die Gefahr, dass der Religionsunterricht zunehmend nicht stattfindet, was angesichts der Fragilität des Faches problematisch wäre und bedeuten würde, Lernenden ein Bildungsangebot vorzuenthalten.
Damit verbunden ist ein zweites Szenario: Bei der Gewinnung und Ǫualifizierung von Religionslehrkräften wurde und wird auf kirchliches Personal zurückgegriffen. Diese Personengruppe kann jedoch auf Grund der Gestellungsverträge leichter zum Spielball staatlicher Planungen werden, was für die Lehrkräfte keine verlässlichen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit schafft (vgl. den Beitrag von T. Heller). Zudem kann auf staatlicher Seite gegenüber den Religionsgemeinschaften die Erwartung entstehen, diese seien dafür verantwortlich, dass ausreichend Religionslehrkräfte vorhanden sind, sodass der Staat sich darauf „ausruhen“ könne, auf kirchliches Personal zurückzugreifen. Einer derartigen Verantwortungsdiffusion zwischen Religionsgemeinschaften und Staat hinsichtlich der Gewinnung und Ǫualifizierung von Religionslehrkräften ist vorzubeugen. Zudem ist bei der Gewinnung von Interessent:innen für den Religionslehrerberuf zu berücksichtigen, dass der Berufswunsch auf unterschiedlichen intrinsischen und extrinsischen Motivbündeln basiert. Möchte man die Zahl interessierter Kandidat:innen erhöhen, muss man also an mehreren Punkten ansetzen und z. B. soziale Wertschätzung, flexible und leistungsangepasste Bezahlung wie auch berufsbiographische Wechsel und damit verbundene Ǫualifizierungsbedürfnisse in den Blick nehmen.
Damit verbunden ist ein drittes Szenario, das problembewusst im Blick zu behalten ist: Die Praxis, Lehrkräfte, die bereits im Dienst sind, nachzuqualifizieren, bringt die Gefahr mit sich, dass damit ggf. nur bestimmte Schulformen erreicht werden und der Religionsunterricht nicht flächendeckend angeboten werden kann – so stellt sich im Rückblick die Situation in Thüringen dar, v. a. für den Religionsunterricht an beruflichen Schulen (vgl. den Beitrag von T. Heller).
Viertens lehrt der Blick auf die internationale Erforschung von Motiven für den Lehrkräfteberuf, dass diesbezügliche Steuerungsmechanismen auf sehr unterschiedlichen Ebenen liegen (vgl. den Beitrag von B. Kappelhoff et al.): Großflächige bildungspolitische Reformen, z. B. im Blick auf Wettbewerb, Besoldungsanreize und die strukturelle Attraktivität des Lehrkräfteberufs könnten durchaus unterstützen, lösen aber nicht das spezifische Problem, dass religiöse Bildung insbesondere in stark säkularisierten Gesellschaften als randständig betrachtet wird und Religionslehrkräfte daher mit besonderen Imageproblemen zu kämpfen haben. Es kommt hinzu: Wird der Religionsunterricht „vor Ort“ nicht angeboten, fehlen potenziell auch zukünftige Studierende, denn der erlebte eigene Religionsunterricht ist ein wichtiges Studienmotiv. Dabei geht es nicht nur darum, dass der Religionsunterricht überhaupt stattfindet, sondern auch, dass er ein qualitätsvolles Angebot darstellt, da nur unter dieser Voraussetzung Kopplungseffekte mit den Studieninteressierten zu erwarten sind (vgl. den Beitrag von F. Wiedemann).
Bei all diesen Szenarien stellt sich die Frage nach verantwortlichen, mit Steuerungsvollmacht ausgestatteten bildungspolitischen Akteuren auf überregionaler Ebene: Institutionen wie der KMK und der EKD könnte möglicherweise zwar mehr Kompetenz zugesprochen werden, gleichzeitig steht die föderale Struktur von Bundesländern, Bistümern und Landeskirchen einem solchen Vorhaben entgegen. Schließlich wird man neben all dem auch die Grenzen intentionaler Steuerung realistisch einschätzen müssen: Manche Entwicklungen bleiben kontingent.
Die Anlage des Religionsunterrichts als res mixta bietet besondere Chancen, aber auch Herausforderungen im Blick auf den Lehrkräftemangel.
Auch wenn die Anlage des Religionsunterrichts als res mixta für die oben problematisierte Unübersichtlichkeit mitverantwortlich ist, ergeben sich daraus im Vergleich mit anderen Fächern besondere Chancen. So erhöht die Möglichkeit, für die Erteilung von Religionsunterricht auf nicht-staatliche Lehrkräfte zurückgreifen zu können, beispielsweise die Flexibilität der Ǫualifikationswege (vgl. die Beiträge von E. Leven und T. Heller): Religionslehrkräfte können über kirchliche Examina und den Pfarrberuf oder über religionspädagogische Studiengänge an kirchlichen Hochschulen rekrutiert werden. Letztere sind auch für Menschen ohne allgemeine Hochschulreife offen. Auf diese Weise besteht nicht nur ein Mehr an möglichen Personalressourcen; die unterschiedlichen Ǫualifikationswege erhöhen auch die Diversität innerhalb dieser Berufsgruppe und sorgen dafür, dass Lernende mit unterschiedlichen Typen von Religionslehrkräften in Kontakt kommen können, die religiöse Bildung im Religionsunterricht, aber auch im Schulleben mit ihren Kompetenzen und Perspektiven bereichern.
Allerdings geben die Beiträge im Heft auch Hinweise zu möglichen Herausforderungen: Insbesondere ist es nicht ratsam, kirchliches Personal vorschnell für die Schule zwangsverpflichten zu wollen (vgl. den Beitrag von T. Heller), da fehlende intrinsische Motivation vermutlich zu schlechtem Religionsunterricht führt. Auch ist eine hohe Abdeckung des Bedarfs mit kirchlichen Lehrkräften nur dann sinnvoll, wenn die damit verbundenen Gestellungsverträge von staatlicher Seite nicht einfach kurzfristig wieder aufgekündigt werden können (vgl. den Beitrag von T. Heller).
Nun ist allerdings die derzeitige Situation dadurch gekennzeichnet, dass auch im Bereich der kirchlichen Lehrkräfte ein Mangel besteht, der sich vermutlich in der nächsten Zeit nicht ändern wird. Umso mehr wäre angezeigt, die religionspädagogische Ausbildung kirchlicherseits so flexibel wie möglich zu gestalten, sodass möglichst viele religionspädagogische Professionals – entsprechendes Interesse und Eignung vorausgesetzt – an unterschiedlichen Lernorten zum Einsatz kommen können. Auch die derzeit diskutierten berufsgruppenübergreifenden Ausbildungen – u. a. von Gemeindepädagog:innen, Pfarrpersonen, Diakon:innen sowie
Pastoralreferent:innen – im Sinne einer verstärkten multiprofessionellen Teamarbeit könnten hierfür dienlich sein. Weiterhin notwendig ist eine gute Kooperation mit den staatlichen Stellen vor Ort, was ebenfalls Gegenstand kirchlicher Bemühungen sein sollte.
Im Kontext von res mixta als einem wesentlichen Bestandteil der Ausbildungslogik ist zudem auf die Rolle der kirchlichen Begleitprogramme für die Ǫualifizierung von religionspädagogischen Professionals zu verweisen. Diese vermögen zwar einerseits als Lernorte hinsichtlich der Arbeit an der je eigenen Theologie gelesen zu werden (vgl. den Beitrag von M. Bienert & M. Hailer), sind jedoch andererseits – nicht nur diesbezüglich – nach wie vor unzureichend beforscht (vgl. den Beitrag von F. Wiedemann).
Der Lehrkräftemangel wirkt sich (un-)mittelbar auf den Prozess und die Ǫualität der Professionalisierung aus.
Die Auswirkungen des Lehrkräftemangels betreffen die konkrete Ǫualifizierung in mehrfacher Hinsicht: Zunächst spielt der Lehrkräftemangel dem studentischen Bedürfnis nach mehr (Unterrichts-)Praxis dahingehend in die Hände, dass er einen vergleichsweise schnellen und zudem vergüteten Zugang zu praktischer Erfahrung eröffnet (vgl. den Beitrag von N. Rothenbusch). Wenngleich Praxiserfahrungen einen wesentlichen berufsbiografischen Marker darstellen und für das spätere Rollenverständnis bzw. den Habitus prägend und kompetenzfördernd sein können, führt eine Steigerung der Praxiserfahrung nicht automatisch zu einer wachsenden Professionalisierung. Dem potenziellen Gelingensfall, der angesichts unterrichtlicher Herausforderungen die Notwendigkeit eines theologischen Professionswissens erkennt und fortfolgend ein solches anstrebt, steht die Gefahr einer Immunisierungsstrategie entgegen, die das Problem mit vorgefertigten Materialien zu beseitigen sucht (vgl. die Beiträge von M. Bienert & M. Hailer sowie von N. Rothenbusch). Schließlich zeigt sich im Blick auf die (nicht nur, aber auch angesichts der Mangelsituation) verkürzte zweite Ausbildungsphase, dass sich der Prüfungsdruck im Vorbereitungsdienst deutlich erhöht und das Referendariat als „Prüfung in Dauerschleife“ wahrgenommen wird. Davon betroffen sind in der Frage nach der fachdidaktischen Ǫualität sowohl die Lehramtsanwärter:innen als auch die Fachleiter:innen, deren Doppelrolle zwischen Beratung und Bewertung als bleibendes Spannungsfeld zu markieren ist (vgl. den Beitrag von N. Rothenbusch). Hier besteht die Gefahr, dass der Ǫualifizierungsweg als Lehrkraft als zunehmend unattraktiv wahrgenommen wird und dass das Lehramtsstudium gar nicht erst aufgenommen oder das Referendariat abgebrochen oder auch nach einem Studium nicht absolviert wird.
Der Mangel birgt Potenzial für konstruktive Ansätze und Veränderungen innerhalb der Religionslehrkräfteprofessionalisierung.
Zwar wurden Defizitanzeigen – nicht zuletzt im Blick auf eine mögliche De- Professionalisierung – formuliert, jedoch kann diese Ausgangslage auch produktiv gewendet und die Mangelsituation im Blick auf das ihr innewohnende Veränderungspotenzial ausgelotet werden, um spezifische Chancen zu markieren.
Dabei ist zunächst zu unterstreichen, dass angesichts einer pluraler werdenden Lehrkräftequalifizierung religionspädagogische Standards zur Lehrkräftebildung auch in verschiedenen Wegen in den Beruf der Religionslehrkraft gemeinsamen Zielen folgen sollten. Die im Rahmen des Koblenzer Konsents und der Heidelberger Tagung „Religionslehrer:in im 21. Jahrhundert“ etablierten bzw. diskutierten Konzepte theologischer Positionalität und der je „eigenen Theologie“ bieten einen ebenso flexiblen wie strategischen Reflexionsrahmen sowohl für religionspädagogische Forschung als auch für religionsdidaktische Handlungspraxis (vgl. den Beitrag von M. Hailer & M. Bienert). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle kirchlicher Studierendenbegleitung noch einmal eigens zu prüfen und zu reflektieren, inwiefern diese auch für die Begleitung von Ǫuer- und Seiteneinsteiger:innen aktiv werden sollte. Hierfür wäre eine empirische Fundierung der Arbeit und Wirkung der kirchlichen Studierendenbegleitung hilfreich.
Des Weiteren bringen Ǫuer- und Seiteneinsteiger:innen Potenziale mit, die hochschuldidaktisch genutzt werden können (vgl. dazu den Beitrag von M. Emmelmann). Das betrifft v. a. heterogene Lernausgangslagen: Wie kann die Breite der Expertise, die Ǫuer- und Seiteneinsteiger:innen aus den Feldern Schule, Ehrenamt, Familie, Gemeinde oder auch aus nichtkirchlichen oder nichtpädagogischen Bereichen mitbringen, so fruchtbar gemacht werden, dass alle voneinander lernen können und der Blick auf religionspädagogische Handlungsfelder sowie schulische Kooperationsmöglichkeiten, z. B. in der Gestaltung des Ganztags, geweitet wird? Bereits jetzt bewirken die diversen Mangelsituationen ein verstärktes Nachdenken über intensivere Vernetzungen zwischen Schule und kirchlichen/gemeindlichen Kontexten. Aus lernort- und bildungsbiographischer Sicht ist das zu begrüßen, denn die Motive für die Wahl entsprechender Berufe entspringt positiven Erfahrungen aus beiden Bereichen, insbesondere dem Religionsunterricht und der kirchlichen Jugendarbeit (vgl. den Beitrag von F. Wiedemann). Und weiterhin: Statt den Lehrkräftemangel vornehmlich im Blick auf Strukturfragen zu diskutieren, sind hochschuldidaktische Konsequenzen und Innovationspotenziale in den Blick zu nehmen (vgl. die Beiträge von M. Bienert & M. Hailer; M. Emmelmann; T. Heller und N. Rothenbusch).
Der Lehrkräftemangel sollte die wissenschaftliche Religionpädagogik nicht nur im Blick auf ihre Qualifizierungsaufgabe religionspädagogischer Professionals herausfordern, sondern innerhalb der Disziplin auf verschiedenste Weise einen forschungsproduktiven Niederschlag finden.
Diese Aufgabe betrifft zunächst die Religionspädagogik im Dialog mit anderen Fachdidaktiken. Die Diskurse zu (De-)Professionalisierung und Ǫualitätsfragen sollten fachdidaktikenübergreifend verknüpft werden: (Fast) Jede Fachdidaktik hat sich nach den intensiven Maßnahmen der Ǫualitätsoffensive Lehrerbildung nun paradoxerweise mit Deprofessionalisierungstendenzen auf Grund des Lehrkräftemangels auseinanderzusetzen. Bislang erscheinen die Diskurse zur Ǫualität des (Religions-)Unterrichts und zu notwendigen Professionalisierungsstrategien noch unverbunden. Eine Verknüpfung könnte die Diskurse schärfen. Nicht nur, aber insbesondere kleine Fächer sind auf die Einbindung und Beteiligung an fachdidaktischen Initiativen angewiesen. Foren wie die Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) eröffnen hier fachübergreifende Einblicke, Perspektiven und politische Wirkkraft. Für den religionspädagogisch-fachdidaktischen Diskurs bietet sich neben den Reflexionen auf kirchliche und kirchenpolitische Verlautbarungen auch eine Auseinandersetzung mit diesen Stellungnahmen an.
Doch nicht nur fachdidaktikenübergreifend, sondern auch innerhalb der Religionspädagogik sind die Forschungen zur Situation des Lehrkräftemangels und zur (De-)Professionalisierung zu verstärken. Dabei sollte die Vielzahl der religionspädagogischen Forschungszugänge und -instrumentarien Verwendung finden. Notwendig und lohnenswert ist auch der Blick über die unmittelbare Gegenwart und über Deutschland hinaus, weil sich so Entwicklungen einordnen und relativieren lassen, aus den Erfahrungen gelernt werden kann sowie nicht zuletzt Möglichkeitsräume sichtbar werden (vgl. die Beiträge von B. Kappelhoff et al. und T. Heller).
Bislang gibt es (vgl. Einleitung) nur vereinzelt und eher nicht religionsunterrichtsspezifisch Forschung, in der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Lehrkräften mit unterschiedlichen Professionalisierungswegen in den Blick genommen werden. So wurden gelegentlich Unterschiede hinsichtlich der Motivation und der Zielvorstellungen zwischen kirchlichen und staatlichen Lehrkräften untersucht. Um artikulierte Befürchtungen wie auch Hoffnungen untermauern oder entkräften zu können, müssten mit dem Ziel der Ǫualitätsverbesserung (und nicht der Abwertung) präzise fachlich-fachdidaktische Unterschiede in Abhängigkeit von Professionalisierungswegen und unter Berücksichtigung von einflussreichen verborgenen Variablen untersucht werden.
Verschiedene Maßnahmen zur Behebung des Lehrkräftemangels wären sinnvollerweise zu evaluieren. Im SWK-Gutachten (vgl. Einleitungsbeitrag) werden Hinweise zur Bewerbung des Lehramtsstudiums formuliert, und es werden unterschiedliche studienstrukturelle, -inhaltliche und mediale Maßnahmen auf Seiten der Universitäten und der Landeskirchen durchgeführt. Bislang gibt es u. E. keine Evaluationen über deren Wirksamkeit. Solche Erkenntnisse wären wünschenswert, um Kräfte effektiv zu bündeln und einzusetzen.
Forschungsbedarf besteht aber auch in Bezug auf verschiedene Professionen innerhalb der Religionspädagogik: Konkret sollte daher die Kooperation zwischen Gemeindepädagogik und Religionspädagogik intensiviert werden. Mit beiden Teildisziplinen gehen unterschiedliche Voraussetzungen und Kontexte einher, wenngleich sich wesentliche Schnittmengen ausmachen lassen. Diese liefern eine gute Basis dafür, sich mit der Mangelsituation an unterschiedlichen religionsbezogenen Bildungs- und Sozialisationsorten zu befassen und diese professionstheoretisch – innerhalb der Lehrkräfteforschung oder innerhalb der SAGE-Disziplinen – breit in den Blick zu nehmen. Auf diese Weise könnte zu Fragen der Gewinnung von Personen, deren Professionalisierungswegen sowie der beruflichen Situation fundiert Auskunft gegeben werden. Auch steht eine fachspezifische und kontextsensible Reflexion der KMK-Vorschläge u. E. noch aus. Die eingangs skizzierten, vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung des Lehrkräftemangels wurden bislang religionspädagogisch noch wenig rezipiert und reflektiert, der Fokus liegt bislang stärker auf den nichtoffiziellen Maßnahmen, wie dem Einsatz von Studierenden. Es sollten aber alle bislang vorfindlichen Instrumente zur Bearbeitung des Lehrkräftemangels – seien sie offizieller oder eher inoffizieller Natur – gleichermaßen im Blick auf die Professionalisierung bedacht und mit den fachspezifischen Entwicklungsvorschlägen (EKD, Fakultätentag) ins Verhältnis gesetzt werden.
Schließlich braucht es innerhalb der Theologie eine länderübergreifende wie kontextsensible Sorgfalt bei der Entwicklung und Implementierung der Seiten-, Ǫuereinstiegs- und Ein-Fach-Master-Maßnahmen. Bisherige Einblicke zeigen bundesland- und universitätsbezogen unterschiedliche Implementierungswege.
Bei all diesen breiten Einbettungen ist nicht zu vergessen, dass der Fokus zum Thema Religionslehrkräftemangel nicht allein auf den Lehrkräften liegen darf, sondern vor allem die Subjekte religiöser Bildung berücksichtigen muss, sodass deren Chancen auf „gute“ religiöse Lernprozesse erforscht und ermöglicht werden. Dazu gehört, dass der Religionsunterricht in allen Schulformen angeboten wird und dass er ein fachlich gutes Angebot darstellt – weshalb die Forschung zu Lehrkräften aus unterschiedlichen Ǫualifizierungswegen und zu deren Angeboten für Lernende auch aus Schülerperspektive sinnvoll wäre.
Angesichts des Lehrkräftemangels sind die mit Kooperation verbundenen Chancen zu nutzen.
Durch die Mangelsituation wird die Notwendigkeit zur interkonfessionellen und interreligiösen Kooperation forciert (vgl. den Beitrag von M. Emmelmann), was Chancen auf mehreren Ebenen bietet: Zum einen ermöglichen Kooperationen die Bündelung institutioneller Ressourcen bzgl. der Plausibilisierung religiöser Bildung in einer zunehmend säkularen Gesellschaft; zum anderen bieten sie den Beteiligten selbst Bildungsimpulse, die sie persönlich, aber auch ihre professionellen Kompetenzen betreffen. Insofern dürfte eine stärker interkonfessionelle und interreligiöse Ausrichtung des theologischen Lehramtsstudiums auch seine Attraktivität erhöhen, weil damit auf das Interesse von Studierenden angesichts der religionsbezogenen Pluralität der Gegenwart reagiert wird (vgl. den Beitrag von F. Wiedemann).
Der Lehrkräftemangel ist ohne Frage ein krisenhaftes Phänomen, das von verschiedensten Akteuren bearbeitet werden muss, das sich vermutlich dennoch als schwer steuerbar erweisen und nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führen wird. Jedoch sollte die Bedarfskrise und ihre katalysatorische Funktion im Blick auf kooperative Organisationsmodelle des Religionsunterrichts als Chance für eine aus vielerlei Gründen zeitgemäße religionsdidaktische Entwicklung verstanden und gesehen werden.
Dr. Monika E. Fuchs, Professorin für Ev. Theologie/Religionspädagogik, Leibniz Universität Hannover.
Dr. Stefanie Lorenzen, Professorin für Ev. Religionspädagogik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Dr. Susanne Schwarz, Professorin für Religionspädagogik, Universität Wien.
Dr. Ulrike Witten, Professorin für Ev. Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts, Ludwig- Maximilians-Universität München.