Religionspädagogik – Religionsdidaktik – Andere theologische Disziplinen – Bilderbücher mit religiös–ethischen Elementen – Diverse Unterrichtsmaterialien. Interessante Neuerscheinungen für religionspädagogisch Interessierte


Martin Schreiner


Zusammenfassung

Vorgestellt werden Neuerscheinungen in den Bereichen Religionsdidaktik und Religionspädagogik, Biblische Theologie, weitere theologische Disziplinen, Bilderbücher und Kinderbücher sowie Unterrichtsmaterialien.


Religious education – Didactics of religious education – Other theological disciplines – Illustrated books with religious and ethical elements – Various teaching materials. References to interesting new publications for those interested in Religious Education


Abstract

New publications in the fields of religious education and pedagogy, biblical theology, other theological disciplines, picture books and children's books, as well as teaching materials will be presented.


  1. Religionspädagogik

    Zum Auftakt gilt es, mit dem Handbuch Religionspädagogische Hermeneutik, das von Claudia Gärtner, Martina Kumlehn, Konstantin Lindner, Bernd Schröder, Henrik Simojoki und Jan Woppowa im Verlag Mohr Siebeck (ISBN 16-163555-7) herausgegeben wird, eine ausgezeichnete Neuveröffentlichung anzuzeigen. Mit diesem opus magnum wird erstmals eine „Religionspädagogische Hermeneutik“ vorgelegt, die – so die Herausgebenden in der Einleitung – „weder einem spezifischen religionsdidaktischen Themendiskurs (etwa der Bibeldidaktik oder der Subjekthermeneutik) noch einer hermeneutischen Schule (etwa der daseinshermeneutischen) verpflichtet ist, sondern eine Kartografie solcher hermeneutischen Ansätze und Impulse entwickelt, die für religionspädagogische Forschung, Theoriebildung und Lehre als einschlägig und relevant gelten können. In der Fülle solcher Ansätze und Impulse will dieses Handbuch orientieren – und zwar auf dreierlei Weise: Zum einen sichtet es die Fülle der hermeneutischen Konzepte aus Theologien und angrenzenden Geistes- und Kulturwissenschaften und schlägt eine Ordnung dieser verschiedenen Hermeneutiken aus einer religionspädagogischen Perspektive und im Interesse religionspädagogisch-hermeneutischer Selbstaufklärung vor. Zum anderen kommen einschlägig für wichtig erachtete hermeneutische Positionen aus der Religionspädagogik und anderen Wissenschaften so zur Darstellung, dass eine vertiefte Beschäftigung für religionspädagogische Forschungszwecke angebahnt und ermöglicht wird. Und zum dritten legen die Herausgebenden einerseits durch die Gesamtkonzeption und deren Ordnungsstruktur und andererseits durch ein programmatisches Eingangskapitel einen rahmenden Entwurf religionspädagogischer Hermeneutik vor, der die verschiedenen Perspektiven und Zugänge flankiert und zentrale Dimensionen fokussiert. Auch wenn dieser Entwurf religionspädagogische Hermeneutik im Singular adressiert, bleibt doch die Mehrzahl das Signum religionspädagogischer Hermeneutik. Das Handbuch möchte Leser:innen für die Unerlässlichkeit und Vielgestaltigkeit hermeneutischer Reflexion in jedweder religionspädagogischer Forschung sensibilisieren und ihnen helfen, solche religionspädagogisch-hermeneutischen Zugriffe zu finden, die das Verstehen dessen fördern, was jeweils von ihnen als Gegenstand religionspädagogischer Forschung gewählt wird – seien es Subjekte oder die Kommunikation zwischen Subjekten, seien es Lebenswelten, Texte oder Gestalten von Religion. Das spezifisch religionspädagogische Interesse richtet sich bei der Befassung mit all diesen Gegenständen des Verstehens auf das Verstehen von religiös relevanten Lern- und Bildungsprozessen – und weil diese nicht vor Augen liegen, sondern sich in, mit und unter verschiedensten Lebensvollzügen und - deutungen vollziehen, müssen religionspädagogische Studien in der Regel weit ausholen und über ein geschärftes und differenziertes hermeneutisches Repertoire verfügen.“ (1f.) Sodann führen die Herausgebenden zur Grundidee von Hermeneutik als einer Kunst des Verstehens religiös relevanter Lern- und Bildungsprozesse Folgendes aus: „Seit der Etablierung einer wissenschaftlichen Hermeneutik an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wird Hermeneutik als ‚Kunst des Verstehens‘ begriffen – dafür stehen etwa die hermeneutischen Entwürfe von Friedrich Schleiermacher, Wilhelm Dilthey oder Hans-Georg Gadamer. Mit der Rede von einer ‚Kunst des Verstehens‘ sind Implikationen verbunden, die sich als tragfähig erwiesen haben – auch wenn sie immer wieder Anlass gaben und geben, weitere Klärungen herbeizuführen. ‚Verstehen‘ lässt eine primär kognitive Bewegung assoziieren. Das ist insofern zutreffend, als zumal im Kontext von Wissenschaft eine dem jeweiligen Gegenstand entsprechende, methodisch ausgewiesene und sachlich nachvollziehbare, kohärente Explikation des Verstehensprozesses und seines Ergebnisses angestrebt wird. Die (Meta-)Reflexion auf das Verstehen zeigt jedoch, dass es sich beim Verstehen keineswegs um einen ausschließlich kognitiven Prozess handelt, sondern um einen – sachlich wie zeitlich – mehrgliedrigen und mehrschichtigen Prozess, der sich zwischen Wahrnehmung und existentiellem Commitment erstreckt. In diesem Prozess spielen neben der Kognition und dem erkenntnisleitenden Interesse auch Faktoren wie sinnlich-materiell vermittelter Kontext, Emotion und routiniertes, inkorporiertes Gebrauchswissen eine signifikante Rolle. Die Rede von „Kunst“ bzw. einer „Kunstlehre des Verstehens“ ruft wissenschaftstheoretische Unterscheidungen auf, die auf die klassische griechische Philosophie zurückgehen: Kunstlehren sind zwischen der ‚techné‘ (also einem Handwerk oder einer Methode) und der ‚theoria‘ (also einer in sich schlüssigen Gedankenentwicklung) angesiedelt. Ihre Anwendung zielt weder auf eine bloße Applikation oder ein Vollstrecken noch ein abstraktes gedankliches Entwerfen. Eine Kunst(-lehre) drängt vielmehr auf Vermittlung von Theorie und Praxis; sie ist dabei unumgänglich auf die Wahrnehmungen, die Kenntnisse und Horizonte, die Ermessensspielräume und -entscheide des verstehenden Subjekts angewiesen. Kunstlehren brauchen nicht zuletzt ein kreatives Element, weil die Anwendung ihrer Regeln selbst nicht auf einer Metaebene regelhaft festgelegt ist. Sowohl die Kunst(lehre) als auch das Verstehen sind demnach stets die Kunst bzw. das Verstehen von ‚etwas‘ als etwas durch ‚Jemanden‘. Ein Text, ein Symbol, ein lebensweltliches Phänomen, eine körperliche Geste usw. sind nie ‚an sich‘ verstanden, sondern sie werden von jemandem zu verstehen gesucht bzw. verstanden. Insofern handelt es sich bei der Hermeneutik zwingend um einen subjektbasierten und -gebundenen Vorgang, der allerdings intersubjektiv dargestellt, nachvollzogen und kritisch überprüft werden soll. Die subjektiven und intersubjektiven Verstehensprozesse sind dabei selbst wieder vielfältig eingebettet in Kontexte, Routinen und emotionale Prägungen. Die Pluralität des Verstehens und der Kunstlehren des Verstehens ist kein Kunstfehler, sondern unvermeidlich; eben deshalb ist die Verständigung über Ausgangspunkte, Regeln und Ergebnisse von hermeneutischen Prozessen unerlässlich. Die hier intendierte religionspädagogische Hermeneutik hat an den vielfältigen Intentionen, Widrigkeiten und Chancen der Kunst des Verstehens Anteil, die in ihrer Komplexität unverzichtbar nach einer interdisziplinären Bearbeitung verlangen, die das Handbuch auch aufnimmt und abbildet. Zugleich unterscheidet sich die spezifisch religionspädagogische Hermeneutik von allgemeinen oder in anderer Weise fach- oder gegenstandsspezifischen Hermeneutiken – und zwar primär durch ihren Gegenstand, der hier vorläufig auf den Begriff ‚religiös relevante Lern- und Bildungsprozesse‘ gebracht werden soll. Das heißt: Nicht nur das Verstehen, sondern auch das zu Verstehende ist prozedural verfasst und darüber insofern unweigerlich komplex, als verschiedene Faktoren in solchen religiös relevanten Lern- und Bildungsprozessen eine Rolle spielen, die unterschieden werden können, aber eben im Interesse des Verstehens auch immer wieder zusammengeschaut werden müssen. Im Interesse einer Operationalisierung des hermeneutischen Geschäfts unterscheidet dieses Handbuch von daher die Faktoren: Subjekt, Religion, Kommunikation, Text und Lebenswelt. Religionspädagogische Hermeneutik entwickelt Instrumente, um diese Faktoren je für sich genommen möglichst gut zu verstehen, aber auch eine Zusammenschau anzubahnen – nicht zuletzt, um so dem religionspädagogischen Erkenntnisinteresse Rechnung zu tragen. Denn Subjekte, Religionen, Kommunikationen, Texte und Lebenswelten können und werden auch in anderen Perspektiven und wissenschaftlichen Hinsichten zu verstehen gesucht.“ (2-4) Das Anliegen dieses Handbuches besteht darin, „die Unumgänglichkeit hermeneutischer Arbeit in jedweder religionspädagogischen Forschung auszuweisen: Auch empirische, didaktische, historische und vergleichende Reflexionen enthalten hermeneutische Anteile, die es sichtbar zu machen und zu explizieren gilt. Anders gesagt: Hermeneutische Reflexion ist für jedes religionspädagogische Forschungsformat und jede religionspädagogische Reflexionsperspektive unverzichtbar, auch wenn die Unterschiedlichkeit der Forschungsfelder und -methoden nicht eingezogen werden soll. Darüber hinaus will das Handbuch sowohl die Verwobenheit religionspädagogischer Hermeneutik mit hermeneutischen Reflexionshorizonten, Prinzipien und Verfahrensweisen in anderen theologischen Disziplinen und Diskursen oder nicht-theologischen Wissenschaften herausarbeiten als auch die Eigenart religionspädagogischer Hermeneutik herausstellen. Religionspädagogische Hermeneutik verdankt sich in vielerlei Hinsicht einem reichen, in vielen Disziplinen gepflegten und entwickelten Erbe, sie setzt aber auch einen eigenen Akzent im Verstehen von religiösen Lern- und Bildungsprozessen. Schließlich dient das Handbuch dazu, erstmalig das Spektrum religionspädagogischer hermeneutischer Zugriffe möglichst umfassend, differenziert und doch operationalisierbar zu beschreiben. Dabei wird insbesondere deutlich: Religionspädagogische Hermeneutik ist auch Texthermeneutik, aber sie ist immer mehr als Texthermeneutik, denn die Kunst des Verstehens muss sich in religionspädagogischen Zusammenhängen auch im Blick auf menschliche Subjekte und deren Kommunikation, im Blick auf ihre Lebenswelt und ihre Religion bzw. Religiosität bewähren. Ein weiteres Anliegen des Handbuchs besteht in der methodologischen Konsolidierung und methodischen Differenzierung religionspädagogischer Hermeneutik. Unbeschadet der Eigenarten hermeneutischer Reflexion soll das Handbuch in seinen verschiedenen Kapiteln erkenntnisleitende Interessen, Gegenstände, Arbeitsweisen, Gütekriterien und Darstellungsmöglichkeiten religionspädagogischer Hermeneutik so konkret vor Augen stellen, dass dadurch entsprechende Forschung und Lehre angeregt wird und in methodischer Hinsicht an Transparenz gewinnt.“(7) Aus diesem Anliegen erklärt sich der Aufbau des Handbuches: „In Kapitel II entfalten die Herausgebenden ihr Verständnis religionspädagogischer Hermeneutik und entwickeln daraus Kriterien und Schritte hermeneutisch-religionspädagogischer Arbeit in Forschung und Lehre. In den Kapiteln III-V werden religionspädagogisch relevante hermeneutische Einsichten und Perspektiven aus anderen theologischen Disziplinen, benachbarten Wissenschaften und einschlägigen fachübergreifenden hermeneutischen Diskursen referiert. An dieser Stelle ist es im Zuge der Erarbeitung zu einem größeren Umbau gekommen: Ursprünglich war ein eigenes Kapitel zu hermeneutischen Perspektiven in jüdischer und islamischer Religionspädagogik bzw. Theologie vorgesehen. Es ist jedoch nur z.T. gelungen, Autor:innen zu finden, die ihre Expertise im Kontext eines Handbuchs religionspädagogischer Hermeneutik zur Verfügung stellen konnten oder wollten. Die Kapitel VI-XI sind im engeren Sinne Fragen religionspädagogischer Hermeneutik gewidmet – in Kapitel VI wird die hermeneutische Dimension der verschiedenen methodologischen Arrangements in der Religionspädagogik herausgearbeitet, in den Kapiteln VII-XII werden hermeneutische Zugänge für die Auseinandersetzung mit verschiedenen ‚Gegenstandsbereichen‘ vom Subjekt bis zum Text erschlossen. Kurzum: Das Handbuch soll Religionspädagog:innen darin unterstützen, die hermeneutische Dimension ihrer Forschung und Lehre zu entschlüsseln, konzeptionell zu bearbeiten und nachvollziehbar zur Darstellung zu bringen.“ (8) Dieses Ziel ist außerordentlich erfolgreich gelungen! Das Handbuch gehört in die Hände aller religionspädagogisch-wissenschaftlich Arbeitenden.

    Ebenfalls dem Verstehen widmen sich Gerlinde Baumann, Rebecca Hassan und Karin Lehmeier in ihrem im Narr Francke Attempto Verlag (ISBN 7720-8766-0) veröffentlichten Band Wie verstehst du, was du liest? Die Entwicklung bibelhermeneutischen Denkens in der exegetischen Professionalisierung. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildet die Erkenntnis, „dass ein wichtiger und bisher zu wenig beachteter Faktor bei der erfolgreichen Vermittlung bibelwissenschaftlicher Kenntnisse an Studierende in den Vorkenntnissen der Studierenden bei ihrem Bibelstudium besteht. Diese Vorkenntnisse beziehen sich auf die Inhalte der wissenschaftlichen Exegese, aber auch auf die allgemeine Sicht der Bibel, also auf die bibelhermeneutische Grundfrage. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie verändern Studierende ihre Haltung zur Bibel, wenn sie sich systematisch und wissenschaftlich mit ihr beschäftigen, um einen Beruf zu ergreifen, bei dem sie sich auch professionell mit biblischen Texten auseinandersetzen müssen?“ (13) Die vorliegende Veröffentlichung „bietet den Überblick über die Ergebnisse des Projekts ‚Untersuchung bibelhermeneutischer Prozesse im Rahmen angewandter Wissenschaften‘. Im Zentrum des gesamten Projekts steht die Forschungsfrage: ‚Welche Veränderungsprozesse sind bei Studierenden der Religionspädagogik und der Sozialen Arbeit vom Beginn bis zum Ende des exegetischen Studiums hinsichtlich des Grundverständnisses der Bibel zu beobachten und zu beschreiben?‘ Operationalisiert wurde diese Forschungsfrage zunächst, indem eine schwerpunktmäßig quantitative Studie mit einigen qualitativen Anteilen im Paneldesign entwickelt und in zwei Kohorten durchgeführt wurde. Dieser Projektbereich wird im Folgenden als ‚Panelbefragung‘ bzw. ‚Paneluntersuchung‘ bezeichnet. Im Verlauf der Studie und nach Sichtung erster Ergebnisse ist allerdings deutlich geworden, dass ergänzende Befragungen und Methoden wünschenswert wären, um im Rahmen des Forschungsinteresses vertiefte Ergebnisse zu erzielen. So wurde im Studienjahrgang 2017 zusätzlich zur Panelbefragung zum einen eine kleine Befragung zur Kenntnis von Bibeltexten durchgeführt. Diese diente der Differenzierung der Lernausgangslage. Zum anderen wurde die Bearbeitung sogenannter ‚Problemlösungsszenarien‘ als Teil eines von allen Studierenden des Studienjahrgangs in der Lehrveranstaltung ‚Biblische Theologie‘ zu erstellenden Seminarportfolios ausgewertet. Diese Studierenden haben zugleich als Kohorte II an der Panelbefragung teilgenommen. Konkret handelt es sich bei diesem Teil der Forschung um die Auswertung von insgesamt über 90 von Studierenden erstellten Fließtexten mit einem Analyseinstrumentarium der qualitativen Sozialforschung“ (14) Die Studie enthält durchaus interessante Aspekte für eine Perspektivenerweiterung der Exegese.

    In ihrer im Waxmann Verlag (ISBN 8252-6302-7) erschienenen anwendungsorientierten Einführung Fortgeschrittene Verfahren der quantitativ-empirischen Religionspädagogik informieren Alexander Unser und Ulrich Riegel hilfreich über religionspädagogische Forschungsfragen, die komplexere Verfahren notwendig machen. Sie markieren den Unterschied zu ihrem ersten Band „Grundlagen“ wie folgt: „Die im ersten Band beschriebenen statistischen Verfahren eignen sich nicht, um sämtliche Forschungsfragen quantitativ-empirischer Projekte in der Religionspädagogik zu beantworten. So kann die im ersten Band beschriebene explorative Faktorenanalyse zwar Strukturen in den Daten entdecken, ist jedoch nicht geeignet, angenommene Strukturen in den Daten zu prüfen. Dazu bedarf es der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Ebenso erlaubt es die Clusteranalyse, Personen gemäß ausgewählter Eigenschaften zu gruppieren, räumt dabei den Forscher:innen aber einen für quantitative Routinen vergleichsweise großen Entscheidungsspielraum ein. Eine Alternative zur Clusteranalyse mit weniger großem individuellen Entscheidungsspielraum stellt z.B. die Latent-Class-Analysis dar. Schließlich ist die im ersten Band beschriebene lineare Regressionsanalyse ein mächtiges Verfahren, um Zusammenhänge zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen Variablen zu bestimmen. Sobald das Verhältnis zwischen abhängiger und unabhängigen Variablen aber komplexer wird, es also begründet vermutet werden kann, dass eine weitere Variable den Zusammenhang zwischen abhängiger und unabhängigen Variablen bedingt, bedarf es sog. Strukturgleichungsmodelle. Außerdem ist die lineare Regression an die Voraussetzung gebunden, dass die abhängige Variable metrisch skaliert ist. Binäre oder kategoriale Variablen bedürfen einer logistischen Regressionsanalyse. Alle diese Verfahren sind Gegenstand des vorliegenden Bandes. Sie haben gemeinsam, dass entweder die Analysestrategie oder die Datengrundlage komplexere Verfahren voraussetzen als diejenigen, die im ersten Band beschrieben wurden. Komplexität entsteht in empirischen religionspädagogischen Projekten aber auch dadurch, dass qualitative Informationen in quantitative Daten überführt werden müssen. Der klassische Fall dürfte sein, wenn qualitativ gewonnene Kategorien – z.B. aus einer Interviewstudie – mit quantitativ erhobenen Hintergrundvariablen in Beziehung gesetzt werden. Auch triangulativ angelegte Projekte, die die Daten eines qualitativen Arbeitspakets systematisch auf die Daten eines quantitativ angelegten Arbeitspakets beziehen, stehen vor der Herausforderung, die qualitativen Daten in statistisch verarbeitbare zu überführen. In jüngerer Zeit hat mit videographierten Informationen eine weitere Datensorte größere Bedeutung für religionspädagogische Projekte gewonnen, die zu Beantwortung vieler Forschungsfragen ebenfalls so ausgewertet werden müssen, dass sie mit quantitativen Verfahren weiterverarbeitet werden können. In diesen Fällen gründet die Komplexität weniger in den statistischen Verfahren, die für quantitative Kalküle angewendet werden müssen, sondern in der angemessenen Aufbereitung qualitativer Informationen, sodass sie quantitativ weiterbearbeitet werden können. Auch diesen Fällen wird im vorliegenden Band Rechnung getragen.“ (7f.)

    Stefan Altmeyer, Bernhard Grümme, Helga Kohler-Spiegel, Elisabeth Naurath, Bernd Schröder und Friedrich Schweitzer haben im Vandenhoeck C Ruprecht Verlag (ISBN 525-70024-2) den facettenreichen 41. Band des Jahrbuchs der Religionspädagogik mit dem prägnanten Titel Im Mittelpunkt: Kinder herausgegeben. Im Vorwort schreiben sie zu Intention und Inhalt dieser wichtigen Neuerscheinung: „Dieses Jahrbuch widmet sich nicht einfach dem Kind, sondern den Kindern – in ihrer realen Vielfalt und Vielfältigkeit. Vom Kind zu den Kindern ist es nur vermeintlich ein kleiner Schritt. Für die Religionspädagogik liegt darin ein erneuter Perspektivenwechsel, der über die traditionellen, in der theologischen Anthropologie noch immer verbreiteten Sichtweisen »des Kindes« hinausführt und damit die für jede pädagogische Anthropologie konstitutive Kritik an der Lehre »vom Menschen« in neuer Weise ernst nimmt. »Das Kind« gibt es ebenso wenig wie »den Menschen«, so wie dies die zahlreichen Debatten um soziale Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung, Heterogenität und Ungleichheit usw. in den letzten Jahren eindrücklich ins Bewusstsein gerufen haben. Zugleich mehren sich die Stimmen im globalen Horizont, die kritisch darauf insistieren, dass beispielsweise das Kindsein in Afrika auch theologisch und religionspädagogisch nicht länger mit dem Kindsein in der westlichen Welt gleichgesetzt und von dort her gedeutet werden darf. Insofern ist der Übergang vom Kind zu den Kindern gerade religionspädagogisch überfällig. Dieser Band will Perspektiven aufzeigen, wie dieser Übergang gelingen kann. Zugleich wurde dieser Band bewusst in einer ausgeprägten Zeit von Krisen auch in Deutschland und Europa konzipiert. Seit dem Ausbruch der Coronapandemie im Jahr 2020 und dem von Russland gegen die Ukraine begonnenen Krieg im Jahr 2022 sowie dem Überfall der Hamas auf Israel im Herbst 2023 und der anschließenden israelischen Invasion in Gaza scheint nur noch die Frage zu sein, wann die nächste Krise über uns hereinbricht und worin sie wohl bestehen wird. Und wie schon bei vielen Krisen in der Vergangenheit sind die Kinder den Folgen der Krisen besonders wehrlos ausgesetzt. Doch was bedeutet das für Kinder? Während sich der bildungspolitische Diskurs nach Corona häufig auf die Lerndefizite konzentriert und dabei vor allem die wieder so bezeichneten Kern- oder Hauptfächer fokussiert, werden in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder in der Sozialen Arbeit viel weiterreichende Belastungen diagnostiziert, durch die ein gedeihliches und gesundes Aufwachsen insgesamt und dauerhaft infrage gestellt werde. Für die Religionspädagogik liegt dabei die grundlegende Bedeutung der religiösen Dimension auf der Hand – gerade in Krisenzeiten wird sie immer wichtiger –, aber in der human- und sozialwissenschaftlichen Forschung wird diese Dimension nur selten wahrgenommen. In dieser Hinsicht soll der vorliegende Band dazu beitragen, entsprechende Argumente zu identifizieren und für die öffentliche Diskussion zugänglich zu machen. Damit ist bereits angesprochen, dass es beim Thema »Kinder« keineswegs allein um wissenschaftliche Fragen geht, sondern vielfach um praktische Aufgaben sowie um Themen für den Religionsunterricht. Wie die regionsdidaktischen Konkretionen in diesem Band zeigen, steht dabei die Begleitung von Kindern in zum Teil sehr belastenden Situationen im Vordergrund, aber es geht auch um eine Aktualisierung gleichsam klassischer religionsdidaktischer Themen wie »Verantwortung«, »Krankheit und Heilung« oder »Sterben und Tod«. Auch solche Themen tragen heute nicht mehr von allein, sondern müssen angesichts aktueller Erfahrungen neu durchbuchstabiert werden. Und auch dabei gilt, dass eine Erschließung für »das Kind« längst nicht mehr ausreicht. Der Übergang vom Kind zu den Kindern ist auch religionsdidaktisch von enormer Bedeutung.“ (9f.) In seinem lesenswerten bilanzierenden Rekonstruktionsversuch „Die Kinder der Religionspädagogik“ (276-290) schreibt Stefan Altmeyer: „Am Ende dieser Bilanz und auch dieses Jahrbuchs steht erneut die Frage vom Anfang: Wer sind nun eigentlich die »Kinder der Religionspädagogik«? Die vorliegende Rekonstruktion hat zumindest einige grundlegende Beobachtungen und ein anfanghaftes Bild hervorgebracht, die Anstöße für eine weiterführende kritische Auseinandersetzung geben können. Erkennbar wird zunächst das Anliegen, Kinder in ihrer lebensweltlichen Vielfalt und individuellen Unterschiedlichkeit wahrzunehmen – ein Anliegen, das religionspädagogisch breit aufgenommen wird und konsequent weiterverfolgt werden sollte. Dabei dürfte es hilfreich sein, auch die jeweils gewählte Perspektive klar zu benennen und Unterschiede wie wechselseitige Bezüge herauszustellen: Kinder in ihren Lebenslagen, als Adressat:innen professionellen pädagogischen Handelns, als Akteur:innen ihres Lernens sowie in ihrer anthropologischen und theologischen Bestimmung. In den Koordinaten pädagogischer Sorge zeigt sich eine doppelte Tendenz: Kinder werden einerseits stark in ihren krisenhaften Bezügen und damit als vulnerabel, belastet oder gefährdet wahrgenommen. Zugleich wird deutlich ihre Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit betont. Zwar spiegelt sich darin das Anliegen, Kinder sowohl in ihrer Bedürftigkeit als auch in ihrer Fähigkeit ernst zu nehmen, sich selbst und ihre Welt zu deuten und zu gestalten, doch birgt diese Konstellation auch eine kritische Problematik: Was passiert, wenn gerade die krisenhaften Bedingungen jene Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit einengen, auf die pädagogisch zugleich gesetzt wird? In diesem Zusammenhang könnten etwa (generationelle oder institutionelle) Machtverhältnisse eine kritische Rolle spielen, indem sie die Selbstbestimmung von Kindern offen oder verdeckt beschränken. Ein Thema, das im Jahrbuch nur angerissen wird, aber stärkere Aufmerksamkeit verdient. Schließlich wurde der Versuch unternommen, das Modell pädagogischer Sorge religionspädagogisch weiterzudenken. Kinder erscheinen in der Religionspädagogik eben nicht nur unter den allgemeinen Kategorien der »Bildsamkeit«, »Kompetenz«, »Resilienz« und »Autonomie«, sondern werden dabei auch in ihrem Transzendenzbezug konstruiert. Eine typisch religionspädagogische Form der Sorge adressiert Kinder im Spannungsfeld zwischen transzendenzbezogener Offenheit und fehlender Bindung an religiöse Sprache, Tradition oder Praxis. Die Figur des »religiös offen-unverbundenen Kindes« macht diese Spannung analytisch sichtbar und spitzt die normative Leitidee der religionspädagogischen Konstruktion von Kindern zu. Dieser scheint es zentral darum zu gehen, dass Räume geschaffen werden, in denen Kinder religiöse Fragen entdecken, artikulieren und Deutungen erproben können, und dies ohne Überformung, aber auch nicht losgelöst von religiösen Bezügen. Sollte dieses Bild der religionspädagogischen Sorge nicht gänzlich an der Realität vorbeigehen, trifft es auf eine kritische Einrede, die bereits bei Blaschke-Nacak und Zirfas (52-63) anklingt: Sie hinterfragen, ob Kinder durch den normativ-pädagogischen Blick nicht letztlich zu Objekten der Sorge werden, deren eigene Perspektiven in den Hintergrund treten. Zwar erzeugen die für das Sorgekonzept typischen Spannungsverhältnisse die pädagogische Energie, um sowohl Risiken zu vermeiden als auch Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, doch bleibt die Frage offen, wie sich Sorge in Partizipation übersetzen lässt. Vor dem Hintergrund dieser Kritik gewinnen Forderungen nach stärker partizipativen Zugängen an Bedeutung, wie sie auch in diesem Jahrbuch vorgetragen werden. So wird betont, dass Kinder nicht nur Adressat:innen religionspädagogischer Konzepte sein sollten, sondern selbst als Mitgestaltende religiöser Bildungsprozesse ernst zu nehmen sind. Damit verbunden wird die Forderung, nicht nur über Kinder zu sprechen, sondern ihnen auch im theologischen Diskurs eine angemessene Stimme zu geben. So deutlich dieser Anspruch formuliert wird, so bleibt er doch im Jahrbuch selbst insgesamt eine weithin uneingeholte Forderung. Die Frage, wie eine solche partizipative Perspektive religionspädagogisch konsequent eingelöst werden könnte, bleibt damit auch über die Beiträge dieses Jahrbuchs hinaus virulent.“ (288-290)

    Der Mitherausgeber des Jahrbuchs der Religionspädagogik Bernhard Grümme hat im Verlag Herder (ISBN 451-02527-3) spannende Überlegungen zu einer Subjektorientierung der Religionspädagogik in der Digitalisierung unter dem Titel Digitalisierung als Entsubjektivierung? Kritisch-aufgeklärte Subjektorientierung in der Digitalität vorgelegt. Im Vorwort schreibt der Verfasser: „Wahrscheinlich sind wir schon zu sehr im onlife des Postdigitalen verstrickt, um zu realisieren, was die Digitalisierung mit uns macht, aber auch was wir mit ihr machen und welche Perspektiven sie für ein gelungenes gerechtes Leben für alle bietet. Was geschieht mit den Subjekten, wie werden sie geformt, wenn sie meinen, frei und selbstbestimmt mit digitalen Geräten umzugehen, wie können sie Digitalisierung nutzen zur eigenen Identitätsstiftung, zur Sinngenerierung, zum Aufbau des common good? Welchen Rang und welche Bedeutung haben spirituelle und religiöse Dynamiken? Digitalisierung prägt nicht nur die Gegenstände, ist nicht allein als Medium, sondern ebenso als Form des Religiösen bedeutsam. Digitale Medien dienen der Verkündigung, der religiösen Praktiken, haben aber zugleich ihrerseits mit ihrem Unbedingtheitscharakter der Sinnstiftung für manche religiöse Oualität gewonnen. Religiöse Traditionen bieten aber auch Instanzen der Kritik, der Intervention, des Aufbruchs, der Freiheit der Subjekte, die auch unter spätmodernen Bedingungen im Modus der Übersetzung und kritischen Selbstreflexion in die diversen Öffentlichkeiten eingebracht werden können. Wie und wo lernt man den Umgang mit Digitalisierung, wie gewinnt man Distanz dazu, um digitalisierte Lebensvollzüge und Praktiken verantwortlich, frei und gerecht zu gestalten? Solches zu reflektieren, ist Aufgabe der Humanwissenschaften, der Kulturwissenschaften, der Philosophie, Soziologie, der Technikwissenschaften, der Pädagogik, aber nicht zuletzt der Theologie. Angesichts der unübersehbaren wie hoch dynamischen Größe des Feldes übersteigt dies den Referenzbereich einer Wissenschaft bereits im Ansatz, schon gar den der Religionspädagogik. Diese betrachtet zwar die ganze Welt, wie es in normativen Dokumenten heißt, als ihren Gegenstand, in den sie selbst verwickelt ist, und mit dem sie aus der Perspektive der eingespielten biblischen Tradition in bildender, kritisch-konstruktiver Absicht umgeht – in axiomatischer Ausrichtung an der Autonomie, der Freiheit der Subjekte und der Gerechtigkeit für alle. Doch ist sie angesichts der Komplexität des Themas mit dessen Chancen wie Herausforderungen gerade als Verbunddisziplin gefragt, die aus theologischer Hermeneutik heraus ins lernbereite inter-wie transdisziplinäre Gespräch geht.“ (11) Nachvollziehbar schlussfolgert der Autor in seiner Einführung: „Wenn der RU als Probeaufenthalt in religiösen Welten verstanden wird, der in der korrelationsdidaktisch strukturierten und in Teilnehmer:innenperspektive vollzogenen didaktischen Konfrontation mit der Offenbarung sein Profil als religiöser Bildungsraum gewinnt, dann erhält offensichtlich die Teilnehmer:innenperspektive durch die Digitalisierung eine veränderte Gestalt, von der nicht sicher ist, ob sie nicht dem normativen Postulat der Subjektorientierung widerspricht. Aus seiner eigenen Logik heraus drängt somit unübersehbar der Prozess der Digitalisierung in das Feld der Subjektorientierung und provoziert elementare Frageüberhänge. In diesem Feld der Subjektorientierung ringt die Religionspädagogik um einen Begriff der Subjektorientierung, der ihren normativen Zielen in den gegenwärtigen Transformationsprozessen der Spätmoderne entspricht. Insbesondere dort, wo sie sich religionsdidaktisch auf den Religionsunterricht in der öffentlichen Schule konzentriert, wird der enge Konnex zwischen Bildung und Subjektorientierung eklatant. Da Bildung im Unterschied zur religiösen Sozialisation oder Erziehung Selbstbildung in Interkommunikation ist, die auf eine Identität in universaler Solidarität abzielt, werden Form und Inhalt religiöser Bildung in einem normativen Sinne aufeinander bezogen. Subjektorientierung erhält von hierher ihr Profil. Subjektorientierter Religionsunterricht will ein Bildungsprozess der Freiheit sein, insofern gerade der Sinn der christlichen Befreiungsbotschaft wesentlich impliziert, dass diese Botschaft unter Freiheitsbedingungen kommuniziert wird. Verstanden als ‚Sprachschule der Freiheit‘ (Ernst Lange) gewinnt das Subjekt als Zielhorizont von religiöser Entwicklung und Bildung normative Bedeutung, wird die Förderung der ‚Subjektwerdung‘ zur ‚Maxime religionspädagogisch reflektierten Handelns‘ im Dienste einer gebildeten Religion und avanciert so die Subjektorientierung zu einem der ‚Leitprinzipien‘ der Religionspädagogik, das als ‚ein entscheidendes Prüfkriterium wissenschaftstheoretischer Entwicklungen in der Religionspädagogik‘ fungiert. Sie wirkt als ‚zentrales Prinzip, was in Theorie, Forschung und Praxis nahezu als Konsens gelten kann‘. Dies schlägt sich konzeptionell in der Korrelations- bzw. Elementarisierungsdidaktik nieder, dies zeigt sich in didaktischen Ansätzen des Konstruktivismus und manifestiert sich in dynamischen Ansätzen wie der Kinder- und Jugendtheologie. Doch gerade wegen ihrer axiomatischen Bedeutung wird die Subjektorientierung derzeit Gegenstand hochdynamischer Diskussionen. Dabei ist nicht allein das Ringen um ein angemessenes Verhältnis von Wahrheitsanspruch der Offenbarung und Tradition einerseits und den kontextuell situierten Aneignungsprozessen der Subjekte andererseits, das derzeit im religionspädagogischen Selbstverständnis durch Heterogenität, Säkularisierung und Singularisierung so viel Dynamik gewonnen hat, dass diese in den überkommenen Kategorien von Pluralisierung und Individualisierung allein kaum zu bearbeiten sind. Es sind auch nicht nur jene Forschungen aus dem interdisziplinären Diskurs, die für eine sich als Verbundwissenschaft verstehende Religionspädagogik axiomatische Relevanz gewinnen. Insbesondere in den Erziehungswissenschaften wächst die Sensibilität für Subjektivierungsprozesse, die im Rückgang auf poststrukturalistische und diskurstheoretische Formatierungen eine emphatische Rede vom Subjekt elementar anfragen. Dazu kommt die aus dem spatial turn, dem linguistic turn und neuerdings dem materialistic turn gespeiste massive kulturwissenschaftliche wie soziologische Kritik an einem normativen, mit Geltungsanspruch eingespielten Subjektbegriff. Daneben freilich gibt es zunehmende Einsichten in die Relevanz der Praktiken religiöser Bildung selber, die eine Orientierung am Subjekt anfragen. Eingespielte Praktiken der Normalisierung, der Essentialisierung, des othering und der Reifizierung drohen performativ die religionspädagogisch emphatisch beanspruchte Subjektorientierung zu unterlaufen. Allein schon durch diese Einsprüche wird der Bedarf an einer kritischen Aneignung, Reformulierung und Profilierung der Subjektorientierung in unübersehbarer Schärfe markiert, wenn man denn überhaupt an ihr religionspädagogisch festhalten möchte. Ein Forschungsdesiderat ist offenkundig. In diesem Zusammenhang sind Überlegungen weiterführend, das Erbe des philosophischen wie theologischen Subjektgedankens unter den Herausforderungen spätmoderner Transformationsprozesse und in Auseinandersetzung mit diversen diachronen religionspädagogischen Entwürfen zu reformulieren und bildungstheoretisch fruchtbar zu machen. Sensibel für poststrukturalistische und diskurstheoretische Einsprüche plädiert diese Reformulierung religionspädagogischer Subjektorientierung für einen geltungstheoretisch starken und handlungstheoretisch fundierten Subjektbegriff in alteritätstheoretischer Grundierung, der zudem Dynamiken der Praxeologie berücksichtigt. Dies kann allerdings nur in einer kritisch-produktiven Konstellation mit handlungstheoretischen Formatierungen geschehen, weil entgegen subjekttheoretischer Schwächen praxeologischer Logiken insbesondere in der Pädagogik nur so der Rang intersubjektiver Freiheit gesichert werden kann. Religiöse Bildung lässt sich damit als eine religionspädagogische Ordnung verstehen, die die praxeologischen Mechanismen im Lichte freiheitstheoretischer Kategorien analysiert, beurteilt und kritisch zu bearbeiten erlaubt, weil sie handlungstheoretisch orientiert und subjekttheoretisch grundiert ist. Lässt sich Digitalisierung verstehen als formierende, die subjekttheoretischen, methodischen und didaktischen Konturen, Logiken und Tiefenstrukturen des Religionsunterrichts selber betreffende Größe, ist deren präzises Profil für religiöse Bildungsprozesse und deren Subjektorientierung damit erst noch zu bestimmen, und umgekehrt: Von der Subjektorientierung her wären die intrikaten wie komplexen Dynamiken der Digitalisierung auf deren subjektivierende, auf deren freisetzende wie einengende, formierende Effekte hin zu untersuchen. Gerade für den Ansatz, die Begründung und das Profil religiöser Bildung liegt demnach gerade in der Konstellation dieser beiden Forschungsfelder der Digitalisierung wie der Subjektorientierung mit deren jeweiligem Frageüberhang ein tiefgreifendes Desiderat in der religionspädagogischen Forschung, das dort in dieser besonderen Zuspitzung bislang nicht bearbeitet wird, aber für die Zukunftsfähigkeit der Religionspädagogik im Kontext von Digitalität von höchster Relevanz ist. Genau an dieser Stelle liegt nun jedoch der Ansatz dieses Buches. Insofern sich die Einschätzungen häufen, dass wir es mit der Digitalisierung mit ‚einem erneuten Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit‘ zu tun haben, manche Religionspädagogen gar die ‚subjektzerstörerischen Gefahren der Medienkultur‘ freilegen, während andere Stimmen etwa in der Medienpädagogik digitalen Medien eine affirmative subjektkonstituierende Wirkung zutrauen, weil diese ‚für die klassische Idee eines mündigen Subjekts‘ eingesetzt werden können, resultiert daraus ein massiver Klärungsbedarf, der im Kern auch den Religionsunterricht und die Religionspädagogik betrifft.“(16-20) Zu Recht hält der Verfasser fest: „Digitalisierung verändert offensichtlich die religionspädagogische Ordnung religiöser Bildung und erfordert eine angemessene, d. h. an dem normativen Selbstverständnis religiöser Bildung als einer ‚Sprachschule der Freiheit‘ ausgerichtete Reformulierung der Subjektorientierung. Die ‚Förderung der Subjektwerdung der Schüler:innen‘, um ihnen ‚Selbstbestimmung‘ unter den formativen Bedingungen der Postdigitalität zu ermöglichen, gerät zu der entscheidenden Herausforderung eines Religionsunterrichts in der digitalisierten Welt. Religionsunterricht darf die Jugendlichen nicht allein lassen in ihrem zunehmend intensiver werdenden Gebrauch digitaler Geräte und digitalisierter Praktiken. Der Umgang damit wird zur Bildungsaufgabe in religionspädagogischer, theologischer wie medienpädagogischer Perspektive im Hinblick auf religiöse Mündigkeit und kritische Medienkompetenz. Hier liegt die ‚Kernaufgabe für den Religionsunterricht, die digitalen Lebenswelten jugendlicher mit der weiterreichenden Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens in stimmiger Weise zu verbinden. Denn pädagogisch gesehen wäre es den jugendlichen gegenüber wenig verantwortungsvoll, sie sozusagen kommentarlos dem freien Spiel digitaler Kräfte ganz alleine zu überlassen‘. Die sich hier andeutenden Effekte von Digitalisierung für die Subjektkonstitution und der Subjekte für die Realisierung von Digitalisierung evozieren somit die zentrale Frage, inwiefern sich diese Formatierung von Subjektivität durch Digitalisierung auswirkt, wie die Religionspädagogik damit umzugehen hat und wie sie diese kritisch wie weiterführend im Dienst der Bildung und Autonomie der Lernenden bearbeiten kann. Dabei ist es von grundlegender Relevanz, dass die Digitalisierung ihrerseits erst mit der Kritik der hegemonialen wie subjektivierenden Strukturen des digitalen Kapitalismus in ihrer Tiefendimension angemessen verstanden werden kann. Dem in diesem Buch entwickelten Konzept einer Kritisch-aufgeklärten Subjektorientierung, soviel darf verraten werden, wird zugetraut, die entscheidende Grundkategorie einer zukunftsfähigen Religionspädagogik in der Postdigitalität zu sein. Um dies zeigen und begründen zu können, argumentieren die Überlegungen in vier großen Schritten: Nach der Einleitung profiliert Teil B im Durchgang durch religionspädagogische, philosophisch-theologische und religionsdidaktische Ansätze mit praxeologischer Stoßrichtung einen Begriff Kritisch-aufgeklärter Subjektorientierung. Um freilich das Spektrum der Wahrnehmung nicht von vornherein zu begrenzen, wird dieser Begriff nicht als Suchhilfe genommen, um in Teil C das ebenso hoch ausdifferenzierte Feld der Digitalisierung und Digitalität zu analysieren. Vielmehr sollen in methodischer Abstinenz davon in einer eher phänomenologischen Wahrnehmung verschiedene Dimensionen der Digitalisierung aus Medienwissenschaft, Philosophie, Techniktheologie, Kulturwissenschaft, Soziologie, Religionspädagogik, Theologie und Medienpädagogik zusammengeführt werden, um ein möglichst komplexes Bild zu erhalten. Dies ist erforderlich, um erst die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für die Religionspädagogik in ihrer axiomatischen Subjektorientierung präzise markieren zu können. Dies geschieht in Teil D, der einen Begriff einer normativen Ordnung religiöser Bildung profiliert, in dem Subjektorientierung und Digitalisierung korreliert werden. Das führt am Ende dazu, dass auch der Begriff Kritisch-aufgeklärter Subjektorientierung unter diesem Eindruck transformiert werden muss. Was dies nun tatsächlich für konkrete Felder der religiösen Bildung in der Postdigitalität bedeutet, zeigt Teil E, der angesichts der Fülle an Materialien, digitalen Medien, inhaltlichen Konkretisierungen, methodischen Formatierungen oder auch konzeptionellen Orientierungen allerdings nur exemplarisch vorgehen kann. Dabei werden unweigerlich gewisse Redundanzen produziert, weil Rang und Grenzen dieser Kritisch-aufgeklärten Subjektorientierung je neu in diesen Feldern zu diskutieren sind.“ (20f.) Es lohnt sich zu diskutieren, ob das in diesem wichtigen Buch entwickelte Konzept einer kritisch-aufgeklärten Subjektorientierung die entscheidende Grundkategorie einer zukunftsfähigen Religionspädagogik in der Postdigitalität sein kann!

    Naturschutz – Gerechtigkeit – Frieden. Interreligiöse Perspektiven lautet der Titel eines im Vandenhoeck C Ruprecht Verlag (ISBN 525-70351-9) von Luisa Beck, Jasmin Kriesten, Sabine Richel und Marcus Beck herausgegebenen vielseitigen Sammelbandes, in dessen Hinführung es zu Beginn heißt: „Der gesellschaftliche und damit auch der bildungsbezogene Kontext unserer gegenwärtigen Welt ist geprägt von einer Vielzahl drängender Themen, die miteinander korrelieren. Aus der Beschäftigung mit friedensethisch relevanten Fragestellungen ergibt sich aktuell vor allem das Zusammenspiel von Naturschutz, Gerechtigkeit und Frieden – in interreligiöser Perspektive. Mit dem vorliegenden Band werden damit drei der drängenden Themen und Herausforderungen heutiger religionspädagogischer Bemühungen zusammengedacht. Dies steht im Einklang mit dem Leitsatz »Religiös sein bedeutet [...] unausweichlich interreligiös sein«, unter dessen Voraussetzung im Folgenden Naturschutz, Gerechtigkeit und Frieden als dynamisch aufeinander bezogene Aspekte verstanden werden. Die Argumentation hierfür ist evident: Die drei Aspekte sind nicht nur bedeutende Begriffe in politischen Debatten, sondern auch integrale Bestandteile einer zukunftsorientierten Bildungsagenda. Diese Themen spiegeln die Komplexität und die Herausforderungen wider, die sich aus der Verflechtung ökologischer, sozialer und ethischer Belange ergeben. Sie erfordern ein interdisziplinäres Denken, das unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven mit einem interreligiösen Ansatz vereint. Bereits in der Grundschule manifestiert sich bei Kindern ein feines Gespür für Gerechtigkeit sowie die großen Fragen unserer Zeit. Doch während wir Erwachsenen dazu neigen, ökologische, soziale und ethische Herausforderungen in verschiedene Schubladen zu stecken, denken Kinder hingegen oft erstaunlich ganzheitlich. Ein Beispiel aus einem Projekttag einer der Herausgeberinnen zum Thema Müllvermeidung in einer dritten Klasse: Eigentlich sollte es nur um Plastik gehen – wo es herkommt und warum es ein Problem ist. Doch dann, in der großen Pause, stolpern die Kinder über die Wirklichkeit und finden achtlos weggeworfene Verpackungen auf dem Schulhof. Ein Mädchen hebt eine Schokoriegel-Verpackung auf, und ist empört. Ein Junge berichtet von seiner Straße, in der regelmäßig Glasscherben auf dem Gehweg liegen, was ein Risiko für Hunde und kleine Kinder darstellt. Die Schülerinnen und Schüler fragen sich: Was sind die Ursachen für diese Diskrepanz zwischen sauberen und unsauberen Stadtteilen? Es folgt eine Phase des Schweigens. Dann Ideen, Gedanken, Empörung. Ungerechtigkeit hat viele Gesichter – auch in scheinbar banalen Dingen. Und genau hier setzt Lernen an: Die Klasse beschließt eine Müllsammelaktion und gestaltet Plakate für die Schule. Es handelt sich nicht mehr nur um einen abstrakten Diskurs, sondern um gelebte Verantwortung. Eine weitere interessante Beobachtung wurde in einer ersten Klasse gemacht, in der ein neuer Mitschüler aus der Ukraine aufgenommen wurde. Still sitzt er da und beobachtet, denn er spricht kaum Deutsch und bleibt in den ersten Tagen oft allein. Augenscheinlich nicht aus Bosheit der anderen Kinder, sondern eher aus Unsicherheit. Nach einigen Wochen wird im Rahmen des Sachunterrichts das Thema »Tiere und ihre Lebensräume« behandelt. Plötzlich leuchten die Augen des Schülers auf, in gebrochenen Worten erzählt er von den dichten Wäldern seiner Heimat und von Flüssen, die im Winter zufrieren. Die anderen Kinder hören zu, sie stellen Fragen, lachen und ahmen Tiere nach. Die Lehr- kraft nutzt diesen Moment, um eine Reflexion anzuregen: »Wie fühlt es sich an, wenn man neu ist, wenn man nicht alles versteht?« Es folgt eine lebhafte Diskussion, in der Worte gefunden werden, um Dinge zu beschreiben, die oft unsichtbar bleiben. Aus Wissen wird Mitgefühl und aus Distanz wird Gemeinschaft. Frieden beginnt manchmal genau hier: mit einem zugewandten Blick, mit einem offenen Ohr. Diese Szenen aus dem Schulalltag veranschaulichen: Kinder – und auch Jugendliche – sind nicht nur rezeptiv Lernende, sondern Akteurinnen und Akteure, die unsere Welt wahrnehmen, hinterfragen und gestalten. Sie erfahren unmittelbar, dass Naturschutz, Gerechtigkeit und Frieden miteinander verbunden sind – oft lange bevor sie die entsprechenden Begriffe kennen. Diese Erkenntnis sollte bei Erwachsenen ein Bewusstsein für die Bedeutung von Reflexion schaffen. Eine Reflexion, die gerade in religionspädagogischer Perspektive wegweisend sein kann. Der Diskurs um die drei – untrennbaren – Begriffe ist komplex und viel diskutiert, weshalb dieser Band einen Überblick geben und theoretische sowie praktische Aspekte einbringen will. Die Eigenarten der einzelnen Themen zu kennen, um davon ausgehend deren Verwobenheit zu verstehen, ist das Anliegen der folgenden Ausführungen.“ (13f.)

    Naciye Kamcili-Yildiz zeichnet als Herausgeberin verantwortlich für den im Verlag De Gruyter (ISBN 11-914941-9) in der Reihe „Comparative Theology, Islam, and Society“ veröffentlichten ertragreichen Band Was hat das mit mir zu tun? Zugänge zur Tradition in der islamischen Religionspädagogik. Sie gibt in der Einführung einen Überblick über Anlass und Inhalt des Sammelbandes: „Islamische Religionslehre ist ein religiöses Angebot für muslimische Schüler:innen an Schulen in Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, das sukzessive weiter ausgebaut wird. Seit der Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrates im Jahre 2010, islamische Theologie an deutschen Universitäten zu etablieren, hat auch die islamische Religionspädagogik als Wissenschaftsdisziplin im universitären System ihren Platz eingenommen. Standen zu Beginn des Etablierungsprozesses noch rechtliche Fragen im Vordergrund, z.B. wie die Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbänden gestaltet werden kann, so hat inzwischen eine fachliche Diversifizierung des Faches stattgefunden. Die vorliegende Publikation ist ein Zeugnis dieses Prozesses, in dem (islamische) Religionspädagog:innen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie Tradition und Lebenswelt in der aktuellen religionspädagogischen und -didaktischen Forschung wechselseitig ins Gespräch gebracht werden können. Im Lehrplan des Faches für die Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen ist zu lesen, dass der islamische Religionsunterricht (IRU) die ‚aktive und reflektierte Auseinandersetzung mit der islamischen Religion und Tradition zu ermöglichen und über die Geschichte und die Lebenswirklichkeit der Musliminnen und Muslime zu informieren‘ habe. Dieser Sammelband setzt genau hier an und fragt danach, von welcher islamischen Tradition eigentlich die Rede sein kann: Auch wenn sich erste Spuren muslimischen Lebens in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert nachweisen lassen, hat sich die Präsenz von Muslim:innen erst seit den vergangenen 60 Jahren wahrnehmbar verändert. Die Gründe für ihre Anwesenheit in Deutschland sind vielfältig. So kamen einige als Gastarbeiter:innen u.a. aus der Türkei und Nordafrika, später folgten politische Flüchtlinge aus dem Iran, Kriegsflüchtlinge aus Bosnien und in jüngster Zeit u.a. aus Syrien und Afghanistan. Während in ihren traditionellen muslimischen Herkunftsgesellschaften ein bestimmtes muslimisches Ethos ganz selbstverständlich begründet war und das Zusammenleben durch diesen gemeinsamen Glauben strukturiert wurde, ist die muslimische Bevölkerungsgruppe in Deutschland kulturell, habituell und sprachlich wohl heterogener als jede andere religiöse Gruppe in Deutschland. Die religiöse Situation in Deutschland ist in gewisser Weise von einer‚ doppelte[n] Pluralisierung‘ nach Peter Berger geprägt: Zum einen gibt es einen religiösen Pluralismus im üblichen Sinne des Wortes, d.h., das Christentum, der Islam, das Judentum und andere Religionen koexistieren in unserer Gesellschaft. Zum anderen sind die religiösen Gruppen innerhalb der Religionsgemeinschaften weiter diversifiziert. So zeigen empirische Erhebungen, dass die in Deutschland lebenden Muslim:innen eine deutlich ausgeprägtere Glaubenspraxis aufweisen als Christ:innen, aber auch der Anteil der säkularen bzw. religionsfernen Personen innerhalb der muslimischen Bevölkerung weiter zunimmt. Während in medialen Diskursen Muslim:innen stark homogenisiert werden, sind also die innerreligiösen Zugänge zur Religion und Tradition in der muslimischen Gesellschaft vielfältig. Die islamische Theologie und Religionspädagogik sind als akademische Disziplinen gefordert, sowohl ihre Grundlagenforschung an die tradierten Wissensbestände anzuschließen als auch ihre Relevanz gesamtgesellschaftlich durch ihre Kontextualisierung in Verhandlungsprozesse einzubringen. Für das Verständnis dessen, was unter islamischer Tradition verstanden werden kann, ist damit aber auch eine erste entscheidende Schwierigkeit zur Einordnung des Themas beschrieben: Was hat sich seit der Spätantike bis heute als ‚islamisierte‘ Tradition der Arabischen Halbinsel erhalten? Was davon ist im engeren Sinne islamisch-religiös ausgeformt und kann einen universalen Anspruch erheben? Auch die Geschichte der islamischen Theologie und ihre Ausdifferenzierung sind ein Zeugnis dafür, wie spannungsreich die innere Pluralität einer Tradition sein kann, was für die islamische Religionspädagogik bedeutet, dass sich die relevante Tradition in vielerlei Formen manifestiert: Hier sind der Koran und die Sunna des Propheten und deren theologische Auslegungsgeschichte, ihre Deutung und Bedeutung zu nennen. Aber auch die vielfältigen aus der Herkunftskultur mitgebrachten religiösen wie kulturellen Bräuche, deren Prägekraft und Geltungsanspruch auch innerhalb der muslimischen Communitys stark variieren, gehören zu den für Muslim:innen relevanten religiösen Traditionen. Der erste Fall zeigt ein Verständnis der ‚islamischen Tradition‘, das einen stärkeren allgemeinen Normativitätsanspruch betont und einen klareren Bezug zur Ouellenliteratur herstellt. Im zweiten Fall weist ‚muslimische Tradition‘ eher auf die Prägung sozialer und kultureller Strukturen hin. Was als ursprüngliche Tradition bezeichnet werden kann, ist daher von gegenwärtigen Perspektiven, Erkenntnissen, Erfahrungen oder Interessen geprägt. Und wenn Muslim:innen ihre durch die Herkunftskultur geprägte Sichtweise des Islam nach Deutschland gebracht haben, stellt sich die Frage: Versteht sich die islamische Tradition in ihrem Kern als statisch? Oder ist sie vielmehr ein dynamischer Austausch, der sich an den realen Gegebenheiten menschlicher Kontexte orientiert? Was davon ist es im Hinblick auf das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft wie der unseren wert, bewahrt und beschützt zu werden? Weiterhin heißt es im Lehrplan: ‚Grundsätzliche Aufgabe des islamischen Religionsunterrichts ist es, in der Begegnung mit islamischer Glaubensüberzeugung und -praxis zu einer tragfähigen Lebensorientierung beizutragen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass Lebenswirklichkeit und Glaubensüberzeugung immer wieder wechselseitig erschlossen und miteinander vernetzt werden.‘ Die Verknüpfung von Lebenserfahrungen und tradierten Glaubensdeutungen erscheint in dieser Zielsetzung selbstverständlich. Die scheinbar festgefügte Trias von religiöser Lehre, religiösem Subjekt und religiöser Gemeinschaft gestaltet sich für die Muslim:innen in Deutschland jedoch deutlich schwieriger als in den Herkunftsländern. Insbesondere, wenn sie als eine Erinnerungsgemeinschaft eine gemeinsame Erzählung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl auf der Grundlage der Rekonstruktion der ersten Jahrhunderte entwickeln wollen. Dies kann jedoch für diejenigen zum Problem werden, die sich aufgrund unterschiedlicher Rechtsschul- oder Denktraditionen nicht damit identifizieren können – weil sie sich entweder vereinnahmt oder ausgeschlossen fühlen. Im Kern geht es um religiöse Differenzkriterien und Pluralisierungen, die sowohl die religiöse Traditionalisierung als auch die Gegenwartskultur und den Lebensstil betreffen, ebenso wie die kulturelle Kodierung von Religion und die intrareligiöse Sicht.“ (1-3) Zu Recht hält die Herausgeberin fest: „Wenn im IRU der Schwerpunkt auf dem religiösen Verhältnis der muslimischen Schüler:innen zur Lehre und Gemeinschaft liegt, sollte die Vielfalt ihrer religiösen Herkunftskulturen als Ressource einbezogen werden. Dabei stellt sich die Frage, wie der IRU gestaltet werden kann, damit die vermittelten Inhalte den muslimischen Schüler:innen nicht fremd bleiben und ihnen gleichzeitig Deutungsangebote für ihren Glauben in einer sowohl multireligiösen als auch innerreligiös vielfältigen Gesellschaft bieten. Die Komplexität des Themas verdeutlicht die Vielschichtigkeit der pädagogischen und didaktischen Ansätze, die eine facettenreiche Annäherung an die islamische Tradition ermöglichen – ein Aspekt, den die Beiträge dieses Sammelbandes beleuchten.“ (3) Alle Beiträge zeigen, „dass sich der Fokus von einer reinen Reproduktion historischer Traditionen zu einer aktiven, subjekt-und gegenwartsbezogenen Gestaltung von Traditionen verschoben hat. In diesem Sinne sind die Beiträge als Puzzlestücke dieser Suchbewegung zu bewerten.“ (8)

    Die im Verlag Brill Schöningh (ISBN 506-79812-1) erschienene eindrucksvolle Tübinger Dissertation von Erkan Binici trägt den Titel Religiöse Sozialisation (muslimischer) Jugendlicher in mediatisierter Welt. Eine qualitativ-rekonstruktive Studie zum Schnittbereich von Medien und Religion. In der Einleitung erklärt der Verfasser zu seinem Forschungsinteresse und der Relevanz der Arbeit: „Bezüglich der Funktionen von Medien und Religion gibt es Diskurse darüber, inwiefern manche Funktionen, die früher von Religion erfüllt wurden, nun stärker über Medien abgedeckt werden. Eine solche religionsähnliche Funktion ist etwa die Kontingenzbewältigung. Wenn einem ein Unfall widerfährt oder etwas Schlechtes passiert, kann Religion über religiöse Rituale oder die Hinwendung zu Gott helfen, mit dieser Situation umzugehen. Genauso kann es aber helfen, wenn ich in einem Film oder in einer Serie einen Charakter sehe, der Ähnliches durchmacht und einen Umgang damit findet. In beiden Fällen wird Kontingenz bewältigt, weswegen von einer religionsähnlichen Funktion von Medien gesprochen werden kann. Um eben diesen Schnittbereich von Medien und Religion drehen sich die Fragen dieser Arbeit. Nehmen Jugendliche Religion in Medien wahr? Wo und wie kommt Religion in ihrer alltäglichen Mediennutzung vor? Und wie gehen sie mit Religion in Medien um? In dieser Arbeit wird entsprechend die Rezipient*innenperspektive untersucht. Hierzu wurden im Zeitraum von 2020 bis 2023 12 Jugendliche, die sich selbst als muslimisch verstehen und zwischen 12 und 19 Jahre alt sind, zu ihrem alltäglichen Umgang mit Medien befragt und dazu, wie darin Religion vorkommt. Es handelt sich um einen qualitativ-rekonstruktiven Zugang, der Handlungsmuster im Umgang der Jugendlichen mit Religion in Medien rekonstruiert und damit tieferliegende Strukturen des Phänomens religiöser Sozialisation in mediatisierter Welt aufdeckt. Im Titel dieser Arbeit ist das Wort muslimisch eingeklammert. Damit wird versucht, die Konstruktion von Muslim*innen zu verhindern. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist nicht primär, das spezifisch Muslimische herauszuarbeiten. Aus empirischer Perspektive lässt sich die Frage nach dem spezifisch Muslimischen nur in Abgrenzung zu nichtmuslimischen Personen beantworten, indem im Sample muslimische und nichtmuslimische Personen vorkommen. In der vorliegenden Studie besteht das Sample aber nur aus muslimischen Jugendlichen – präziser formuliert aus sich als muslimisch verstehenden Jugendlichen. Daher kann nicht abschließend beantwortet werden, ob sich die dargelegten Lebenswelten komplett von nichtmuslimischen Jugendlichen unterscheiden und ob tatsächlich die muslimische Religiosität der Grund dieser Ausgestaltung des Alltags ist. Deswegen wurde das Wort muslimisch im Titel eingeklammert. Fokus dieser Arbeit ist das Phänomen der religiösen Sozialisation in mediatisierter Welt. Auch wenn das Sample nur Jugendliche umfasst, die sich selbst als muslimisch bezeichnen, liegt der Fokus auf den Jugendlichen selbst. Dahingehend werden die sich als muslimisch verstehenden Jugendlichen in erster Linie als Jugendliche betrachtet. Gleichzeitig ergeben sich durch das spezifische Sample wichtige Erkenntnisse für die islamische Religionspädagogik, da auch die Lebenswelten der sich als muslimisch verstehenden jugendlichen für die islamische Religionspädagogik im Besonderen von Interesse sind. Hier geht es beispielsweise um die Frage, wie die sich als muslimisch verstehenden Jugendlichen das mediale Islambild wahrnehmen und welche Rolle der aus ihrer Perspektive wahrgenommene antimuslimische Rassismus für ihren Umgang mit Medien und Religion (in Medien) spielt. Die diesbezüglichen Überlegungen werden in dieser Arbeit ausgeführt. Diese Erkenntnisse zur religiösen Sozialisation in mediatisierter Welt sind in zweierlei Hinsicht von hoher Relevanz. Für die islamische Religionspädagogik ist es von Interesse, die Beschaffenheit der Sozialisation ihrer Zielgruppe zu reflektieren und ihre Vorerfahrungen bezüglich Religion in Medien kontextualisieren zu können. Dies ermöglicht es, den (Islamischen Religions-)Unterricht an den Lebenswelten der Jugendlichen ausgerichtet und damit subjektorientiert zu gestalten. Gleichermaßen helfen diese Ergebnisse, Medienbildung besser zu verstehen und den Schnittbereich von Religion und Medien diesbezüglich auch medienpädagogisch zu reflektieren. Damit können diese Ergebnisse helfen, schulische und außerschulische Medienbildung qualitativ auszubauen.“ (2-4) Die umfangreiche Studie ist wie folgt aufgebaut: „In Kapitel 2 wird die theoretische Rahmung der Arbeit unter Berücksichtigung des Forschungsstandes dargestellt. Als Annäherung an das Thema wird zunächst auf Arbeiten bezüglich der religiösen Sozialisation muslimischer Jugendlicher eingegangen und die Konstruktion des Muslimischen in der Forschung problematisiert. Es folgt ein Blick auf die Forschung, die sich mit der Mediennutzung (muslimischer) Jugendlicher beschäftigt. In einem dritten Schritt wird die Forschung zum Schnittbereich von Medien und Religion aufgegriffen, indem angelehnt an Nord und Pirner drei Forschungsparadigmen – Religiöse Mediensozialisation, Mediatisierung und Digital Religion – mitsamt ihren theoretischen Ansätze vorgestellt werden. Dem folgend wird bestehende Forschung zum Schnittbereich von Medien und Religion bezogen auf Islam und Muslim*innen nach Grundmustern dargestellt. In einer abschließenden Zusammenfassung werden die hieraus resultierenden Implikationen für die vorliegende Arbeit zusammengeführt. Als theoretische Rahmung dieser Arbeit wird Mediatisierung dahingehend (medien-)sozialisationstheoretisch und religionspädagogisch präzisiert. Abschließend wird unter Berücksichtigung des Forschungsstandes das konkrete Forschungsdesiderat formuliert und die Forschungsfrage herausgearbeitet. In Kapitel 3 werden diese vorangegangenen theoretischen Überlegungen methodologisch reflektiert und das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit begründet. Mediatisierung wird dahingehend praxeologisch wissenssoziologisch präzisiert. Die einzelnen Schritte der dokumentarischen Methode als Auswertungsmethode werden exemplarisch an Textpassagen erläutert. Der gewählte, rekonstruktive Zugang wird im Lichte der Gütekriterien qualitativer Forschung begründet. Während die Arbeit hauptsächlich auf die konjunktive Ebene abzielt, nimmt das Kapitel 4 die kommunikative Ebene, also das explizit Gesagte der interviewten Jugendlichen stärker in den Blick Damit sollen die konkrete Handlungspraxis und die Sicht der Subjekte stärker herausgearbeitet werden, da sie ebenfalls als gewinnbringend für das Verständnis von religiöser Sozialisation in mediatisierter Welt erachtet werden. Hierfür wurden in rekonstruktiver Logik fünf relevante Themen im medialen Alltag der jugendlichen identifiziert, die anhand von Interviewpassagen erläutert und mit Blick auf bisherige Forschung eingeordnet werden. In Kapitel 5 wird der Fokus auf die konjunktive Ebene gelegt und handlungsleitende Orientierungen rekonstruiert. Die rekonstruierte Typologie wird über Textpassagen anhand der einzelnen Typen und Vergleichsdimensionen nach und nach erläutert. Anschließend wird die kommunikative und konjunktive Ebene zusammengebracht und gemeinsam reflektiert, worauf abschließend einige soziogenetische Überlegungen im Sinne einer Korrespondenzanalyse folgen. In Kapitel 6 werden dann die Ergebnisse der empirischen Forschung bezüglich ihrer Implikationen für den Forschungsstand, für die Medienpädagogik und islamische Religionspädagogik reflektiert. Das Kapitel 7, das Fazit, ist als verdichtete Zusammenfassung der gesamten Arbeit konzipiert. Es wird darüber hinaus auf Limitationen der Studie und weitere Desiderate eingegangen. Die Arbeit schließt mit praktischen Anregungen für die islamische Religionspädagogik.“ (5f.) Das Buch enthält wertvolle Impulse für die (Islamische) Religionspädagogik, Medienpädagogik und Bildungsarbeit!

    In der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07905-6) hat Julia Durchgraf-Yüksel ihre Bochumer Dissertation Evangelische Kindertageseinrichtungen als System struktureller Kopplung herausgebracht. Zu Recht bemerkt sie zu Beginn, dass eine Gesamtschau der elementarpädagogischen Bildungslandschaft evangelischer Provenienz bisher fehlt. Deshalb kommt sie zu ihren Forschungsfragen: „Aus praktisch-theologischer Sicht insgesamt und aus religionspädagogischer Perspektive insbesondere stellt sich angesichts dieser Bestandsaufnahme die Frage, wie die evangelische Beteiligung an den skizzierten frühpädagogischen Bildungsprozessen aussieht: Erhält die allgemein-pädagogische, auftragsgemäße Bildungsarbeit in evangelischer bzw. durch evangelische Trägerschaft ein spezifisches Profil und wie wird dieses (auf verschiedenen Ebenen) ausbuchstabiert? In diesem Zusammenhang ist ferner zu eruieren: Spielen religiöse Lernprozesse in evangelischen Einrichtungen stets eine besondere Rolle? Wenn ja, welches theologische Verständnis wird hier transportiert, auch im Blick auf anthropologische Aspekte der Lehr-Lern-Beziehung? Des Weiteren ist zu klären: In welchem Verhältnis stehen allgemeinpädagogischer Bildungsauftrag und religiöse Erziehung, die zwar nach dem KJSG kein gesetzlich verankerter Bestandteil des Bildungsauftrages im Elementarbereich darstellt, aber doch angesichts zunehmender Pluralisierung von Religion in einer multireligiösen Gesellschaft eine Herausforderung ist, zueinander? Gibt es gar ein »Primat der Theologie« gegenüber der Pädagogik, wie es für konfessionelle Einrichtungen lange Zeit kennzeichnend war? Und damit ist letztendlich die allgemeinere Frage: Wo ist evangelische elementarpädagogische Arbeit verortet – im System »Kirche« oder im System »Bildung« bzw. wie lässt sie sich ihre Verortung adäquat zu- und beschreiben? Zugespitzt lässt sich diese Frage systemtheoretisch perspektiviert wie folgt formulieren: Wo ist evangelische elementarpädagogische Arbeit im auftragsbedingten Spannungsfeld von Religions- und Bildungssystem sowie dem System Sozialer Hilfen (Kinder- und Jugendhilfe) und dem System Familie verortet? Wie stellt sich evangelische elementarpädagogische Arbeit zwischen Religions-, Bildungs- und Religionssystem sowie dem System Sozialer Hilfen (Kinder- und Jugendhilfe) und dem System Familie dar? Diese Studie will zu mehr Überblick über die evangelische elementarpädagogische Arbeit beitragen, diese systemtheoretisch verorten, die Rolle der Religionspädagogik bzw. religiöser Sozialisations- und Bildungsprozesse dabei beleuchten, Rückschlüsse auf eine mögliche evangelische Profilbildung ziehen und im Rahmen denkbarer Konsequenzen Chancen und Möglichkeiten zukünftiger evangelischer Trägerschaft befragen.“ (24f.) Mit dieser Betrachtungsweise, i. e. der Bezugnahme auf das Religions- und Bildungssystem (und weiteren sozialen Teilsystemen), „ist bereits die analytische Perspektive der Arbeit benannt: Der Untersuchungsgegenstand – evangelische Kindertageseinrichtungen – wird aus systemtheoretischer Perspektive betrachtet. Dabei spielt das Modell der »strukturellen Kopplung« als Strukturmuster, mit dem soziale Systeme miteinander in Beziehung treten, eine besondere Rolle. So dient die Systemtheorie (in der Prägung Niklas Luhmanns) als diagnostisches Instrument. Sie perspektiviert die gesamte Arbeit und stellt damit ihren Referenzrahmen dar.“ (25) Zweifellos liefert die Studie wichtige Indikatoren einer „protestantischen Bildungslandschaft“ sowie Hinweise auf die besondere Leistung evangelischer Einrichtungen!

    Kongenial zum Thema dieser Studie empfiehlt sich die Lektüre der Habilitationsschrift von Ariane B. Schneider Zugänge nichtreligiöser Fachkräfte zur religiösen Elementarbildung. Eine Annäherung aus praxeologischer Perspektive, die auch in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07953-7) erschienen ist. Die Autorin erklärt zum Gegenstand und zur Relevanz ihrer interessanten empirisch-rekonstruktiven Untersuchung: „Die Religionspädagogischen Oualifizierungen, die von kirchlichen Instituten und diakonischen Einrichtungen der Landeskirchen und in unterschiedlichen Formaten angeboten werden, werden von den Erzieher*innen meist positiv wahrgenommen. Die Umsetzung der religiösen Elementarbildung in den KiTas steht oft jedoch auf einem anderen Blatt und entspricht nicht immer den Vorstellungen, welche die Träger oder KiTa-Leitungen damit verbinden. Zugleich sehen sich auch Erzieher*innen durch den Anspruch, religiöse Elementarbildung in ihre frühpädagogische Praxis zu integrieren, einer höheren Belastung ausgesetzt. Das betrifft insbesondere Frühpädagog*innen, die sich selbst nicht als religiös verstehen und die in einem Umfeld tätig sind, das mehrheitlich nicht konfessionell oder christlich ist. In der vorliegenden Untersuchung wird deshalb der Frage nachgegangen, welche Zugänge religiös nicht verortete Erzieher*innen zur religiösen bzw. religionsbezogenen Elementarbildung haben. Dabei wird insbesondere nach der Bedeutung ‚konjunktiver Erfahrungsräume‘ gefragt, in denen die Frühpädagog*innen verortet sind und an denen ihr handlungspraktisches Wissen ausgerichtet ist. Methodisch wird über die Dokumentarische Methode ein praxeologisch wissenssoziologischer Zugang gewählt, weil damit handlungsleitendes, implizites Wissen rekonstruiert werden kann, das Aufschluss über die ‚Selbstverständlichkeiten‘ der Alltagspraxis gibt. Zugleich muss von da aus auch die kirchliche Perspektive kritisch auf ihre ‚blinden Flecke‘ hin befragt werden. Die Forschungsarbeit verfolgt daher kein evaluatives Ziel und will weder die religionspädagogische Praxis in den Kindergärten untersuchen noch die Praxis religionspädagogischer Fortbildungen. Vielmehr soll sie zu einer differenzierten Wahrnehmung der Zugänge und zur Verhältnisbestimmung von Frühpädagogik und religiöser Elementarbildung in der professionellen Alltagspraxis von Erzieher*innen, die sich selbst nicht als religiös verstehen, beitragen. Daher wurden Einrichtungen ausgewählt, die nicht von vornherein als evangelische KiTa gegründet wurden und die ihre Fachkräfte entsprechend diesem Profil ausgewählt haben, sondern solche, die zuvor einen öffentlichen Träger hatten und deren Mitarbeiterschaft, im Zuge des Wechsels zum evangelischen Träger, von diesem übernommen wurde.“ (11f.) Zu ihren Forschungsfragen schreibt die Verfasserin: „Die zentrale Frage ist die, welche Zugänge zu Religion religiös nicht verortete frühpädagogische Fachkräfte haben. Sie lässt sich grob in die folgenden Fragen untergliedern: 1. Wie bearbeiten die frühpädagogischen Fachkräfte die Spannung zwischen ihrem eigenen beruflichen Habitus und dem Orientierungsrahmen des neuen evangelischen Trägers? 2. Inwieweit bestimmt ihr berufliches Selbstverständnis ihre Zugänge zur religionsbezogenen Elementarbildung? 3. In welcher Weise beziehen sich die Frühpädagog*innen auf Religion und Religiosität? 4. Werden Habitusveränderungen oder Erweiterungen der eigenen Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten erkennbar?“ (26) Ihre Erkenntnisse fasst die Autorin wie folgt zusammen: „Ausgehend von der Frage nach den Zugängen religiös nicht verorteter Frühpädagog*innen zu Religion und religionsbezogener Elementarbildung, wurde eine Typik generiert, die das berufliche Selbstverständnis der Erzieher*innen und ihre jeweilige berufliche Passung darstellt. Hiermit verbunden ist die Erkenntnis, dass das kollektive implizite Handlungswissen der Frühpädagog*innen einer Veränderung ihrer beruflichen Alltagspraxis entgegensteht. Auch bei einer positiven Befürwortung religionsbezogener Elementarbildung in den unterschiedlichen Typen wird diese von den interviewten Erzieher*innen im jeweiligen Berufskontext als nicht umsetzbar betrachtet und dementsprechend nicht in die eigene Handlungspraxis integriert. Sie wird an Fachkräfte mit einer impliziten Passung zum konfessionellen Träger, wie z.B. die externe religionspädagogische Fachkraft oder entsprechend religionspädagogisch qualifizierte Kolleg*innen, delegiert und von der Alltagspraxis in der KiTa als besonderes Angebot zu besonderen Anlässen, wie z.B. im Kirchenjahr verortete Feste und Feiertage, unterschieden. Auch die religionspädagogische Methodik wird seitens der Frühpädagog*innen vielfach positiv evaluiert, aber als etwas Besonderes wahrgenommen. Gleichzeitig wird rekonstruierbar, dass die Inhalte der religionspädagogischen Projekte, wenn sie unmittelbare religiöse Aussagen und Bezugnahmen auf Gott enthalten, von den frühpädagogischen Fachkräften kritisch beurteilt werden und zu deren identitätsbezogener Distanzierung beitragen. Da die häufig gewählte Methode ‚Bodenbild‘ (Kett) auf Partizipation und Identifikation der Adressaten abzielt, ermöglicht das den nichtreligiösen Erzieher*innen kaum die Beibehaltung ihrer Außenperspektive zu den Inhalten und zu dem impliziten Deutungsrahmen. Stattdessen nehmen sie eine kritische Distanz zu den Inhalten und zur Performanz der religionspädagogischen Akteurin ein. Dabei wird die Wahl der Inhalte als pädagogisches oder didaktisches Defizit (als zu abstrakt, nicht altersgemäß, nicht kindgerecht oder zu voraussetzungsreich) eingeordnet und eine inhaltliche Anpassung der religionspädagogischen Angebote an den Orientierungsrahmen der KiTa erwartet. Um den Frühpädagog*innen eigene Zugänge zu der religionspädagogischen Praxis oder zu den Inhalten zu ermöglichen, könnte deshalb eine Zwischenebene im Sinne eines ‚Distanzraums‘ oder eine ‚Diskursethik‘, die an das Handlungswissen der Erzieher*innen anknüpfen und diesem Raum geben, hilfreich sein. Daraus ergibt sich die Frage, wie religiös nicht verortete Frühpädagog*innen in einem Umfeld, das mehrheitlich nicht religiös ist, dazu ‚befähigt und bevollmächtigt‘ (Bucher) werden können, aus ihrer Außenperspektive religionsbezogene Elementarbildung in ihre berufliche Praxis zu integrieren, und zwar im Sinne einer experimentellen Religion, ohne ‚Religion‘ auf Vermittlung kultureller Wissensbestände oder moralischer Normen zu reduzieren. Schließlich geht es professionstheoretisch, im Hinblick auf den Bildungsanspruch der KiTas, um die Frage, wie z.B. die Kinder eine religiöse Lebensgestaltung in der KiTa als Möglichkeit kennenlernen können, auch wenn die Frühpädagog*innen selber für sich keinen Gebrauch davon machen. Um zu einer Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Erzieher*innen und damit auch zu einer Perspektiverweiterung beizutragen, kann an ihr implizites Wissen angeknüpft werden, so dass sie als ‚Expertinnen für Kinderperspektiven‘ (Nentwig-Gesemann) aktiv einbezogen werden. So kann z.B. im Rahmen von Fallbeispielen aus der eigenen Praxis der Frühpädagog*innen ein Austausch untereinander über die je unterschiedliche Wahrnehmung und Deutung konkreter Situationen thematisiert und reflektiert werden. Unterschiedliche Vergleichshorizonte können so miteinander ins Gespräch gebracht werden. Das würde einer ‚praktischen Diskursethik entsprechen, mit der das Konzept eines christlichen Empowerments‘ (Bucher) konvergiert. Außerdem wurden hierzu mit der ‚rekonstruktiv-responsiven Evaluation‘ und des ‚Forschenden Lernens‘ der frühpädagogischen Fachkräfte bereits Ansätze eines in diesem Sinne perspektiverweiternden Bildungskonzepts vorgestellt. Darüber hinaus sind Zugänge über materielle Gegenstände oder körperliche Raumwahrnehmungen gut geeignet, um auf einer unmittelbaren, affektiven Ebene an das jeweilige implizite Wissen der Frühpädagog*innen anzuknüpfen und es darüber auch reflexiv zugänglich zu machen. In dem assoziativen Schlussteil der Interviews zeigen einige Erzieher* innen durchaus Zugänge zu Kirche, Glaube und religionsbezogenen Themen, die von ihnen jedoch nicht religiös gedeutet werden und deren religiöse Deutung durch andere eher eine Distanzierung davon provoziert. Entscheidend ist, dass sie über die Artefakte selber ‚Distanzräume‘ konstruieren, die ihnen die Beibehaltung ihrer Außenperspektive ermöglichen. Diese Zugänge ermöglichen eine experimentelle Annäherung, ohne die individuelle Aneignung einer christlichen oder religiösen Identität. Während die frühpädagogischen Fachkräfte, die in den Artefaktassoziationen Zugänge jenseits ihrer beruflichen Perspektivität konstruieren, vor allem Typ 1 und Typ 2 repräsentieren, ist in Typ 3 rekonstruierbar, dass gerade der berufliche Zugang ebenfalls die Funktion eines solchen ‚Distanzraums‘ haben kann. Damit verbunden sind sowohl Möglichkeiten einer ‚reflektierten Anpassung‘ (Geimer) an den religiösen Orientierungsrahmen, bei gleichzeitiger identitätsbezogener Abgrenzung, wie längerfristig auch Sozialisationserfahrungen, die dann zu unterschiedlichen Formen der Aneignung religiöser Praxis führen können, aber nicht müssen. Demgegenüber bewirkt die unmittelbare Einbindung in eine performative Praxis, die auf Identifikation mit oder auf die partizipative individuelle Aneignung einer religiösen Position zielt, eher das Gegenteil, nämlich eine Entsubjektivierung und identitätsbezogene Distanzierung. Das betrifft zum einen die Praxis christlicher Akteure mit impliziter konfessioneller Passung, wenn darin das eigene implizite Wissen normativ vorausgesetzt wird. Zum anderen betrifft es auch normative Erwartungen hinsichtlich einer christlichen Positionalität und Identifikation frühpädagogischer Fachkräfte seitens kirchlicher/diakonischer Träger, wie sie beispielsweise in der EKD-Handreichung formuliert werden, die ebenfalls das Verständnis von Religiosität als einer starken Subjektivierungsnorm verstärken. Im Sinne eines christlichen Empowerments ist es deshalb zielführender, religiösen und nicht-religiösen Frühpädagog*innen ihr implizites verbindendes Handlungswissen und die darin wirksamen Normative zugänglich zu machen. Damit können Aushandlungsprozesse in Gang gesetzt werden, welche die Handlungsfähigkeit im Hinblick auf religionsbezogene Bildung auch seitens nicht-religiöser Erzieher*innen bestärken können. Theologisch kann nun der Bogen zurückgeschlagen werden zu der Kritik an der kulturhermeneutischen Ausrichtung von Religionspädagogik, die sich aus der Perspektive der praxeologischen Wissenssoziologie an phänomenologischen und hermeneutischen Konzeptionen ergibt. Kulturhermeneutik tendiert dazu, theologische und binnenkirchliche sowie kulturelle Normalitätsvorstellungen in den Diskurs einzutragen. Sie beschränkt sich damit vor allem auf die Ebene der propositionalen Logik und intentionalen Handlungstheorie und fragt auf dieser Ebene nach den Möglichkeiten der Vermittlung christlichen Wissens. Dabei setzt sie die Gottesfrage als bereits beantwortet voraus. In säkularen Kontexten erscheint das nur dann anschlussfähig, wenn und solange der kulturelle Resonanzraum dafür vorhanden ist. Aktuell führt das jedoch einerseits zu einem wahrnehmbaren Relevanzverlust christlicher bzw. religiöser Deutungen und andererseits zu einer innerkirchlichen Milieuverengung. Bonhoeffers Kritik an der Voraussetzung eines anthropologischen ‚religiösen Apriori‘ im Sinne einer Zuschreibung, die der Kulturhermeneutik inhärent ist, und seine Frage ‚wie sprechen wir ‚weltlich‘ von ‚Gott‘, wie sind wir religionslos weltlich Christen‘, gewinnt demgegenüber in einer mundanen Gesellschaft an Bedeutung, in der kulturhermeneutische Begründungen an Relevanz verlieren. Davon betroffen sind auch ontologische und identitätstheoretische Begründungen von Wahrheit. Demgegenüber steht ein praxeologisches Verständnis von Wahrheit, die als solche erst durch eine kollektiv als relevant erlebte Praxis validiert wird. Dieses basiert auf einem experimentellen Verständnis von Religion, das die Möglichkeit einer stufenweisen Annäherung an den Glauben einschließt, wie James beispielsweise in seiner Faith-Ladder beschreibt. Auch die christliche Wahrheit bedarf einer solchen Validierung innerhalb der gesellschaftlichen Praxis. Bei der Suche nach Möglichkeiten für die gemeinsame Gestaltung gelingenden Lebens zielt christliches Empowerment deshalb auf die Teilhabe von Menschen, die noch weit von dem letzten Schritt einer Entscheidung zum Glauben entfernt sind oder ihn vielleicht auch nie tun werden. In diesem Prozess muss sich die ‚Kommunikation des Evangeliums‘ (Grethlein) ebenso bewähren wie christlicher Glaube. Die Annäherung aber vollzieht sich eher über eine Anknüpfung an implizites konjunktives Erfahrungswissen und Doing als über theologisch-hermeneutische Zirkel.“ (294-297)

    Manfred Oeming und Klaus Scholtissek haben mit dem von ihnen ebenfalls in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07658-1) in der verdienstvollen Reihe „Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie“ herausgegebenen Sammelband Diakonie neu vermessen – biblisch, ethisch, praktisch das Selbstverständnis der Diakonie im Gespräch in und zwischen den Fachdisziplinen und den Verantwortlichen in der Praxis bereichert und neue Impulse für die Reflexionen in der Wissenschaft und für die Praxis in den Kirchen, in der ehrenamtlichen und in der verbandlichen Diakonie bzw. Caritas gegeben – wie es im Vorwort als Aufgabe der Projektgruppe skizziert wurde: „Moderne Gesellschaften haben einen stetig wachsenden Bedarf an Sozialleistungen. Historisch betrachtet ist mit Judentum und Christentum ein wesentlicher Schub in Richtung Begründung, Motivation und Praxis diakonischen Handelns eingetreten. Das alttestamentliche Gebot ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘ (Lev 19,18) wurde durch Jesus und die frühe Kirche umfänglich aufgenommen und gedeutet – einschließlich der Feindesliebe (Mt 5,44). Maßgeblich für das diakonische Selbstverständnis der frühen Christen ist zudem der Leitsatz des Paulus aus dem Galaterbrief: ‚Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen‘ (Gal 6,2). In der jüdisch-christlichen Tradition finden sich umfangreiche Impulse, motivierende Ideen, normative Kriterien und Leitbilder für diakonisches Handeln in sozialer Verantwortung in der Gegenwart. Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich Wohlfahrtskonzepte entwickelt, die das gesellschaftliche Zusammenleben und die sozialstaatliche Gesetzgebung bis in die Gegenwart hinein tiefgreifend mitprägen. In gegenwärtigen ethischen bzw. sozialethischen Diskursen treten die biblischen Zeugnisse mitunter in den Hintergrund oder werden ausschließlich plakativ bzw. illustrierend aufgerufen. Welchen positiven Beitrag kann die theologische Wissenschaft leisten? Die theologischen Disziplinen spezialisieren sich immer weiter und arbeiten oft isoliert nebeneinander. Biblische und antike Zeugnisse, kirchengeschichtliche und konfessionelle Entwicklungen, aktuelle ethische Diskurse, diakoniewissenschaftliche bzw. praktisch-theologische Herausforderungen im Kontext der säkularen Postmoderne verlieren sich wechselseitig aus den Augen. Hier sind dringend neue interdisziplinäre Impulse und wechselseitige Befruchtungen gefragt.“ (5)

    In derselben Reihe haben Michael Domsgen und Hanna Kauhaus in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07986-5) den wichtigen Band Kirchen denken und gestalten. Kirchentheorien in aktuellen Herausforderungen herausgegeben, in dessen Einleitung sie schreiben: „Die Kirchen befinden sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Während frühere Generationen eine weitgehend stabile Vorstellung von kirchlicher Zugehörigkeit und christlicher Identität hatten, zeigen aktuelle Entwicklungen, dass sich das Verhältnis vieler Menschen zur Kirche und Religion verändert hat. Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) dokumentiert diese Veränderungen eindrücklich: Der kontinuierliche Rückgang der Kirchenmitgliedschaft, die schwindende Bedeutung kirchlicher Kasualien und die abnehmende religiöse Sozialisation in Familien weisen auf eine veränderte religiöse Normalität hin. Die kirchliche Praxis steht heute vor der Herausforderung, sich in einer Gesellschaft zu positionieren, in der Religion nicht mehr selbstverständlich Teil der Lebenswelt ist. Gleichzeitig lassen sich neue Formen religiöser Kommunikation und Praxis beobachten, die bisherige Vorstellungen von kirchlicher Gemeinschaft ergänzen oder infrage stellen. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, Theorien über Kirche neu zu durchdenken. Die klassischen Modelle von Kirche als Institution, Organisation und Bewegung müssen auf ihre Anschlussfähigkeit an gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen geprüft werden. Dabei zeigt sich, dass kirchliche Strukturen und deren Wahrnehmung nicht allein durch theologische Überzeugungen geprägt sind, sondern auch durch soziale, kulturelle und mediale Faktoren. So verändert sich das Verhältnis von Kirche und Öffentlichkeit durch neue Formen der Mediennutzung, insbesondere im digitalen Raum, während gleichzeitig eine zunehmende Individualisierung von Religiosität zu beobachten ist. Das vorliegende Buch widmet sich diesen Fragen, indem es den Wandel von Kirchen und ihrer Theorien aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Es untersucht, welche Faktoren zur aktuellen Situation beigetragen haben, welche theologischen Konzepte sich bewährt haben und welche neuen Ansätze es wert sind, vertieft zu werden, um Kirche in einer sich wandelnden Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten. Dabei wird deutlich, dass Kirche nicht nur als Institution, sondern auch als lebendige Praxis und als Raum für spirituelle Suchbewegungen verstanden werden muss. Die folgenden Kapitel setzen sich daher mit der Veränderung kirchlicher Theorien auseinander: Welche theologischen Leitbilder dominieren die gegenwärtige kirchliche Praxis? Wie kann Kirche auf gesellschaftliche Umbrüche reagieren? Welche neuen Formen kirchlicher Gemeinschaft entstehen? Und welche Rolle spielt Kirche in einem Umfeld, das zunehmend von religiöser Pluralität und Säkularität geprägt ist? Diese und weitere Fragen werden in diesem Band diskutiert, um eine tiefere Einsicht in die Dynamik kirchlicher Veränderungsprozesse zu gewinnen. Das erste Kapitel widmet sich der Relektüre kirchentheoretischer Entwürfe. Das zweite Kapitel setzt sich mit neuen Praxisformen auseinander, die kirchentheoretisch reflektiert werden. Das dritte Kapitel betrachtet Kirche in der Spannung von Gegenwart und Zukunft. Das vierte Kapitel erweitert die Perspektiven auf Kirchentheorie in verschiedene Richtungen.“ (7-9)

    In ein zentrales Thema der Pastoralpsychologie führt das von Maike Schult und Peter J. Winzen im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-044945-9) herausgegebene Buch Das Unbewusste in der religiösen Praxis. Interdisziplinäre Erkundung eines unsichtbaren Phänomens ein. Es geht folgenden Forschungsfragen nach: „Hat das Unbewusste Raum und Gestalt? In welchen Formen findet der unsichtbare Gegenstand seinen sichtbaren Ausdruck, und wie wäre davon angemessen zu reden? Ist das Unbewusste ein Substantiv oder eine Dynamik, deren Bewegungen besser adjektivisch oder gar adverbial zur Sprache kommen sollten? Wie ist es um den Stellenwert dieser Größe bestellt in einem Wissenschaftsbetrieb, der von empirischer Forschung und dem Wunsch nach Nachweisbarkeit dominiert ist? Und welche Bedeutung hat dieser „Mitregent unter der Schwelle“, wie man das Unbewusste nennen könnte im Anschluss an Oskar Pfister, den Schweizer Pfarrer und Psychoanalytiker, Freud-Vermittler und ersten Pastoralpsychologen überhaupt, welche Bedeutung hat es in der religiösen Praxis, in Theologie und Kirche?“ (10) In solche Fragen führt der einleitende Beitrag der Herausgeberin „Mitregent unter der Schwelle: Das Unbewusste als kreative Denkfigur“ ein: „Er ist wissenschaftsgeschichtlich angelegt, blickt noch einmal zurück auf die Anfänge der tiefenpsychologisch fundierten Pastoralpsychologie und ihre Vorprägungen im Raum der Literatur, nennt gegenwärtige Rezeptionshürden und plädiert dafür, die Denkfigur des Unbewussten als hochschuldidaktische Herausforderung anzunehmen und im Gespräch zu halten. Doch was ist diese Denkfigur überhaupt, welche Wahrnehmungsgewinne sind mit ihr verbunden, und wie lässt sich das, was in der Praxis zu beobachten ist, wissenschaftstheoretisch konzeptualisieren? Dies zu erkunden, ist die Aufgabe der 17 Beiträge im Hauptteil des Bandes, arrangiert zu vier Perspektiven, um ,das Unbewusste‘ genauer unter die Lupe zu nehmen: pastoralpsychologisch, praktisch-theologisch und psychoanalytisch. Zudem wird der christliche Kontext der Pastoralpsychologie bewusst überschritten, indem auch Sichtweisen aus dem Judentum, Islam und Buddhismus zu Wort kommen.“ (10)

  2. Religionsdidaktik

    Susanne Schwarz hat unter Mitarbeit von Matthias Sand im Verlag Königshausen C Neumann (ISBN 8260-9339-5) eine innovative repräsentative Studie in Rheinland-Pfalz mit dem Titel Religionsunterricht aus der Perspektive von Schüler*innen veröffentlicht, die sich seit über 15 Jahren wieder einmal auch den Perspektiven von Grundschülerinnen sowie erstmals dem evangelischen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz widmet. Der Band ist in zwei Teile gegliedert: „Im ersten Teil werden nach theoretischen und methodischen Vorüberlegungen die Ergebnisse der rheinland-pfälzischen Schüler*innenstudie dargestellt und interpretiert. Inhaltlich geht es um die Perspektiven der Grund-, Realschüler*innen+ sowie Gymnasialschüler*innen auf die Besuchsmotivation, auf die Stellung des Faches, auf das Binnengeschehen des Religionsunterrichts und um ihre sozialisatorischen Voraussetzungen und ihre religionsbezogenen Orientierungen. Im zweiten Teil des Bandes erfolgen Tiefenbohrungen an und mit dem Daten-Material zur religiösen Sozialisation, zu nichtreligiösen Schüler*innen, zu Grundschulspezifika, zum Religionsstunden-Ich und zu einer parallel durchgeführten Oualitäts-Studie. Mit diesen ,Tiefenbohrungen‘ werden die Studienergebnisse nicht nur von ,außen‘ betrachtet und kommentiert, sondern anhand ausgewählter Fragestellungen differenziert und weitergeführt: Ulrich Riegel widmet sich in seinem Beitrag der Frage nach dem Zusammenhang zwischen religiöser Sozialisation und Besuchsmotivation. Riegel interessiert, welchen Einfluss die primäre und sekundäre religiöse Sozialisation auf die Wahrnehmung des Faches haben, denn dieser Zusammenhang ist zwar bislang angenommen, empirisch aber kaum belegt worden. Er identifiziert drei Gruppen religionsbezogener Sozialisation, setzt sie zur Wahrnehmung des Faches ins Verhältnis und reflektiert dieses vor dem Hintergrund einer etwaigen Kompensationsfunktion des Religionsunterrichts. Alexander Unser stellt in seinem Beitrag jene Schüler*innen ins Zentrum, die sich selbst als nichtreligiös verstehen und fragt, inwiefern jene den Religionsunterricht als relevant und als Safe Space erleben. Der Hintergrund dieser Fragestellung ist eine vermutete Passungsherausforderung zwischen nichtreligiösen Schüler*innen und dem Religionsunterricht. In seiner Untersuchung verwendet Unser eine Typisierung, basierend auf den jeweiligen Bezügen zu Religion, und findet für Primar- und Sekundarstufe unterschiedliche Zusammenhänge, die ihn zu der weiterführend en Frage führen, für wen das Fach da sein soll, und zu dem Plädoyer, genauer über die damit verbundenen Konsequenzen nachzudenken. Friedrich Schweitzer verweist zurecht auf den glücklichen Zufall, dass wir fast zeitgleich eine Studie zum Religionsunterricht auch unter Grundschüler*innen durchgeführt haben und damit einem lange bestehenden Desiderat begegnen. In seinem Beitrag nimmt Friedrich Schweitzer diesen Zufall zum Anlass, um Konvergenzen und Differenzen zwischen der rheinland-pfälzischen Schüler*innenstudie und dem Forschungsprojekt OUIRU (Oualität und Oualitätsentwicklung im Religionsunterricht) in Anlage und Ergebnissen nachzugehen und auch den Vergleich selbst zu reflektieren. Dabei zeigen sich Konvergenzen, die auch als wechselseitige Validierung der Ergebnisse gelesen werden können, und unterschiedliche Studienkonzepte. Vor dem Hintergrund seiner Analyse entwirft Schweitzer ein Zukunftsszenario religionspädagogischer Unterrichtsforschung in methodischer und konzeptioneller Hinsicht. Über den Religionsunterricht an der Grundschule wurde in den letzten Jahren weitgehend ohne eine quantitative empirische Grundlegung nachgedacht. Vor dem Hintergrund liest Hanna Roose die Ergebnisse der rheinlandpfälzischen Studie aus grundschulspezifischer Sicht und ordnet sie in die aktuelle Situation des Religionsunterrichts an Grundschulen in dem Bundesland ein. Zwei ausgewählten Fragestellungen aus der Studie geht Roose in ihrem Beitrag vertiefend nach: dem Gottesglauben der Grundschüler*innen und der Stellung des Faches im Fächervergleich. Aufgrund ihrer Analysen reflektiert Roose das Verhältnis von Schullogik und Mehrdeutigkeit auch hinsichtlich von Leistungs- und Bewertungslogiken und identifiziert ein Spannungsfeld dort, wo Religion zwar nicht mehrdeutig in den Blick kommt, aber andererseits unterschiedliche Glaubenseinstellungen der Schüler*innen beliebig nebeneinander stehen bleiben. Carsten Gennerich unternimmt in seinem Artikel eine andere Ouer-Lese der Befunde, indem er danach fragt, ob sich das sogenannte Religionsstunden-Ich auch empirisch erhärten lässt. Bislang wurde das Religionsstunden-Ich, so arbeitet Gennerich heraus, vor allem theoretisch in den Blick genommen und kontrovers diskutiert. In seiner Überprüfung auf Basis der rheinland-pfälzischen Daten stellt Gennerich fest, dass wohl authentische Selbstdarstellungen gefördert werden, gleichzeitig wirft er – das ähnelt der Wahrnehmung Rooses – die Frage nach dem Vorkommen von kriteriengeleiteten Bewertungen von Schüler*innenäußerungen auf. Gennerich historisiert den Befund zur erlebten Meinungsfreiheit im Religionsunterricht und verbindet diesen weiterführend mit der Frage nach Authentizität (im Religionsunterricht).“ (10-11)

    In der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07919-3) ist die Münsteraner Dissertation Zwischen Konvention, Klassenraum und Kirche. Einstellungen von Religionsfachkräften und Pfarrpersonen zu Inklusion von Janine Ta Van-Wolf erschienen, in derer Vorwort es heißt: „Auf die*den Einzelne*n kommt es an – in Kirchengemeinden wie in Schulen. Auf diese Einzelnen und ihre Einstellung wird im Rahmen dieser Arbeit ein detaillierter, praktisch-theologischer Blick geworfen. Im Fokus steht dabei ihre spezifische Rolle als aktiv Handelnde in schulischen und kirchengemeindlichen Inklusionsprozessen. In diesem Sinne sind sie im Folgenden als Inklusionsakteur*innen zu verstehen. Leitend für die detaillierte Betrachtung ist die Fragestellung: Welche Einstellungen haben evangelische Pastor*innen und Religionslehrer*innen zu Inklusion und welche Bedeutung kommt diesen Einstellungen für die Umsetzung von Inklusionsprozessen zu?“(18f.) Die umfangreiche Arbeit ist wie folgt gegliedert: „Zunächst gilt es, den Ausgangspunkt für die Untersuchungen in Form einer praktisch-theologischen Verortung zu umreißen (Kapitel 1.1). Hinter den soeben angeführten Zitaten stehen nicht nur konkrete Erfahrungen, sondern damit verknüpfte, individuelle Inklusionsverständnisse. Dass Inklusionsverständnisse im Sinne eines ‚leeren Signifikanten‘ je nach Kontext variieren und entsprechend nicht vorausgesetzt werden können, wird im Kapitel 1.2 hinsichtlich der Handlungsfelder ‚Kirchengemeinde‘ und ‚Schule‘ erläutert. Für die Einstellung zu Inklusion gilt es demnach, stets zunächst zu klären, was unter Inklusion verstanden wird. Desgleichen ist auch der Einstellungsbegriff in seinen Grundzügen zu definieren und das Phänomen der Einstellung in seiner Entstehung und Auswirkung zu beleuchten. Dies geschieht in Kapitel 1.3. Mit den derart geklärten Konzepten, die dem Forschungsinteresse zugrunde liegen, soll in Kapitel 2 das Phänomen der Einstellung zu Inklusion in Verbindung mit den Inklusionsverständnissen im praktisch-theologischen Diskurs wahrgenommen werden. Auf der Suche nach Anhaltspunkten werden sowohl theoretisch und konzeptionell orientierte Reflexionen (2.1) als auch empirisch orientierte Reflexionen (2.2) befragt. Dabei lassen sich einerseits aufschlussreiche Anhaltspunkte herausarbeiten, andererseits wird jedoch deutlich, dass die Frage nach der Einstellung insbesondere von Pastor*innen, aber auch von Religionslehrkräften an staatlichen Schulen ein Forschungsdesiderat darstellt. Aus diesem Grund stehen ab Kapitel 3 die Einstellungen konkreter Pastor*innen und Religionslehrer*innen im Mittelpunkt der Arbeit. Die Erkenntnisse der Kapitel 1 und 2 wurden in das Design einer qualitativ-empirischen Untersuchung überführt, das in Kapitel 3 dargelegt wird. Ergebnis dieser Untersuchung sind vier objektivhermeneutische Fallanalysen auf Basis von Expert*inneninterviews mit Religionslehrkräften und Pfarrer* innen aus Norddeutschland, die in Kapitel 4 ausführlich vorgestellt werden. Für eine umfassende Wahrnehmung des Phänomens ‚Einstellung zu Inklusion‘ werden die herausgearbeiteten Fallstrukturen unter den Aspekten des Inklusionsverständnisses und der Einstellung mit den Befunden aus den Kapiteln 1 und 2 diskutiert (Kapitel 4.7). Der Terminus der ‚Wahrnehmung‘ ist hierbei nicht zufällig gewählt, sondern als methodischer Begriff zu verstehen. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an einem Verständnis Praktischer Theologie als ‚Deutekunst‘, das in Kapitel 1.1.1 erläutert wird. Teil der Deutung von Phänomenen aus der Praxis ist nicht nur deren ‚Wahrnehmung‘, sondern auch die ‚Reflexion‘ und ‚Gestaltung‘ derselben. Diese letzten beiden Schritte sollen im abschließenden Kapitel 5 anhand einzelner Aspekte aus den Fallstudien wie der ‚Gemeinde für alle‘ oder der ‚Überforderung‘ im Sinne eines Ausblicks angedeutet werden.“ (19f.) In ihrem Fazit mit dem Titel „Inklusionsakteur*innen zwischen Konvention, Klassenraum und Kirche“ fasst die Verfasserin ihre explorative, qualitativ-empirische Studie zusammen: „Pastor*innen und Religionslehrer*innen agieren als Inklusionsakteur*innen zwischen Konvention, Klassenraum und Kirche. Kirche kommt in dieser Arbeit nicht nur im Sinne des Kirchgebäudes pars pro toto für die Kirchengemeinde in den Blick. Vielmehr zeigt sich auch die Bedeutung kirchlicher Orientierungshilfen für das Inklusionsverständnis von Pastor*innen, die an deren konzeptionellem und normativem Gehalt anschließen beziehungsweise noch stärker anschließen könnten. Kirche steht im institutionellen Sinn auch für die Bedeutung des Pfarramtes und Religionslehramtes als theologischer beziehungsweise kirchlicher Profession: Aus ihr resultiert die Verantwortung zur Ermöglichung der Inklusion in das Funktionssystem Religion über die Vermittlung zwischen religiösen Inhalten und der Lebenswelt aller Menschen, die diese auf ihre Lebenspraxis beziehen möchten, sei es in der Kirchengemeinde oder in der Schule. Es ist in diesem Sinne ein praktisch-theologisches Inklusionsverständnis, das eine Brücke zwischen beiden Berufsgruppen schafft und eine Grundlage für das gemeinsame Nachdenken und Umsetzen von Inklusion sein könnte. Es muss das Bestreben dieser Institution sein, ein solches gemeinsames Nachdenken anzuregen, denn theologische Motive verbunden mit der Stärkung des professionellen Selbstbildes sind eine grundlegende Ressource für die Umsetzung von Inklusionsprozessen. Es braucht Angebote für ein theologisches Empowerment von Inklusionsakteur*innen in Aus-, Fort- und Weiterbildung, in den Universitäten, Seminaren für pastorale Ausbildung und den Pädagogischen Instituten der Landeskirchen, damit Religionslehrer*innen wie Pfarrer*innen Räume haben, um Erfahrungen zu verarbeiten und eine gefestigte Einstellung zu finden. Sich in diesen Räumen auch auf Augenhöhe professionsübergreifend zu begegnen, kann ein Gewinn für beide Berufsgruppen sein. Der Klassenraum kommt in dieser Arbeit besonders als konkreter Ort von lnklusionsprozessen in den Blick. Es ist der Ort, an dem Inklusionskonzepte sich bewähren müssen und es ist insbesondere der Ort, an dem in den konkreten Fallanalysen die Ambivalenz von Inklusionsprozessen am deutlichsten in Erscheinung getreten ist. Zugleich steht der Klassenraum ebenso wie die Kirche pars pro toto für das übergeordnete System der Schule und die normativen Rahmenbedingungen, in denen diese gestellt ist und die bis in den Klassenraum hineinwirken. Wie stark und einengend diese Wirkung ist, hat sich in den Erfahrungen der Religionslehrkräfte gezeigt. Anders als in der presbyterialsynodalen Grundordnung der Landeskirchen, in denen die Pfarrer*innen tätig sind, gibt es in den starren Strukturen in und um die Institution Schule für Religionslehrkräfte wenig auszuhandeln, sondern mehr auszuhalten. Es sind meist diese Strukturen, an denen Inklusion für sie zur Krise wird, und die deshalb geändert werden müssten. Auf dem Weg dorthin ist die Stärkung von innen heraus etwa durch ein theologisch fundiertes professionelles Selbstbild von Bedeutung, um das Aushalten zu unterstützten. In der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Religionslehrkräften zu Inklusion sollte dieses Thema also dringend mit theologischen Bezügen und der Verbindung zum Selbstverständnis als Religionslehrkraft verbunden werden. Die Konvention stellt im Sinne der UN-BRK einen zentralen Bezugspunkt für die Inklusionsprozesse in Kirche und Schule dar. In allen institutionell geprägten Veröffentlichungen ist sie der normative Grund, auf dem sich die jeweiligen Inklusionskonzepte aufbauen. Sie ist Bindeglied und neuralgischer Punkt zugleich, denn letztlich ist es die UN-BRK, die aus dem Terminus ‚Inklusion‘ den leeren Master-Signifikanten macht. In den Fallstrukturen tritt die UN-Konvention als Bezugspunkt zurück. Konventionen spielen dennoch eine wichtige Rolle: als pädagogische, theologische oder gesellschaftliche Normen, sei es die Auffassung, dass Gemeinde immer Gemeinde für alle ist, oder dass Schüler*innen nicht mehr als nötig mit verletzenden Realitäten konfrontiert werden sollten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Konventionen wirken im Kontext von Inklusion somit nicht nur auf einer völkerrechtlichen Ebene, sondern in jedem Handlungsfeld für sich. Alle drei Komponenten – Konvention, Klassenraum und Kirche – setzen Rahmenbedingungen und wirken auf Religionslehrer*innen und Pastor*innen, wenn es um ihre Rolle als lnklusionsakteur*innen geht. Sie stehen insofern zwischen diesen Bereichen, als dass sie die strukturellen und organisationalen Rahmenbedingungen mit ihren Erfahrungen in den konkreten Klassenräumen und Kirchengemeinden in eine Balance bringen müssen: Sie bewegen sich zwischen konzeptionellen und politischen Linien aus Normalisierung, Dekonstruktion und Empowerment, ohne alles zugleich leisten zu können. Sie stehen zwischen normativen lnklusionsverständnissen mit hohen Einflüssen, die häufig von Empowerment und Normalisierung geprägt sind, und ihrer eigenen erfahrungsbezogenen Einstellung, die sie zu den Inklusionsverständnissen ins Verhältnis setzen müssen. Sie stehen mitunter zwischen ihrem Anspruch, Schule und Kirchengemeinde inklusiver zu gestalten, und der Wirklichkeit, die von Ressourcenmangel geprägt ist. In diesen Spannungen wird Inklusion zur Krise der professionellen Lebenspraxis. In diesen Spannungen muss sich die jeweilige Einstellung bewähren und wird zugleich von ihnen geprägt. ‚[A]lso am liebsten würde ich mir wünschen, dass es halt irgendwann kein Thema mehr sein muss, sondern dass es irgendwie so funktioniert‘. Inklusion ist noch keine Selbstverständlichkeit. Sie ist aber, das haben die Fallstrukturen gezeigt, auch keine Utopie. Inklusion ist ein Prozess, der stetig aktualisiert werden muss und im Modus des eschatologischen Vorbehaltes zu denken ist: Schon jetzt lassen sich Schule und Kirchengemeinde inklusiver gestalten. Noch sind jedoch eine Gesellschaft, Schule oder Kirchengemeinde, die frei von Diskriminierungsmomenten sind, nicht erreicht. Der Fragmentarität des Menschseins entspricht, dass dieser Moment utopisch bleiben wird und dieser Umstand ausgehalten werden muss. Das entpflichtet nicht davon, den Prozess einer inklusiveren Gestaltung von Kirche und Schule fortzuführen. Damit dieser jedoch nicht in Überforderung oder Enttäuschung untergeht, müssen Ausbildungsinstitutionen von Inklusionsakteur*innen und theologische Wissenschaft die Erfahrungen des*der Einzelnen wahrnehmen, reflektieren und diesen Prozess gemeinsam gestalten. Mit den explorativen Einblicken in dieser Arbeit ist in Hinblick auf Religionslehrer*innen eine Ergänzung und in Hinblick auf Pastor*innen ein Anfang gemacht. Pfarrer*innen wie Religionslehrer*innen dürfen in diesen Prozessen nicht alleingelassen werden, sondern verdienen eine professionelle Begleitung.“ (361-363) Klaus König, Claudia Mayer und Mariusz Chrostowski sind die verantwortlichen Herausgebenden des im W. Kohlhammer Verlag (ISBN 17-044714-1) veröffentlichten Sammelbandes Mehr als ein Nice-to-Have. Begründungen für religiöse Bildung, dessen Begründung und Inhalt im Vorwort wie folgt beschreiben wird: „Religiöse Bildung wird in vielen Details diskutiert und modifiziert. Dies gilt für andere fachlich bezogene Bildungsbereiche ebenso. Bei religiöser Bildung kommt allerdings hinzu, dass sie auch prinzipiell der Begründung bedarf. Dies betrifft ihren Platz in allgemein- und berufsbildenden Schulen, da sie die wichtigsten Einrichtungen für fachliche Bildung sind. Dabei werden die veränderten religionsbezogenen Ausgangsbedingungen gegensätzlich bewertet: Eine Position stellt das Fach wegen einer wachsenden Religionslosigkeit prinzipiell infrage, eine andere sieht gerade durch diese Entwicklung einen unverzichtbaren Auftrag für religiöse Bildung in der Schule. Der vorliegende Band spiegelt die Diskussion nicht in ausgewogenen Anteilen von Pro und Contra wider. Er bezieht eindeutig Stellung, indem er unterschiedliche Begründungen für die Existenz religiöser Bildung in einem eigenen Unterrichtsfach versammelt. Die Diskussion zeigt, dass es nicht die eine Begründung für religiöse Bildung geben kann. Vielmehr existiert ein ganzes Bündel von Argumenten aus unterschiedlichen Bereichen und Denkrichtungen. Dabei richtet der Band seinen Blick insbesondere auf die Situation in Deutschland, doch eine Reihe der angeführten Argumentationsmuster lässt sich aufgrund ihres übergeordneten Charakters auch auf andere Kontexte übertragen. Der mit Schule verbundene Akzent der allgemeinen Bildung weist Begründungen, die vorwiegend oder gar ausschließlich aus religiöser Tradition kommen, einen Rang zu, der sich nur im Verbund z.B. mit pädagogischen, sozial-kulturellen und anthropologischen Ansätzen bewähren kann. Nicht alle Wissenschaften und Begründungsebenen, die hier möglich wären, sollen aufgelistet oder gar berücksichtigt werden. Die Passung der gewählten Argumente misst sich an ihrer didaktischen Ausrichtung. Mögliche historische, juristische oder politische Argumentationsstränge weisen eine Oualität auf, die meist außerhalb didaktischer Wirkungen virulent ist. Deshalb sind sie hier nicht ausdrücklich aufgenommen. Dem didaktischen Stellenwert der in diesem Band entfalteten Begründungen folgt die Wahl der Autorinnen und Autoren, die sich in fast allen Fällen der Religionspädagogik zuordnen lassen. Lediglich zwei Wissenschaftlerinnen kommen aus verwandten Bereichen. Dies hat den Vorteil eines deutlichen und unmittelbar gegebenen Fachbezugs, der sich in der Professionalität der Argumente und des kompetenten Zugangs zu religiöser Bildung niederschlägt. Ferner können sich die Begründungen für religiöse Bildung im schulischen Bereich auf spezifische Formen beziehen, die üblicherweise als konfessionell, positionell oder kundlich klassifiziert werden. Die hier gebündelten Beiträge siedeln sich allerdings auf einer Ebene an, die der Entscheidung für eine Ausrichtung vorgelagert ist. Die Beiträge nehmen auf recht prinzipielle Weise Stellung. Bei aller Unterschiedlichkeit der Herangehensweise treffen sie sich im Votum für religiöse Bildung in einem eigenen, spezifischen Unterrichtsfach.“ (7f.) 26 Tiefenbohrungen zum herausfordernden Feld des Vorbild-Lernens werden in dem von Georg Langenhorst, Markus Schiefer Ferrari und Rudolf Sitzberger ebenfalls im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-045754-6) herausgegebenen Buch Vorbilder unserer Zeit. 26 Entwürfe für Modell-Lernen heute vorgenommen. Im Vorwort begründen sie ihr Vorhaben folgendermaßen: „Warum? – Die Welt ist in den letzten Jahrzehnten bunter und vielfältiger geworden, und das Leben offenbart sich in einem breit ausgespannten Fächer von Möglichkeiten. Aber nicht alle Menschen sehen diese Vielfalt als Chance zur freien Wahl, betonen eher das Gefühl der Überforderung durch die ständige Pflicht zur Entscheidung. Doch nach welchen Kriterien? Orientierung in dieser mannigfaltigen Lebenslandschaft können Modelle und Vorbilder bieten. Auf allen erdenklichen Kommunikationskanälen sind sie verfügbar und präsent: Sei es im engsten Familienkreis, in der die Eltern nach wie vor einen prägenden Einfluss ausüben, sei es in der Peergroup, in der die Leader vorangehen, sei es in der Gestalt von zahlreichen Influencerinnen und Influencern, seien es schließlich Stars und Helden der Filme, Geschichten und Geschichte. Die Wirkmächtigkeit und Prägekraft als Orientierungsmarker im Blick auf heutige Jugendliche und junge Erwachsene belegen viele neuere Untersuchungen der Shell- und weiterer Studien nachdrücklich. Lange jedoch galt das Thema der Helden, der Stars und klugen, vorbildgebenden Köpfe in der Bildungsarbeit als obsolet.“ (10f.) Vier – in sich verbundene und sich überlappende – Abteilungen strukturieren das Lernfeld und auch dieses Buch: „Im ersten Schritt geht es um ‚Spiegelfiguren‘ aus Bibel und Kirchengeschichte. Bis in die Lehrpläne hinein gelten sie als Modelle biografischen Lernens, in denen sich Elemente des Modell-Lernens mit Aspekten von Bibel- und Kirchengeschichtsdidaktik mischen. Das Panorama spannt sich aus von Gleichnissen Jesu mit unmoralischen Helden (Hanna Roose) über die Bedeutung Ramon Lulls für den abrahamischen Trialog (Clauß Peter Sajak) bis hin zur Anfrage an die gegenwärtige Fremdnutzung Martin Luthers durch rechte Gruppierungen (Claudia Gärtner). Mediale Aspekte werden betont im Blick auf Filme über die Geschwister Scholl (Konstantin Lindner) sowie auf die Darstellung Friedrich Bonhoeffers im umstrittenen Naumburger Altarbild des Künstlers Michael Triegel (Rita Burrichter). Die zweite Abteilung wendet sich real lebenden Menschen unserer Zeit zu, die als Stars, Helden oder Local heroes ein Lernen an fremden Biografien ermöglichen. Diese Perspektive kann den Sänger Reinhard Mey in den Mittelpunkt stellen (Georg Langenhorst), aber auch Stars des Amerikanischen Football (Matthias Werner) – sowie möglicherweise als Anti-Held – den Fußballer Cristiano Ronaldo (Ulrich Riegel). Mit Schwester Birgit Weiler kann eine prophetische Warnstimme aus dem Kontext Amazoniens ins Zentrum rücken (Annegret Langenhorst), aber auch eine Gestalt wie der tschechische Priester und Religionsphilosoph Tomás Halík (Ulrich Kropac). Der Einsatz für den Tierschutz wird im Blick auf den Kreter Theoklitos Proestakis beleuchtet (Michaela Neumann). ‚Local heroes‘ erhalten im Kontext von Flucht und Vertreibung eine besondere, im Unterricht konzeptionell einzuholende Bedeutung (Walter Leitmeier). Medien – bereits in anderen Kapiteln reflektiert – stehen im Zentrum der dritten Gruppierung, in der es um fiktionale Erschließungen von Modell-Situationen geht. In Kirsten Boies preisgekröntem Jugendroman »Dunkelnacht« geht es um heldenhaftes Verhalten in der Zeit der Nazi-Diktatur (Norbert Brieden). In Katja Petrowskajas Roman »Vielleicht Esther« geht es hingegen um autofiktionale Annäherungen an die Urgroßeltern (Markus Schiefer Ferrari). Autofictions erschließen überhaupt in besonderer Weise fremde Biografien, indem sie dazu helfen ‚mit den Augen der Anderen‘ zu sehen (Eva Stögbauer-Elsner). Die jugendnahe Szene der Rap-Musik arbeitet intensiv mit biblischen und religiösen Motiven und eignet sich so bestens für Gestaltungen im Religionsunterricht (Klaus König). Auch Kurzspielfilme bieten sich als mögliche Medien biografischen Lernens an, verdeutlicht am Film ‚Lovena‘ (Burkard Porzelt). Ein besonderes Medium stellen Religionsschulbücher dar. Sie versuchen menschenrechtliche Impulse zu geben (Matthias Bahr) und stellen selbst durch erfundene Schülergestalten Identifikations- und Begleitfiguren zur Verfügung (Tanja Gojny). Der Schlussteil des Buches wendet sich den Fragen zu, wie man Lernen an fremden Biografien praktisch gestalten kann. So lässt sich das Ideal der ‚christlichen Nächstenliebe‘ in unterrichtlichen Modell-Situationen erschließen (Manfred Riegger). Ein Blick auf Modell-Lernen in Kroatien eröffnet internationale Perspektiven (Jadranka Garmaz). Die Nahtoderfahrung von Eben Alexander eröffnet kontrovers diskutierbare Zugänge zum ‚Leben nach dem Tod‘ (Johannes Heger). Durch das Verschwinden von Zeitzeug*innen erhält der Zugang über VR-Medien eine zentrale Bedeutung in antisemitismuskritischer Bildungsarbeit (Mirjam Schambeck). In drei abschließenden Beiträgen rückt die digitale Welt ins Zentrum. ‚Sinnfluencer‘ kann man wahrnehmen im Spannungsfeld von Sein und Schein (Rudolf Sitzberger). Sie lassen sich in einer konkret vorgestellten Stundenfolge in den Religionsunterricht einbauen (Carolin Grillhösl-Schrenk). Auch die Gaming-Szene von Youtubern kann religionsdidaktisch nutzbar gemacht werden (Manuel Stinglhammer).“ (11f.)

    Im LIT Verlag (ISBN 643-51162-1) haben Markus Ladstätter, Christian Feichtinger, Alfred Garcia Sobreira-Majer und Ursula Fatima Kowanda-Yassin den Sammelband Gemeinsame Religiöse Feiern an Schulen. Grundlagen – Perspektiven – Reflexionen herausgegeben, in dessen Vorwort sie schreiben: „In immer mehr Schulen werden gemeinsame religiöse Feiern zu einem Teil der Schulkultur. Die Pluralisierung der religiösen Landschaft in Österreich hat dazu beigetragen, dass sich neben bewährten christlichen und ökumenischen Feiern (wie die im Religionsunterrichtsgesetz §2 erwähnten „Schülergottesdienste“) neue Feierformen entwickelt haben, welche diese Pluralisierung abbilden: Damit verbunden sind zum einen das Entdecken neuer Möglichkeiten des gemeinsamen Feierns, zum anderen aber auch Unsicherheiten über rechtliche oder theologische Fragen. Den Schulen bietet sich hier ein interreligiöses pädagogisches Experimentierfeld, weshalb Kirchen und Religionsgemeinschaften in den letzten Jahren verschiedene Handreichungen zu diesem Thema herausgegeben haben. Zugleich ist eine (religions-)pädagogische Reflexion dieser neuen Feierpraxis in vielen Kirchen und Religionsgemeinschaften noch in ihrer Anfangsphase.“ (1) Der Aufbau des Buches ist wie folgt: „Das Hauptanliegen dieses Sammelbandes ist, gemeinsame religiöse Feiern an Schulen primär im österreichischen Kontext aus verschiedenen fachlichen Perspektiven zu beleuchten. Um die vielfältigen Aspekte solcher Feiern sichtbar zu machen, sind die Themen in sechs Hauptkapitel geordnet. Der erste Teil des Buches behandelt human- und rechtswissenschaftliche Grundlagen für die Auseinandersetzung mit dem Thema der gemeinsamen religiösen Feiern. Die betreffenden Beiträge nähern sich dem Thema aus anthropologischer, psychologischer und soziologischer Perspektive. Hier machen Vorüberlegungen aus schulpsychologischer Sicht den Anfang und heben vor allem die positive Wirkung einer „guten tragfähigen Festkultur" auf die Festigung von sozialen Kontakten und auf den Zusammenhalt in der Schule hervor. Feiern in der Schule sollten in einem größeren anthropologischen Zusammenhang gesehen werden. Feste und Feiern sind geradezu ein Charakteristikum des Menschseins und spielen daher in den Kulturen und Gesellschaften eine wichtige Rolle. Wenn es auch keine allgemein anerkannte Definition von Fest und Feier gibt, lassen sich doch phänomenologisch einige typische Merkmale definieren. Feste und Feiern durchbrechen den Alltag, sie strukturieren die Zeit, sie weisen über sich hinaus auf Grundfragen menschlicher Existenz, sie stiften Gemeinschaft. Feiern an Schulen erweisen sich so als Aktualisierung von anthropologischen Konstanten. Religiöse Feiern stehen aber auch in einem bestimmten Ordnungsrahmen. Für den Bereich der Schule sind die schulrechtlichen und religionsrechtlichen Bestimmungen, vor allem aber Grundrechte wie Religionsfreiheit und das Elternrecht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder. Der zweite Teil ist einigen wichtigen Annäherungen an das Thema gewidmet: Er bietet zuerst einen Überblick über offizielle Publikationen von Kirchen und Religionsgemeinschaften Österreichs zum Thema der gemeinsamen religiösen Feiern und arbeitet deren Grundzüge und Tendenzen heraus. Ein weiterer Beitrag fragt aus pädagogischer Perspektive nach den Kompetenzen, die Schüler*innen bei der Gestaltung von religiösen Feiern erwerben können. Und noch eine ganz andere Perspektive ist wichtig: die von solchen Schüler*innen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören. Unerlässlich sind Antworten auf die Frage, ob und wie sie in gemeinsame Feiern einbezogen werden könnten. Lassen sich auch für sie adäquate Feierformen finden, in die sie sich stimmig einbringen können? Der dritte Teil trägt den Titel Im Fokus: Das Gebet. Denn wie eine Kirche bzw. Religionsgemeinschaft das Gebet als zentralen Akt ihrer religiösen Praxis theologisch versteht, hat unmittelbare Auswirkungen auf den jeweiligen Zugang zu gemeinsamen religiösen Feiern. Im interreligiösen Dialog hat sich die Antwort auf diese Frage als entscheidender Punkt herausgestellt. Dass dabei die theologischen Unterschiede zum Teil erheblich sind, zeigen die hier versammelten Beiträge aus römisch-katholischer, evangelischer, orthodoxer, islamischer und jüdischer Perspektive. Der vierte Teil bringt die fachlichen Perspektiven ein und enthält religionspädagogische Beiträge von Expert*innen aus nahezu allen Kirchen und Religionsgemeinschaften, die in Österreich ihren jeweiligen Religionsunterricht verantworten. Sie sind nicht als offizielle Stellungnahmen von kirchlicher bzw. religionsgemeinschaftlicher Seite zu verstehen – das ist schon im zweiten Teil in der Form eines Überblicks behandelt worden. Vielmehr sind sie Reflexionen von Religionspädagog*innen, die sich aus ihrer fachlichen konfessionellen Perspektive auf die bestehende Praxis beziehen. Der fünfte Teil bietet Einblicke in den Diskurs in Deutschland und in der Schweiz. Dieser Blick ‚über die Grenze‘ ist schon deshalb notwendig, weil die Diskussion über gemeinsame religiöse Feiern zuerst innerhalb der christlichen Kirchen in Deutschland Ende der 1980er-Jahre begann und dort auch von Seiten der Kirchen die ersten Orientierungshilfen bzw. Richtlinien für solche Feiern entstanden. Anders ist die Situation in der Schweiz, wo zwar mehrere theologische und praxisorientierte Handreichungen vorliegen, aber sich keine von ihnen explizit auf die Schule bezieht. Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass mit einem neuen Lehrplan ein bekenntnisunabhängiger Unterricht die Hauptform religiöser Bildung an den Schulen in der Schweiz geworden ist. Der sechste Teil, der den Sammelband beschließt, enthält Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die sich aus der Zusammenschau der Beiträge ergeben, stellt die gegenwärtigen Herausforderungen und Möglichkeiten von gemeinsamen religiösen Feiern dar und formuliert einen Ausblick auf ihre Zukunft in der österreichischen Bildungslandschaft.“ (27-29)

    Martina Steinkühler lädt mit ihrem im Calwer Verlag (ISBN 7668-4732-4) veröffentlichten Band Erzähl. Mir. Leben. Narratives Lernen in Religionsunterricht und religiöser Bildung ein zu einem anschaulichen Prozess des Wahrnehmens, Deutens und Gestaltens, zur Begegnung einer Vielfalt von Erzählungen und zur Entwicklung narrativer Sensibilität und Kompetenz. Der Weg umfasst nach der einführenden Orientierung folgende Schritte: „Unsere Begegnungen mit Lebensgeschichten ereignen sich in drei Bereichen: dem des Wahrnehmens und Entdeckens von Struktur- und Wesensmerkmalen gegenwärtigen Erzählens, dem des Erkundens und Verstehens traditionellen und klassischen Erzählguts, dem des Gestaltens von biblischen Erzählungen im und für den Religionsunterricht. Kapitel 2 Wahrnehmen beschäftigt sich mit einer Auswahl an Bilderbüchern. Diese werden vorgestellt und so geöffnet, dass sie Genuss bereiten, den Umgang mit Geschichten einüben und für narrative Lebensdeutung sensibilisieren. Die Erkunden-Kapitel 3, 4 und 5 halten eine Auswahl von Mythen-, Märchen- und Sagen-Bearbeitungen für Kinder bereit. Auch diese werden – wie eingeübt – wahrgenommen, wertgeschätzt und befragt. Vorab wird in einem Exkurs geklärt, was das eigentlich ist: Literatur, die bleibt. Die bedeutsam ist und viele Generationen überdauert, kurz: Weltliteratur. Hinzu kommen Verhältnisbestimmungen: Wie fern sind jene alten, nicht altersspezifischen literarischen Erzählungen Kindern heute? Wie nah können sie kommen und dann, vor allem: Inwiefern tut das gut? Kapitel 6 Gestalten führt Religionspädag:innen – die Autorin, die Leserschaft – zurück zu den vertrauten Lebensgeschichten mit Gott, zurück zur Bibel. An einer Auswahl elementarer Texte werden Eigenarten biblischer Narration aufgespürt und vorgestellt. Bibelgeschichten für Kinder werden als Sonderfall der Kinderliteratur verstanden. Wiederum eine Auswahl wird – wie eingeübt – gelesen, und wiederum wird eine Verhältnisbestimmung vorgenommen: Wie fern, wie nah können sie Kindern heute kommen, und inwiefern tut das gut? Rückblick und Ausblick. Wenn alles, was erkundet und erfahren wurde, zusammengetragen ist, ergibt sich ein weites Panorama, und manches Vertraute erscheint in neuem Licht, auch die eigene Arbeit im Religionsunterricht und mit Bibelgeschichten. Skizziert werden Grundzüge einer narrationskompetenten Religionspädagogik, ja, narrationskompetenter Bildung. Sensibilität fürs Erzählen und für Erzähltes kann das Leben bereichern, das menschliche Miteinander friedlicher machen. Hörend und erzählend, neugierig, offen und bunt ...“ (12f.) Die Schlussworte der Autorin fassen ihr spezifisches Konzept des Biblischen Erzählens prägnant zusammen: „Ich habe Ihnen ein Erzählkonzept gezeigt, das die Frage nach Gott in den Geschichten in den Mittelpunkt stellt; das ins Theologisieren führt. Die Kinder und der Religionsunterricht verlangen das von uns: die Frage nach Gott in den Mittelpunkt zu stellen. Denn Kinder fragen (im RU) nach Gott. Der spezifische Auftrag des RU im Kanon der Fächer ist es, die Welt unter der Annahme zu betrachten, dass Gott da ist. Übrigens: Bibelgeschichten zu erzählen oder nachzuerzählen ist noch keine religiöse Kompetenz. Mit Bibelgeschichten zu theologisieren – das wäre eine! Warum erzählen wir? Es geht um entspannte Beziehungen. Es geht darum, Erlebtes zu deuten und Unsagbares zu sagen. Seit jeher ahnen Menschen, dass sie nicht allein sind auf der Welt. Sie erschaffen sich nicht selbst, sie sterben sich nicht selbst. Sie spüren: Da sind höhere Mächte am Werk. Sie nannten diese Mächte Götter. Und sie erzählten von ihnen Geschichten, um zu hören, wie sie waren: feindselig oder gleichgültig? Nah oder fern? Ordnung schaffend oder Chaos stiftend? Waren sie im Kult zu erreichen? Im Gebet vielleicht zu erweichen? Ein kleines Volk zwischen großen erzählte von einem einzigen Gott. Der liebte die Menschen, liebte sie wie seine eigenen Kinder. Als hätte er sie selbst zur Welt gebracht. Und sie erzählten, er habe sie geschaffen mit seinem liebevollen Wort. Seither habe er zu ihnen gesprochen. Diese Geschichte erzählte auch Jesus. Diese Geschichte erzählen wir bis heute. Und manche von uns ahnen, tief in ihren Herzen: Dieser liebende Gott, der ist wahr. Die Geschichten der Bibel sind unter der Annahme erzählt: Gott ist da. Gott ist größer als die Geschichten. Gott, der mächtig ist und zugleich zugewandt. Eigentlich unfassbar. Die Erzählenden fragen die Hörenden: Glaubst du das auch? Das ist ihre Herausforderung. Nur: Merken wir das heute noch? In unserem Unterricht? Wie erzählen wir? Machen wir uns Folgendes klar: Gott ist in den Geschichten. Wie ist er hineingekommen? Als Deutung von Erfahrung. Zum Beispiel in den Geschichten von Abraham, Jakob, Mose, David – Lebenswege werden gedeutet: Das war Gott. Gott sei Dank! Als Antwort auf eine große Frage. Zum Beispiel nach dem Ursprung der Welt, dem Bösen in der Welt, nach Gottes Güte. Menschen machen sich Gedanken und erzählen als Antwort eine Geschichte von Gott. Bekenntnisgeschichten sind Deutungen von Erfahrung – empirisch. Antwortgeschichten sind Dichtung – theoretisch. Für beide Typen gilt: Geschichten sind keine Berichte. Ihr Kern ist immer jenseits der historischen Wirklichkeit. Keiner hat Gott je gesehen. Ich erzähle Ihnen dies alles, weil wir ein Problem haben: Die Geschichten der Bibel sind fest geworden: Wie hören sie sich an? Wie Berichte. Und wie kommen sie bei den Hörenden an? Wie Lügen. Die Frage nach Gott scheint uns heute gelöst. Die Geschichten der Bibel sind längst abgeschlossen. Um sie wieder zum Leben zu erwecken, sage ich deutlich, wie sie entstanden sind (empirisch, theoretisch). Ich erzähle subjektiv und vermeide den Berichtsstil. Ich ende offen: ‚Und was glaubst du?‘“ (406f.)

    Leben ist Lernen im Glauben. Menschsein in der Transformation lautet der Titel des im Calwer Verlag (ISBN 7668-4685-3) von Jürgen Rausch, Anni Hentschel und Bernd Harbeck-Pingel herausgegebenen Buches, in dessen Prolog erklärt wird: „Leben ist Lernen im Glauben, stellt also nicht eine Umkehrung von Glauben lernen dar, sondern soll vielmehr die Bedeutung eines im Spiegel des individuellen Glaubensgeschehens und eines sich daraus herleitenden sich stets im Zweifeln befinden, beschreiben. Zweifel an Gott und der Welt, Zweifel an der eigenen Erkenntnisfähigkeit oder Zweifel an der eigenen Selbstwirksamkeit. Auch das Buch Hiob ist ein Buch des Zweifelns. Es erzählt von Hiob, den ein Schicksalsschlag nach dem anderen trifft. So hadert er in ganz besonderer Weise mit Gott und er verflucht Gott (Hi 3,3). Das ganze Spektrum von Zweifel im Glauben an Gott begründet stets eine Ambivalenz zwischen Ablehnung, Erschütterung, Enttäuschung aber auch dem sehnlichsten Wunsch nach Sicherheit, Zuversicht und Festhalten-Wollen am Glauben. Letztlich ist das das Fundament eines gelingenden Lebens – den gelingenden Umgang mit dem eigenen Zweifel, mit dem Ringen um Wahrheit und dem Scheitern daran, zu lernen. Vor diesem Hintergrund erhellen die nachfolgenden Beiträge, indem sie Leben, Lernen, Glauben, Menschschein und Transformation in immer unterschiedlichen Beziehungen zueinander stellen und damit Leitplanken zeichnen, die dem Menschen das Menschsein im Prozess der großen gesellschaftlichen Transformation ermöglicht.“ (11f.)

    Britta Baumert und Caroline Teschmer zeichnen verantwortlich für den im W. Kohlhammer Verlag (ISBN 17-045274-9) herausgegebenen Sammelband Zur Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts. Konfessionelle Kooperation auf dem Prüfstand, der auf folgende fünf Leitfragen Antworten versucht: 1. Welchen aktuellen Herausforderungen und Transformationsprozessen hat sich ein zukunftsfähiger Religionsunterricht zu stellen und welche Rolle spielt dabei die konfessionelle Kooperation? „Säkularisierung und Pluralisierung prägen die religiöse Landschaft in Deutschland. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist inzwischen konfessionslos. Religiöse Bildung soll vor allem über Religion informieren, einen Beitrag zur Wertebildung leisten und somit die Dialog- und Toleranzfähigkeit fördern. Nach Artikel 7,3 GG bedarf es jedoch einer positionellen Ausrichtung des Religionsunterrichts, der sich von religionskundlichen Ansätzen, die rein sachkundlich über Religion informieren, abgrenzt. Gleichzeitig stellt sich die Problematik, dass der Bekenntnischarakter des Religionsunterrichts von immer mehr Schüler:innen, Eltern und zunehmend auch Religionslehrer:innen in Frage gestellt wird.“ 2. Welchen Stellenwert können und sollten Bekenntnis und Konfessionalität im Religionsunterricht in einer Zeit einnehmen, in der sich immer weniger Menschen zu einer Konfession, zu einer der beiden großen Kirchen bekennen? 3. Wie lässt sich in diesem Kontext der Vorstoß Niedersachsens beurteilen, einen christlichen Religionsunterricht als Nachfolgemodell des kokoRU einzuführen? 4. Lässt sich angesichts der immer größer werdenden Zahl an orthodoxen Gläubigen in Deutschland an der alleinigen klassischen Kooperation der katholischen und der evangelischen Kirche festhalten? 5. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis der konfessionellen Kooperation?“ (9f.) Ergänzend werden internationale Perspektiven aus Österreich und der Schweiz sowie die Frage der Professionalisierung von Lehrkräften als Schlüssel zur Unterrichtsqualität im kokoRU erörtert.

    In ihrer im Waxmann Verlag (ISBN 8309-0024-6) in der Reihe „Research on Religious and Spiritual Education“ veröffentlichten Paderborner Dissertation Körpersprache im Religionsunterricht. Eine qualitative Studie zur nonverbalen Kommunikation der Lehrperson fragt Sarah Delling danach, welche Rolle die Körpersprache von Lehrpersonen in Lehr-Lernprozessen im Religionsunterricht spielt und inwiefern sie als Teil der Professionalität von Religionslehrpersonen gedacht werden kann. Sie erklärt im Vorwort dazu: „Mit diesem Fokus kann das hier vorgestellte empirische Projekt auf zwei Ebenen als interdisziplinär gelesen werden. Erstens handelt es sich um eine Arbeit, die ihre Überlegungen und Ergebnisse an den bildungswissenschaftlichen Diskurs zu Professionalität von Lehrpersonen zurückbindet. Gleichzeitig hat sie die Besonderheiten des Religionsunterrichts und die damit einhergehenden Erwartungen und Herausforderungen für die Lehrperson im Blick. Zweitens stehen mit den videografierten Religionsunterrichtsstunden Daten im Vordergrund, die sich der Teildisziplin der Religionsdidaktik zuordnen lassen. Der Forschungsschwerpunkt und die Konzepte fußen jedoch auf kommunikationspsychologischen Theorien, die z.B. auch in pastoralpsychologischen Diskussionen eine Rolle spielen. In diesem Sinne sind Überlegungen und Ergebnisse dieser Arbeit einerseits für Unterricht allgemein und Religionsunterricht im Speziellen von Bedeutung und andererseits unmittelbar an die Religionsdidaktik sowie mittelbar an die Pastoralpsychologie anschlussfähig.“ (5) In der Einleitung zu diesem innovativen Band schreibt die Autorin erhellend: „Im Religionsunterricht spielt der Körper eine zentrale Rolle. Der gehobene Arm der Schülerin, der anzeigt, dass sie etwas sagen möchte; die Körperhaltung bei einem Standbild zum Thema Hiob; die Bewegung der Lehrperson auf zwei tuschelnde Schüler zu, die augenblicklich verstummen; der stumme gestische Hinweis auf ein religiöses Kunstwerk. Diese Beispiele zeigen, dass Schüler*innen und die Lehrperson im Religionsunterricht nicht allein durch das gesprochene Wort, sondern auch durch körperliche Signale kommunizieren. Dabei unterscheidet sich Körpersprache von der verbalen Sprache sowohl in den Möglichkeiten des Ausdrucks als auch in den Spektren der Wahrnehmung. Menschen, die sich verbal austauschen, nutzen Worte und Sätze für ihre Mitteilungen. Die Versprachlichung von Inhalten setzt – neben der prinzipiellen Fähigkeit zu sprechen, zu hören und zu lesen – ein gewisses Maß an Bewusstheit und kognitiver Verarbeitung der Inhalte voraus. Der Körper hingegen nutzt keine Buchstaben, Worte oder Sätze, um sich mitzuteilen. Er greift auf Gesten, Gesichtsausdrücke und Bewegungen zurück, die oftmals Ausdruck bestimmter Gefühle sind oder Beziehungen widerspiegeln und sowohl bewusst und intendiert als auch unbewusst und unkontrolliert gezeigt werden. Damit legt der Blick auf den Körper ein Kommunikationspotenzial frei, das über das hinausgeht, was in Worte gefasst werden kann und eigenständige Zugänge zu Themen und Inhalten eröffnet. Das kann gerade für das religiöse Lernen von Bedeutung sein, da hier Themen verhandelt werden, die das Sprachlich-Vorstellbare und Kognitiv-Fassbare übersteigen und nicht selten emotional und sozial bedeutsam sein können. Dass körpersprachliche Ausdrucksweisen gerade bei der Auseinandersetzung mit solchen Themen hilfreich sein können, zeigt z. B. der Blick in die Liturgie. Körpersprachliche Ausdrucksformen, wie das Sitzen, Stehen, Knien und Bekreuzigen, symbolisieren hier den Bezug zwischen Mensch und Gott. Für den Religionsunterricht ist die Bedeutung dieses Kommunikationspotenzials von Körpersprache v.a. für intendierte Lernprozesse der Schüler*innen, z.B. im Kontext der Kirchenraumpädagogik, der performativen Religionspädagogik sowie des leiblichen und ästhetischen Lernens reflektiert und empirisch anfänglich überprüft worden. Für die Religionslehrperson ist das in diesem Maße noch nicht geschehen. Zwar ist sich die religionspädagogische Diskussion in Ansätzen bewusst, dass die Körpersprache der Lehrperson potenziellen Einfluss z.B. auf die Lehr-Lernatmosphäre hat. Jedoch ist die Körpersprache im konkreten Unterrichtshandeln der Religionslehrpersonen bisher kaum empirisch und wenig systematisch untersucht worden, v. a. nicht im Feld des Professionalitätsdiskurses, in dem das Handeln der Lehrperson aktuell diskutiert wird. Diese Arbeit widmet sich daher der Aufgabe, die Körpersprache der Lehrperson zu untersuchen und im Kontext des Diskurses um die Professionalität von Religionslehrkräften zu erörtern.“ (13f.) Die spannende Darstellung ist wie folgt aufgebaut: „Hierzu wird in einem ersten Teil (A) der aktuelle Forschungsstand zur Körpersprache der Lehrperson im Religionsunterricht allgemein dargestellt und spezifisch nach deren Rolle im aktuellen professionstheoretischen Diskurs der (Religions-)Pädagogik gefragt. Nach einer Bestimmung des Begriffs Körpersprache wird zunächst dargestellt, inwiefern der Körpersprache der Lehrperson im religionspädagogischen Diskurs eine Bedeutung für den (Religions-)Unterricht zugesprochen wird. Im Überblick ergibt sich dabei der theoretische Grundtenor, dass die Körpersprache der Lehrperson wichtiger Teil ihres Handelns ist. Da das Handeln der Lehrperson von seinem Anspruch her professionell ist, werden die unterschiedlichen Ansätze, Professionalität von Lehrpersonen zu denken, überblicksartig vorgestellt und ihre Konsequenzen für den Einsatz von Körpersprache im Unterricht herausgearbeitet. Während v.a. im bildungswissenschaftlichen Bereich die einzelnen Ansätze mal mehr, mal weniger das professionelle Handeln der Lehrperson körpersprachlich sowohl auf theoretischer als auch empirischer Ebene durchbuchstabieren, zeigt sich hier ein religionspädagogisches Feld, das noch wenig beforscht wurde. Darüber hinaus verbleiben die wenigen professionstheoretisch gerahmten Studien, die die Körpersprache beachten, häufig auf der Ebene der Rekonstruktion nonverbaler Professionalität. Selten werden deren Wirkungen im Unterricht für den Lernprozess der Schüler*innen ebenfalls erhoben. Insofern endet der erste Teil dieser Arbeit mit der Formulierung der Forschungsfrage: Wie prägt die Körpersprache der Lehrperson die alltägliche Unterrichtskommunikation im Religionsunterricht? In einem zweiten Teil (B) wird das empirische Design des Projekts beschrieben. Zunächst werden die Untersuchungsgegenstände der Körpersprache und der alltäglichen Unterrichtskommunikation konzeptualisiert, indem die Begriffe der nonverbalen Kommunikation und des Unterrichtsgesprächs eingeführt und in Form eines heuristischen Modells zusammenführt werden. Davon ausgehend kann die Forschungsfrage in vier Teilforschungsfragen spezifiziert werden. Um zu klären, wie sich religionspädagogische Professionalität körpersprachlich konjugieren lässt, wird zunächst gefragt, was die Lehrperson über die einzelnen nonverbalen Bereiche kommuniziert. Da die Lehrperson einzelne nonverbale Bereiche gleichzeitig nutzt, steht in einem zweiten Schritt die Frage im Zentrum, welche typischen Kombinationen nonverbal kommunizierter Informationen sich im Sample finden. Um die Wirkungen dieser Muster zu bestimmen, gilt es in einem dritten Schritt nach den Kommunikationssituationen zu fragen, in denen diese Muster vorkommen, um schließlich die Wirkungen im Unterrichtsgespräch nachzeichnen zu können. Anschließend beschreibt die Arbeit das methodische Vorgehen. Sie erörtert zunächst theoretisch die Videografie als Form der Datenerhebung und zeigt daraufhin auf, wie sie in diesem Projekt zum Einsatz kam. Die videografierten Daten werden im Sinne der Dokumentarischen Methode nach Asbrand und Martens ausgewertet. Die Methodologie und die methodischen Auswertungsschritte werden ebenfalls zunächst theoretisch erläutert, bevor das konkrete methodische Vorgehen dieser Arbeit exemplarisch an einzelnen Beispielen einmal durchgeführt wird. Der zweite Teil endet mit der Beschreibung des Sample. In einem dritten Teil (C) folgt die Darstellung der Ergebnisse, die sich an den vier Teilforschungsfragen orientiert. So dient Kapitel eins des dritten Teils der Beantwortung der ersten Teilforschungsfrage. Hier werden die in den Daten rekonstruierten Aspekte, die die Lehrperson körpersprachlich kommuniziert, zunächst als Dimensionen der nonverbalen Kommunikation mit unterschiedlichen Ausprägungen dargestellt. Im zweiten Kapitel des dritten Teils werden anschließend die sich abzeichnenden Kommunikationsmuster vorgestellt und mit Hilfe exemplarischer Fallbeispiele erläutert, um so die zweite Teilforschungsfrage zu beantworten. Kapitel drei des dritten Teils setzt diese Muster schließlich in Beziehung zum Unterrichtsgeschehen. Auf diese Weise soll beantwortet werden, wie das körpersprachliche Verhalten der Lehrperson das Unterrichtsgeschehen prägt. Im Laufe der Analyse stellt sich dabei heraus, dass die Wirkungen der körpersprachlich rekonstruierten Kommunikationsmuster je nach anvisiertem Lernprozess, dem das Unterrichtsgespräch dienen soll, variieren. Daher werden die Unterrichtsgespräche zunächst entlang ihrer Gesprächsanlässe zu unterschiedlichen Kommunikationssituationen kategorisiert, bevor die Wirkungen der einzelnen Kommunikationsmuster für jede Gesprächskategorie entlang der im zweiten Teil der Arbeit erarbeiteten Kriterien des Unterrichtsgesprächs nachgezeichnet und zusammengefasst werden. In einem vierten Teil (D) werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund des Professionalitätsdiskurses diskutiert, alternative Ordnungsmomente und Begrenzungen der Arbeit ausgewiesen und mögliche Impulse für die Professionalisierung von Religionslehrkräften formuliert.“ (14f.)

    Das siebte Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheologie trägt den Titel „Aber was, wenn Koran auf biblisch Bibel heißt?“ Kinder- und Jugendtheologie interreligiös und wird von Hanna Roose, Petra Freudenberger-Lötz, Oliver Reis und Thomas Schlag im Calwer Verlag (ISBN 7668-4734-8) herausgegeben. In der Einleitung ist zu lesen: „Unübersehbar nimmt die Pluralität und Heterogenität der Schülerschaften im Kontext des schulischen Religionsunterrichts weiter zu. Gleichzeitig spiegeln sich im Alltag und in der Lebenswelt schon der jungen Generation gesellschaftliche Fragen des Zusammenlebens der Religionen sowie des gelingenden und misslingenden Dialogs deutlich wider. Angesichts der Vielzahl von religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen und den damit verbundenen Herausforderungen eines religionsplural sensiblen und interreligiös konzipierten Religionsunterrichts stellen sich für die Kinder- und Jugendtheologie Herausforderungen auf mehreren Ebenen. Wir, die Herausgeber:innen, waren und sind der Meinung, dass Kinder- und Jugendtheologie sich nur dann als religionsdidaktisches Leitbild behaupten kann, wenn sie sich verstärkt der Herausforderung religiöser Pluralität stellt. Es versteht sich als Impuls, die Frage der Interreligiosität im Kontext von Kinder- und Jugendtheologie weiter zu verfolgen.“ (7) Das inspirierende Buch ist in drei Teile geteilt: „Der Band beginnt mit Beiträgen zu grundlegenden Fragen: Wie bearbeitet Kinder- und Jugendtheologie (idealerweise) die steigende Komplexität, die durch die Berücksichtigung mehrerer Religionen entsteht. Wie verhält sich Kinder- und Jugendtheologie, die ihren Ursprung in der (deutschsprachigen) evangelischen und katholischen Religionspädagogik hat, zu Modellen interreligiösen Lernens? Inwiefern gilt es, die (impliziten) Ideale der Kinder- und Jugendtheologie als partikular zu verstehen? Was verschiebt sich, wenn Kinder- und Jugendtheologie von einem versäulten Bildungsansatz mit Religionsunterricht, der nach Religionen und Konfessionen getrennt erteilt wird, in einen stärker integrativen Bildungsansatz einrückt? Im zweiten Teil blickt der Band auf institutionelle Formate, in denen Kinder- und Jugendtheologie auf unterschiedliche Weise interreligiös geöffnet wird. Welche Studiengänge, Forschungsprojekte und Hochschulen gibt es, die Kinder- und Jugendtheologie interreligiös profilieren? Welche Chancen und Herausforderungen zeigen sich? Der dritte Teil bietet ausgewählte empirische Einblicke. Hier zeigt sich, wie vielfältig Kinder- und Jugendtheologie in unterrichtlicher Praxis aussehen kann – je nach organisatorischem oder didaktischem Kontext.“ (7-10)

    Im LIT Verlag (ISBN 643-15114-8) haben Britta Konz und Antje Roggenkamp unter Mitarbeit von Stephanie Lerke in der Reihe „Bibel – Schule – Leben“ ihr anregendes Buch Vielgestaltige Christusansichten. Im Theologisieren Unbeachtetes entdecken veröffentlicht. Sie informieren in der Einleitung über Hintergrund und Aufbau ihres Projektes: „Wer war Jesus von Nazareth, der in Leben und Verkündigung so viele Menschen begeisterte, wer war Jesus Christus, der in den biblischen Schriften als Gründer einer der großen Weltreligionen bezeugt wird, und wer ist dieser Christus, dessen Hoheitstitel dem Christentum seinen Namen gegeben hat? Diesen Fragen sind nicht nur Philosoph*innen sowie Theolog*Innen in der Geschichte des Christentums nachgegangen, sondern auch unzählige Kunstschaffende. Künstler*innen übersetzen die Glaubensüberzeugungen der jeweiligen Epoche in spezifische Bildsprachen oder tragen in ihre Artefakte eigene Gedanken und Glaubensansichten ein. Ihre Kunstwerke laden nicht zuletzt dazu ein, sich auf Spurensuche nach Jesusdarstellungen und Christusansichten zu begeben, ihrer Vielfalt nachzuspüren und über christologische Fragen und eigene Glaubensansichten nachzudenken. Unser Buch stellt sich in die Tradition des Theologisierens mit Kindern und Jugendlichen und will dazu ermutigen, die Kunst zum Ausgangspunkt eines Theologisierens über Jesus Christus zu machen. Denn Bilder sollten nicht allein als erster Unterrichtsimpuls genutzt werden, sie können auch tiefergehende Denk- und Deutungsprozesse auslösen und begleiten. Die vielgestaltigen Christusdarstellungen initiieren Gespräche, vertiefen sie und erweitern auf diese Weise die Denkhorizonte der Schüler*innen und Konfirmand*innen. Für Kinder und Jugendliche – ob in Schule oder Gemeinde – können Jesusdarstellungen und Christusansichten herausfordernde und emotionale Frageanlässe bieten. Es ergeben sich viele Anknüpfungspunkte, die nicht zuletzt Voraussetzungen für heterogenitätssensible Lernprozesse schaffen. Als weiterführende Deutungs- und Orientierungsangebote eignen sich insbesondere Bilder, die eingeübte Sehgewohnheiten durchbrechen. Schülerinnen und Schüler kennen in der Regel die ‚klassischen‘ Jesusdarstellungen der Kinderbibeln, alternative Darstellungen lösen häufig Irritationen und Fragen aus. Sie evozieren emotionale Reaktionen und wecken eine gewisse Neugierde, die zum Ausgangspunkt vertiefter Lernprozesse werden kann. Unser Buch hat drei Teile. Ein kurzer Einstieg informiert über das Theologisieren, entfaltet das Konzept des Theologisierens über Jesus Christus mit Kunst und stellt Überlegungen zum nicht immer selbstläufigen Umgang von Kindern und Jugendlichen mit christlichen Gottesbildern an. Anschließend betrachten wir exemplarisch einen Weg, der in Jesusdarstellungen und Christusbildern der Kunstgeschichte mannigfache Wendepunkte sowie Wegkreuzungen freilegt und erkennen lässt. Es gibt verschiedene Methoden, Kunst zu erschließen und Theologie und Kunst zu unterrichten. Wir stellen im Folgenden methodische Überlegungen zu kunstgeschichtlichen und religionspädagogischen Nutzungen von Artefakten vor und skizzieren Grundrisse eines eigenen Ansatzes. Der zweite Hauptteil widmet sich Jesus-Konfigurationen. Die Jesusbilder und Christusansichten präsentieren sich einerseits in motivgeschichtlicher Abfolge. Andererseits werfen sie verschiedene Perspektiven auf ein spezifisches Motiv und suchen, dessen (religiöse) Alltagsbedeutung in unterschiedlichen Hin- und Ansichten nachzuzeichnen. Die Ausführungen beginnen mit Jesus in der Schöpfung, sie führen über Darlegungen zu Jesus als Segnendem, als Heilbringendem und als Opfer zu Darstellungen von Jesus als Auferstandenem und sie regen schließlich an, sich mit dem Vorbild, das gegen Ausgrenzung und Othering mobilisiert, sich der Welt und den unter Menschen gemachten Verhältnissen leidenden Geschöpfen aber auch solidarisch zuwendet, auseinanderzusetzen. Ein dritter Teil reflektiert, wie sich aus einem ursprünglich rezeptionsorientierten Vorgehen ein methodologisches Verfahren entwickelt hat, das nicht zuletzt Fragen nach dem Gebrauchen und Nutzen von Bildern bzw. Artefakten in einen zentralen Fokus schiebt. Das Theologische kommt nicht normativ zum Einsatz, sondern die Kunstwerke werden auf ihre Bedeutsamkeit für Prozesse des (Wieder-)Erkennens und Sehens befragt.“ (9f.)

    Im Beltz Juventa Verlag (ISBN 7799-9060-4) haben Joachim Willems und Ariane Dihle den wertvollen Band Inventur. Schulbücher jüdisch-christlich bedenken. Antisemitismuskritische Perspektiven auf religionspädagogische Bildungsmedien herausgegeben, der in fünf Teile gegliedert ist: „Im ersten Teil geht es um grundsätzliche Fragen von Antisemitismus und der Darstellung des Judentums in Bildungsmedien, insbesondere Schulbüchern. Joachim Willems ordnet die Beschäftigung mit ‚Judentum‘ im christlichen (evangelischen) Religionsunterricht in den Kontext der Aufgaben und Ziele dieses Faches im Allgemeinen und des interreligiösen Lernens im Besonderen ein und verbindet dies mit exemplarischen Analysen der Konstruktionen ‚des Judentums‘ in Schulbüchern. Christian Staffa C Kristina Herbst beschäftigen sich mit den Wechselverhältnissen christlicher und säkularer ‚Signaturen‘ des Antisemitismus und leiten daraus Konsequenzen für Theologie, Religionsdidaktik und die pädagogische Arbeit über den Religionsunterricht hinaus ab. Der zweite Teil widmet sich speziell der Darstellung von ‚Israel‘ in Schulbüchern. Dirk Sadowski C Christine Chiriac analysieren die Darstellung des Staates Israel sowie die Benennung der geografischen Umwelt Jesu in katholischen Lehrwerken sowie Bildungsmedien für den Werte und Normen Unterricht in Niedersachsen. Helene Begrich erweitert die Analyse zur Darstellung des Staates Israel exemplarisch anhand von zwei evangelischen und einem jüdischen Lehrwerk. Im dritten Teil wird die Analyse von Bildungsmedien durch Perspektiven aus den Verlagen heraus ergänzt. Dies geschieht anhand von Interviews mit Inga Piel (Klett-Verlag) und Hans-Jörg Gabler (Calwer), die deutlich machen, unter welchen Bedingungen Schulbücher entstehen – eine bei der Analyse von Schulbüchern häufig zu wenig beachtete Perspektive, die aber für das Verständnis des Mediums Schulbuch unverzichtbar ist. Der vierte Teil beschäftigt sich unter verschiedenen Fragestellungen mit Bildern und Abbildungen in unterschiedlichen Bildungsmedien. Julia Katharina Hofmann lenkt den Blick vor allem auf die Bilder, die sich im Rahmen des interreligiösen Lernens in Bildungsmedien zum Judentum finden. Katharina von Kellenbach C Anne Eichhorst gehen der Frage nach, wie das Verhältnis zwischen Judentum, Christentum und auch dem Islam sowohl religionsgeschichtlich als auch theologisch in Bildern angemessen dargestellt werden kann. Nina Kölsch-Bunzen weitet in ihrer antisemitismuskritischen Analyse von Kreuzigungserzählungen in Kinderbibeln den Blick auf Bildungsmedien, die nicht nur im schulischen Kontext eingesetzt werden. Im fünften Teil werden, von christlich-theologischen Perspektiven auf das Judentum ausgehend, die (religions-)didaktischen Herausforderungen beschrieben und Umgangsformen damit diskutiert: Sara Han wirft eine grundsätzlich antisemitismuskritische Perspektive auf die katholische Kirche. Marie Hecke skizziert grundsätzliche Überlegungen, wie antisemitismuskritisch und jüdisch-christlich sensibel die Texte der zwei-einen Bibel in Bildungsmedien thematisiert werden können. Ariane Dihle C Juliane Ta Van zeigen auf, wie mit biblischen Erzählungen der Evangelien aus dem Zweiten Testament in antisemitismuskritischer Perspektive in Bildungsmedien umgegangen werden kann.“ (10f.)

    Religiöse Bildung für alle. Orientierungsrahmen für den Evangelischen Religionsunterricht im sonderpädagogischen Kontext lautet der Titel des vom Kirchenamt der EKD herausgegebenen EKD-Textes 143, der im Juli 2025 erschienen ist und folgendes wichtiges Anliegen hat: „Der vorliegende Orientierungsrahmen fokussiert Schüler:innen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung, die entweder an Förderschulen oder in anderen Schularten in sogenannten inklusiven Settings beschult werden. Er stellt eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Orientierungsrahmen der EKD dar, da er sich weder auf Schüler:innen einer Altersgruppe noch auf Schüler:innen einer Schulart bezieht. Der Orientierungsrahmen nimmt einerseits die verschiedensten Arten von Förderschulen in den Blick. Da Schüler:innen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung jedoch auch inklusiv an sogenannten Regelschulen unterrichtet werden, hat dieser Text andererseits auch für Gesamtschulen, Grund- und Mittelschulen und alle anderen sogenannten Regelschulen Bedeutung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das ‚Subsidiaritätsprinzip der Sonderpädagogik zu einer Vielfalt von Lernorten und Organisationsformen geführt hat.‘ Zudem ist bei der Rezeption des Textes zu bedenken, dass in Deutschland aufgrund der Bildungshoheit der Länder verschiedene Systeme der sonderpädagogischen Förderung etabliert sind. Um die im folgenden Text fokussierte Schülerschaft benennen zu können, wurde der Begriff Schüler:innen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung gewählt. Dieser Begriff ist in hohem Maße verallgemeinernd und wird in dem Bewusstsein der Schwierigkeit verwendet, dass er höchst unterschiedliche Personen zu einer Gruppe zusammenfasst. Im folgenden Text ist demzufolge stets mitzudenken, dass sich die hier fokussierte Zielgruppe aus Personen mit verschiedensten Weltwahrnehmungen und Lebensbedingungen zusammensetzt. Die Kultusministerkonferenz betont das Recht für alle auf Teilhabe an schulischer Bildung: ‚In allen Lebensbereichen haben Menschen mit Behinderungen die gleichen und unveräußerlichen Rechte. Dies gilt auch für die schulische Bildung und bezieht sich auf den gleichberechtigten Zugang zu den Schulen und auf eine die Entwicklung des Einzelnen unterstützende Teilnahme am Unterricht und Teilhabe am Schulleben.‘ Dies schließt das Recht auf religiöse Bildung ein. Evangelischer Religionsunterricht ist als ordentliches Lehrfach auch für Kinder und Jugendliche mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung verpflichtet, einen Beitrag zur Bildung gemäß den Grundsätzen der evangelischen Kirche (Artikel 7.3 Grundgesetz) zu leisten. In pädagogischer Hinsicht orientiert sich der Unterricht an den Schüler:innen, ihren Lernausgangslagen, ihren Erfahrungen und Bedürfnissen, als Anknüpfungspunkte für Bildungsprozesse. Mit dieser Subjektorientierung ist ein wichtiger Grundsatz der evangelischen Kirche im Sinne der Förderung der Selbstbildung und Selbsttätigkeit von Kindern und Jugendlichen angesprochen. Der vorliegende Text richtet seine Aufmerksamkeit auf eine bisher nicht in den Blick genommene Gruppe von Schüler:innen. Er ergänzt damit die bereits veröffentlichten orientierenden Texte der Evangelische Kirche in Deutschland für den Religionsunterricht in einzelnen Schulformen und -stufen (EKD-Texte 109; 111; 129; 142). Ein Orientierungsrahmen, der Schüler:innen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in den Blick nimmt, muss das Thema Inklusion aufgreifen, ohne die Diskussion zur Systemfrage inklusiver Bildung umfänglich abbilden zu können. Der vorliegende Orientierungsrahmen ist der Weiterentwicklung eines inklusiven Bildungssystems verpflichtet, wie es bereits in der 2014 erschienen Orientierungshilfe der EKD ‚Es ist normal, verschieden zu sein‘ beschrieben wurde. Da in der deutschen Bildungslandschaft sonderpädagogische Förderung an verschiedenen Bildungsorten stattfindet, formuliert der Text Leitlinien für einen inklusiven Religionsunterricht, der den Bedarfen aller Schüler:innen gerecht wird und unabhängig vom Förderort ist. Dadurch wird ein Beitrag dazu geleistet, dass die sonderpädagogischen Kompetenzen im Unterricht für die allgemeine Schule und damit für alle Schüler :innen fruchtbar gemacht werden.“ (7-9) Erstmals beschreibt hier die EKD, wie religiöse Bildung für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf gelingen kann!

    In der Reihe „Schnittstelle Schule. Impulse evangelischer Bildungspraxis“ haben Thomas Böhme, Birgit Kuhlmann, Katrin Meuche und Anne-Kathrin Wenk im Comenius-Institut (ISBN 943410-36-5) den Band Rituale und Spiritualität – auch für religiös ungebundene Menschen herausgegeben, in dessen Einleitung erklärt wird: „Der Blick in die Schullandschaft gibt einen Eindruck über die religiöse Vielfalt. So gehören neben evangelischem und katholischem Religionsunterricht die Fächer Ethik und Philosophie bereits seit Jahrzehnten zum festen Angebot. In einigen Bundesländern werden evangelischer und katholischer Religionsunterricht von beiden Kirchen gemeinsam verantwortet, z.B. im Rahmen eines konfessionell kooperativen Religionsunterrichts. In Niedersachsen beispielsweise soll mit dem Schuljahr 2025 / 2026 ein gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht (CRU) schrittweise eingeführt werden. In den letzten Jahren hat sich der islamische Religionsunterricht an einer Reihe von Schulen etabliert und wird in Deutschland in neun Bundesländern angeboten, z.B. in Niedersachsen als Regel-, in Bayern als Wahlpflichtangebot. In anderen Bundesländern laufen dazu Modellprojekte. Ein Blick in die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung dokumentiert auf der Grundlage von Daten diese gesellschaftlichen Entwicklungen. Demnach gehörten im Jahr 2022 25 % der bundesdeutschen Bevölkerung der katholischen und 23 % der evangelischen Kirche an. 43 % der Bevölkerung waren ohne formale Zugehörigkeit zu einer der Konfessionen oder einer Religion. Etwa 4 % waren Angehörige unterschiedlicher christlicher Gemeinschaften, ca. 5 % gehörten nicht-christlichen Religionen, insbesondere dem Islam an. Diese Situation bildet sich auch in Schulen ab. Der Bildungsbericht zur Schulseelsorge aus dem Jahr 2019, der auf der Befragung von 472 Schulseelsorger:innen basierte, zeigte, dass die religiöse Pluralität aus Sicht der Befragten eine der zentralen Herausforderungen darstellt, mit einer Zustimmung von 73 % knapp vor ‚steigenden Leistungserwartungen an die Schüler:innen‘ (75 %) und einem ‚stark zunehmenden Bedarf an Schulseelsorge‘ (78 %). Dabei gab es deutliche Unterschiede unter den Befragten verschiedener Schulformen. 91 % der befragten Schulseelsorger:innen an Berufsschulen benannten religiöse Pluralität als Herausforderung, die damit die wichtigste Herausforderung aus Sicht der an Berufsschulen Befragten darstellte. In den Schulformen der Sekundarstufe I und II gaben etwas mehr als 70 % religiöse Pluralität als Herausforderung an. Die geringsten Zustimmungswerte gab es – interessanterweise – an Grundschulen. In den Schulen bildet sich somit eine zunehmende religiöse Vielfalt ab, die von den Schulseelsorgenden als eine der zentralen Herausforderungen erkannt wird. Zu bedenken ist, dass Angehörige einer Glaubensgemeinschaft keine homogene Gruppe darstellen sowie deren Zugänge zu Religion und Glauben verschieden sind. Ebenso wenig sind Jugendliche ohne konfessionelle Zugehörigkeit eine homogene Gruppe. Insofern ist auch in dieser Hinsicht eine Heterogenität in den Zugängen zu Religion und Religiosität vorauszusetzen. Es stellt sich für die Evangelische Schulseelsorge verstärkt die Aufgabe, sich auf diese Heterogenität in ihren Arbeitsformen und Handlungsweisen einzustellen. Dabei geht es zuallererst um die Frage, wie Heterogenität in den Blick genommen und in schulseelsorglichen Handlungsvollzügen zur Sprache und Anschauung kommen kann. Schulseelsorge kann dabei eine wichtige Rolle zukommen, wie es die EKD 2019 in der Denkschrift ‚Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit‘ formuliert hat: ,In der Schule bietet neben dem Unterricht auch ,Religion im Schulleben‘ bzw. Schulseelsorge die Möglichkeit, evangelische Kirche und Konfessionslose in Kontakt zu bringen: Religiöse Schulfeiern, seelsorgliche Angebote, soziale Arbeit und Freizeitgestaltungsoptionen in Trägerschaft evangelischer Kirche oder in Verantwortung evangelischer Religionskräfte sind für alle Schülerinnen und Schüler bzw. Schulangehörigen offen‘.“ (5f.) Bemerkenswerte Impulse von der und für die Evangelische Schulseelsorge!

    Passend dazu empfiehlt sich die Lektüre von Mild religiös. Erkundungen spätmoderner Frömmigkeit, die Kristian Fechtner im Kohlhammer Verlag (ISBN 17-040054-2) veröffentlicht hat, der in seinem Vorwort seine Erkundungen als Bausteine zu einer in religiösen Dingen weitherzigen Praktischen Theologie verstanden wissen will: „Die Fragen, die dem vorliegenden Buch zugrunde liegen, beschäftigen mich praktisch-theologisch und persönlich seit geraumer Zeit: Wie wird heute Religiosität gelebt von Menschen, die sich selbst nicht als fromm bezeichnen würden? In welchen Praktiken gewinnt eine moderate Frömmigkeit von Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die hier als mild religiös verstanden werden, ihre Gestalt? Welche Konturen hat ein lebensweltlich eher unscheinbares Christentum? Gewiss, es gibt auch Menschen, die ihr Christsein intensiv und alltagsnah leben: morgendliche Bibellese, vor dem Essen Tischgebet, stille Zeiten, Sonntagskirchgang, Passionszeit und österliche Freude, Herzensgebet und Beichte. Was aber, wenn man nicht zum kleinen Kreis der Hochreligiösen und traditional Eingeübten gehört? Wenn nach persönlicher Frömmigkeit gefragt wird, stellt sich dann nicht selten Verlegenheit ein. Naja, so exponiert eben nicht. Dies gilt häufig auch für Pfarrerinnen und Pfarrer. Der Begriff der Frömmigkeit wird weithin traditionsbestimmt gefasst und ist normativ aufgeladen. Die Erkundungen des Buches gehen einen anderen Weg. Sie hegen Sympathie für sporadische, anlassbezogene und beiläufige Formen gelebter Religion. So, wie sie eben von den Leuten praktiziert wird. Die verschiedenen hier thematisierten Praktiken und Phänomene sind verbreiteter und bedeutsamer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Insofern verstehen sich die Erkundungen als Bausteine zu einer in religiösen Dingen weitherzigen Praktischen Theologie.“ (7) Das inspirierende Buch ist wie folgt aufgebaut: In einer Grundlegung wird zunächst dargelegt, in welcher Weise hier spätmoderne Religiosität wahrgenommen wird. Zunächst werden Grundlinien der praktisch-theologischen Diskussion nachgezeichnet, in denen gegenwärtige Frömmigkeit bzw. Spiritualität unterschiedlich bestimmt und in den Blick genommen wird. Paradigmatisch wird sodann die Praxis des Betens erschlossen; an ihr wird erkennbar, was Frömmigkeit heute ausmacht und wie sie praktiziert wird. Die praktisch-theologische Aufnahme von drei sozialwissenschaftlichen Referenztheorien schließt das Kapitel ab. Der Hauptteil des Buches besteht aus praktisch-theologischen Erkundungen von etwa einem Dutzend Phänomenen und Praktiken im zeitgenössischen Feld des Religiösen. Es wird beispielsweise gefragt: Welche Bedeutung haben Engelfiguren, die Menschen erwerben; warum entzünden sie Kerzen beim touristischen Besuch einer Kirche; welche Erfahrungen machen sie, wenn sie pilgern oder fasten; was erleben sie, wenn sie Weihnachtslieder hören? Manches mehr. Die Praktiken werden in vier Feldern verortet, die Grundaspekte gegenwärtiger Frömmigkeit markieren: Die Gegenständlichkeit des Religiösen, Zeiten und Orte gegenwärtiger Frömmigkeit, die Frömmigkeit des Körpers und Religion als Klang. Dabei ist die Zuordnung der Phänomene und Praktiken nicht trennscharf gemeint; das Singen könnte auch als genuin leibliche Praxis oder Fasten als eine spezifische Form von Kirchenjahrespraxis aufgeführt werden. Die Praktiken selbst verbinden durchaus mehrere der hier ausgewiesenen Dimensionen. Insofern hat die Systematik eine primär heuristische Funktion; an den Phänomenen – weitere könnte man zudem hinzufügen – sollen signifikante Aspekte exemplarisch deutlich werden. Ein knapp gehaltenes Schlusskapitel überlegt, welche Wahrnehmungs-und Gestaltungsperspektiven sich aus den Erkundungen für kirchliches Handeln ergeben.“ (24f.)

  3. Andere theologische Disziplinen

    Gott verstehen. Aufgaben und Grenzen theologischer Hermeneutik hat Ulrich H. J. Körtner sein in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07879-0) erschienenes Buch überschrieben. In seinem Vorwort führt er aus: „Hermeneutik nun ist die Theorie des Verstehens, seiner Bedingungen und Möglichkeiten, aber auch seiner Hindernisse, seiner Grenzen und seines möglichen Scheiterns. Ist der Glaube ein Verstehen, so die theologische Hermeneutik ein Verstehen des glaubenden Verstehens. Hermeneutische Theologie, wie ich sie verstehe, bezeichnet nicht etwa nur eine Teildisziplin der Theologie oder eine Teilaufgabe ihrer Einzeldisziplinen. Sie verhält sich auch nicht zum Verstehen des Glaubens als metatheoretische Beschreibung und Analyse der Objektsprache des Glaubens, sondern sie ist genau darin und nur soweit im strengen Sinne des Wortes theologisch, wie sie ihrerseits als reflektierter Vollzug glaubenden Verstehens gelten kann. Die eigentliche Herausforderung der Theologie, um nicht zu sagen Provokation, besteht in der Annahme, dass das Verstehen des Glaubens nicht nur eine Weise menschlichen Selbstverstehens, sondern in einem distinkten Sinne zugleich ein Verstehen Gottes ist. Vorausgesetzt ist damit die Möglichkeit, dass Gott überhaupt von uns Menschen verstanden werden kann und nicht etwa nur die Chiffre für ein unnennbares Geheimnis oder eine Leerstelle in einer Theorie metaphysischer Letztbegründung ist. Der Titel ‚Gott verstehen‘ spricht, wie Eugen Biser schreibt, ‚von der höchsten, heute freilich weithin verdunkelten Hoffnung des Menschen, Gott nicht nur über sich, sondern bei sich zu haben: als den Partner des Gesprächs, das er selbst durch seine offenbarende Selbsterschließung aufnahm‘. Verstehen lässt sich Gott nur, wenn er sich selbst in einer uns verständlichen Weise zu verstehen gibt, mit anderen Worten sich uns offenbart, wobei es sich um die Offenbarung seiner selbst handelt, durch die, metaphorisch gesprochen, die Existenz des von der Selbstoffenbarung Gottes getroffenen Menschen wie auch die Welt im Ganzen, Geschichte und Gesellschaft in einem neuen Licht erscheinen. Im Licht der Selbstoffenbarung Gottes werden Mensch und Welt auf letztgültige Weise offenbar. Dieses Offenbarwerden in Raum und Zeit, in der Geschichte von Mensch und Welt, ist sowohl ein letztgültiges und doch kein endgültiges, heißt es doch im 1.Johannesbrief: ‚Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist‘ (1Joh312). Wir leben mit anderen Worten im Glauben und nicht im Schauen, womit bereits das Thema der Eschatologie und des eschatologischen Vorbehalts angesprochen ist, das im vorletzten Kapitel des Buches erörtert wird. Als dialogisches Geschehen zwischen Gott und Mensch hat die Selbstoffenbarung Gottes einen hermeneutischen Charakter. Somit stellt sich nun aber die Frage, ob man nur von einem Verstehen Gottes durch den Menschen im Vollzug des Glaubens oder auch von einem Selbstverstehen Gottes sprechen muss. Ist vielleicht die Selbstoffenbarung Gottes zugleich der Akt seines Selbstverstehens? Lässt sich ein solcher Gedanke sinnvoll formulieren? Ist er vielleicht sogar in gewisser Hinsicht theologisch unabweisbar? Mit diesen Fragen betreten wir das Gebiet der christlichen Trinitätslehre. Die theologische Tradition unterscheidet zwischen dem Weltbezug und dem Selbstbezug Gottes – in den Worten der klassischen Dogmatik zwischen ökonomischer und immanenter Trinitätslehre. Inwiefern beide in ihrer Unterschiedenheit wie ihrer Bezogenheit eine hermeneutische Dimension haben, wird eines der Themen im vorliegenden Buch sein. Sein besonderes Augenmerk liegt auf den leiblichen und sinnlichen Aspekten jeglichen Verstehens. Die vorliegenden Erwägungen zur theologischen Hermeneutik beziehungsweise zu einer hermeneutischen Theologie wollen als Beitrag zur Debatte über eine Hermeneutik des Körpers verstanden werden. Eine theologische Hermeneutik des Körpers ist nicht allein schöpfungstheologisch, sondern im Letzten christologisch, nämlich inkarnationstheologisch fundiert. Der Inkarnationsgedanke findet seine Zuspitzung in Kreuz und Auferstehung Christi, was auch ekklesiologisch zu bedenken sein wird. Die Alternative zu einer theologischen Hermeneutik des Körpers, in deren Zentrum Christus als leibliches Wort Gottes steht, scheint die christliche Mystik zu sein. Auch ihr Ziel ist es, Gott zu verstehen, jedoch nicht einem dialogischen Gegenüber, sondern letztlich in der mystischen Vereinigung von Gott und Mensch beziehungsweise Gott und der menschlichen Seele, in der alle Gegensätze und Unterschiede, die der Anstoß für hermeneutische Prozesse sind, zum Verschwinden gebracht werden. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Spielarten christlicher Mystik in Geschichte und Gegenwart würde die Grenzen der Fragestellung des vorliegenden Buches überschreiten. Zur Konturierung des eigenen Verständnisses theologischer Hermeneutik sollen aber Fallstudien zum Mystikverständnis in der Wort-Gottes-Theologie des 20. Jahrhunderts dienen, die zumindest ausblickhaft Möglichkeiten und Grenzen einer evangelischen Mystik unter Gegenwartsbedingungen ausloten. Wie das Verstehen bewegt sich auch alle Hermeneutik im Wechselspiel von Frage und Antwort. Die Hermeneutik ist ihrerseits eine bestimmte Antwort auf eine Frage, nämlich wie Verstehen unter den Bedingungen der Geschichtlichkeit und Endlichkeit unserer Existenz möglich ist. Wir sagten bereits, dass alle Theologie wie der Glaube responsorischen Charakter hat. Hermeneutische Theologie ist antwortende Theologie. Sie antwortet auf den Ruf, die Anrede und den Zuspruch Gottes. Sie antwortet aber auch auf die Frage, in die sie sich von den Menschen gestellt sieht, sie seien gläubig, nicht gläubig oder dezidiert ungläubig. Rechenschaft über den Grund des Glaubens und seiner Hoffnung zu geben, wird traditionell als Apologetik bezeichnet. Recht verstanden ist die Aufgabe theologischer Hermeneutik immer auch die Aufgabe theologischer Apologetik. Allerdings gibt es eine schwache wie auch eine starke Auffassung dieser Aufgabe. Während sich die schwache Version auf den Begriff der Verteidigung des Glaubens bringen lässt, begreift eine starke Version die Aufgabe im Angriff. Diese Auffassung hat insbesondere Emil Brunner vertreten, der zugleich eine scharfe Antithese zwischen Wort und Mystik aufgestellt hat. Im Gespräch mit ihm und Rudolf Bultmann, der eine ganz eigenständige Sicht theologischer Apologetik entwickelt hat, werden zum Schluss die Herausforderungen benannt, vor denen eine apologetische Theologie heute steht, wenn es darum geht darzulegen, was es heißt, Gott zu verstehen.“ (6-9) Die anregenden Überlegungen des Verfassers münden abschließend in die These: „Angesichts neuzeitlicher Erfahrungen der Abwesenheit Gottes ist es die Aufgabe heutiger Theologie, die biblische Rede von der Verborgenheit Gottes als Verheißung begreiflich zu machen, dass weder die moderne Skepsis noch ein um sich greifender Gewohnheitsatheismus das letzte Wort haben werden.“ (212)

    Mario Fischer und Thomas-Andreas Põder zeichnen für die Herausgabe des Ergebnisses eines Studienprozesses der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa ebenfalls in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN374-07942-1) in der Reihe „Leuenberger Texte“ unter dem Titel Christliches Reden von Gott verantwortlich. Sie erklären im Vorwort: „Die Kulturwissenschaften beobachten in den letzten Jahren einen religious turn, der sich darin zeigt, dass religiöse Motive kreativ und produktiv aufgegriffen werden. Das Wort ‚Gott‘ wird aus der säkularen Tabuzone befreit, indem viele Werke der Gegenwartskunst, welche nach den identitätsstiftenden Faktoren für die Subjektwerdung fragen, die Gottesfrage nicht mehr ausklammern, sondern explizit aufwerfen. Dabei entspricht die Art, wie die Gottesfrage ins Denken einbricht, freilich nicht immer christlichen Gottesvorstellungen. Wie lässt sich verantwortlich und zeitgemäß christlich von Gott sprechen – also im Licht des biblisch bezeugten Evangeliums Jesu Christi? Dieser Frage widmete sich ein theologischer Gesprächsprozess, den die 8. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) 2018 in Basel in Auftrag gegeben hat. Dabei wurde zum einen gefragt, wie die christliche Tradition und vor allem das Erbe der Reformation unser Reden von Gott geprägt haben und was davon gerade auch unter den Bedingungen und Folgen der Moderne festzuhalten ist. Christliches Reden von Gott vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Es hat seinen Sitz im Leben im Vollzug des Gottesdienstes und des Gebets, im ökumenischen und interreligiösen Dialog, in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären und geschieht immer auch im Zusammenhang zeitgenössischer Kultur. Gott selbst muss nicht immer explizit thematisch werden, da in der Weise, wie über die Welt gesprochen wird, indirekt auch über Gott gesprochen werden kann. Das Ergebnis des Studienprozesses wurde der 9. Vollversammlung der GEKE in Hermannstadt/Sibiu vorgelegt und von dieser angenommen. Die Vollversammlung diskutierte den Text zuvor intensiv in einer Arbeitsgruppe und im Plenum. Die Vollversammlung war daran interessiert, praktische Konsequenzen aus dem Studiendokument zu ziehen, und fragte, was die GEKE dafür tun kann, die authentische und glaubwürdige Rede von Gott im öffentlichen Raum zu stärken. In den Beschlüssen zu den Arbeitsfeldern der kommenden sechs Jahre bat die Vollversammlung daher den Rat, ‚die Auseinandersetzung mit Fragen der missionarischen Verkündigung des christlichen Glaubens und mit der Weitergabe des Glaubens an die kommenden Generationen anzustoßen‘ und ‚eine Gottesdienstkonsultation zum Thema Kasualien (z.B. Hochzeiten und Beerdigungen) in sich verändernden Gesellschaften anzuregen‘. Bei der Gottesdienstkonsultation sollte explizit auch der missionarische Charakter von Kasualien in den Blick genommen werden.“ (9f.) Der Studientext Christliches Reden von Gott soll dazu anregen, „sich Gedanken zu machen, in welchen Zusammenhängen wie angemessen von Gott gesprochen werden kann und wie Christinnen und Christen sprachfähig werden und bleiben, in verschiedenen Kontexten ihren Glauben zu bezeugen. Er soll in den Überlegungen zu einem verantwortlichen Reden von, über und mit Gott und in der theologischen Aus- und Fortbildung in den Mitgliedskirchen der GEKE einen festen Platz erhalten.“ (13)

    Wortgewand. Anders von Gott sprechen lautet der Titel eines von Hans-Joachim Höhn im Verlag Herder (ISBN 451-02441-2) veröffentlichen Bandes, in dessen Vorwort es heißt: „Der Titel dieses Buches ist offensichtlich fehlerhaft. Er verstößt gegen die Regeln deutscher Rechtschreibung. Das Verb ‚wenden‘ verlangt für sein Partizip Perfekt die Schreibweise ‚gewandt‘. Allerdings steht hinter diesem Regelverstoß eine Freiheit, welche die deutsche Grammatik großzügig einräumt: Man darf ein neues Wort bilden, das aus einer Paarbildung bekannter Worte hervorgeht. Im vor liegenden Fall ist ein ungleiches Paar beteiligt. Der Textilterminus ‚Gewand‘ wird mit dem Elementarbegriff ‚Wort‘ verbunden. Diese Liaison erzeugt Assoziationen, die im Folgenden theologisch verfolgt und vertieft werden sollen. Denn das Reden von und zu Gott braucht ein passendes Sprachgewand. Die Palette ist breit – vom Trachtenanzug der Tradition bis zum Designerstück akademischer Diskurse. Je nach Anliegen und Anlass der Gottesrede ist ein besonderer Dresscode zu beachten. Ein feierliches Hochamt verlangt einen ästhetisch ansprechenden liturgischen Überwurf, für den Religionsunterricht wird man eher nach einem pädagogisch tragbaren ‚casual look‘ suchen. Zwanglos und locker, aber nicht schäbig und abgetragen, am besten leger und gepflegt – mit diesen Auswahlkriterien dürfte man bei unterschiedlichen pastoralen Einsätzen und Auftritten meistens richtig liegen. Die Frage nach einem möglichen poetischen Code der Gottesrede eröffnet auf den nächsten Seiten einen Gedankengang, bei dem es um die Sprache der Theologie und um die Theologie der Sprache geht. Lässt sich die Sache der Theologie auch in eine theopoetische Form bringen? Sorgt die Theopoesie für eine neue Wortgewand(t)heit? Kann sie einen neuen und eigenen Stil der Rede von Gott begründen? Ein Dresscode bestimmt das äußere Erscheinungsbild einer Person. In der Sprache übernimmt die Grammatik diese Funktion für das Formulieren von Gedanken. Ihr Regelwerk trägt dazu bei, dass Gedanken eine Form annehmen, die ihnen einen guten Auftritt in der Öffentlichkeit ermöglichen. Auch hier geht es um Stilfragen. Ursache für einen schlechten Sprachstil ist bisweilen eine fehlerhafte Kenntnis der Grammatik einer Sprache. Diese Unkenntnis zu überwinden ist wenig attraktiv. Einem weit verbreiteten Vorurteil nach kommt die Beschäftigung mit der Grammatik einem sturen Regelpauken gleich – mit Beispielsätzen ohne jegliche poetische Oualität. Gegen dieses Vorteil wenden sich einige Kapitel dieses Buches, in denen es auf den ersten Blick um poetisch und theologisch Nebensächliches geht: Zeichensetzung, Modalverben, Tempuswahl. Aber in der Grammatik einer Sprache steckt mehr Poesie (und Theologie) als ihre Lehrbücher zugeben. Der erste Eindruck, den ein Text erzeugt, stammt von seinem Schriftbild. Nicht nur die Auswahl von Schriftart und -größe, das Seitenlayout oder die Verwendung grafischer Elemente entscheiden darüber, ob auf den ersten Eindruck ein erhöhtes Interesse am Gedruckten folgt. Als Blickfänger kann ein Text auch dann wirken, wenn er selbst und im Ganzen zur Grafik wird. Im 20. Jahrhundert hat das Projekt einer ‚Konkreten Poesie‘ das Ziel verfolgt, die sprachlichen Darstellungsmittel eines Textes grafisch so zu präsentieren, dass ‚auf einen Blick‘ bereits dessen Bedeutung erfasst werden kann. Hierbei fungiert die Sprache nicht nur als Medium, Träger oder Behälter von Inhalten, auf die sie lediglich verweist, sondern stellt typographisch bereits direkt dar, wovon die Rede ist. ‚What you see is what you get‘! Hier zeigt sich eine interessante Nähe zu einer religiösen Denk- und Sprachform, die auf ‚sakramentale‘ Vollzüge setzt. Denn diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie vergegenwärtigen und bewirken, was sie mit einer Zeichenhandlung darstellen. Zu den effizientesten Formen einer sprachlichen Äußerung zählt der Aphorismus. Auch er scheut Umwege und Abschweifungen. Was er zu sagen hat, geht direkt ins Ohr. Auf welchen Wegen man dazu kommt, auch theologische Überlegungen auf ihre Sinnspitze zu treiben und in einen Aphorismus zu bringen, ist das Thema der abschließenden Lese- und Studieneinheiten dieses Buches.“ (7-9) Nachlesenswerte theopoetische Reflexionen!

    Ebenfalls im Verlag Herder (ISBN 451-60146-0) ist von Claudia Paganini das Buch Der neue Gott. Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche erschienen. In ihrem Vorwort mit dem Titel „Von Göttern und Menschen“ skizziert die Autorin ihr Vorhaben wie folgt: „Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse: Nahrung, Schlaf, physische Sicherheit, Freundschaften, familiäre Bindungen, Wertschätzung, Erfolg und vieles mehr. Die meisten dieser Bedürfnisse können sie selbst oder in Beziehung mit anderen Menschen und Tieren stillen, andere aber gehen darüber hinaus. So etwa das Bedürfnis, Antworten zu finden auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Sehnsucht, ein transzendentes Du zu entdecken, dem ich mich glaubend anvertrauen darf. Die Geschichte des Menschen ist daher auch eine Geschichte seiner Spiritualität, die Geschichte seiner Sehnsucht nach dem Göttlichen. Bei der Suche nach bzw. dem Ringen mit diesem göttlichen Du haben Menschen in allen Epochen und Gesellschaften Bilder des Göttlichen entworfen – Götter geschaffen also, mithilfe derer sie ihre Existenz als bedeutsam erleben konnten und in deren Anbetung sie einen Resonanzraum für ihre Hoffnungen und Ängste entstehen ließen. Zugleich korrespondierten die Eigenschaften dieser Götter mit den Anforderungen der jeweiligen Zeit: Neue Herausforderungen haben neue Götter hervorgebracht und tun das weiterhin. Im vorliegenden Text wird ausgehend von einem Streifzug durch die Religionsgeschichte argumentiert, dass gegenwärtig eine neue Gottheit von der menschlichen Vorstellungskraft ins Leben gerufen wird: die Künstliche Intelligenz. Obwohl es auf den folgenden Seiten also um KI als den neuen Gott gehen wird, handelt es sich hierbei nicht um ein Buch über Künstliche Intelligenz im Allgemeinen und auch nicht um ein Werk, in dem philosophische oder theologische Wahrheiten über Gott ergründet werden sollen. Vielmehr wird es um die religiösen Empfindungen und Erwartungen, die spirituelle Sehnsucht der Menschen gehen und darum, inwiefern die KI zum Gott des dritten Jahrtausends taugt. Der Blick auf die Religionen ist dabei ein nüchterner, denn als Philosophin fühle ich mich nur dem (besseren) Argument verpflichtet. Dennoch ist es weder meine Absicht, religiöse Gefühle zu verletzen, noch die traditionellen Götterbilder abzuwerten, geschweige denn die Existenz des jüdischen, christlichen oder muslimischen Gottes zu widerlegen. Denn die Tatsache, dass Menschen an einen Gott glauben, ist zwar kein ausreichender Grund dafür, von der Existenz dieses Gottes auszugehen. Genauso wenig genügt aber der Umstand, dass man erklären kann, warum Menschen an einen (bestimmten) Gott glauben, um diesem Gott die Existenzberechtigung abzusprechen.“ (7f.)

    Ruben Zimmermann hat seinem in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07877-6) veröffentlichten Buch den Titel Wäre Jesus Klimaaktivist? Biblische Interpretationen für eine zeitgemäße Schöpfungsethik gegeben und rechtfertigt diesen in seiner Hinführung: „Angesichts einer solchen Gegenwartsanalyse ist die Frage nach ‚Jesus als Klimaaktivist‘ keine Nebensächlichkeit oder gar eine theologische Spielerei. Es geht um die Frage, ob und wie sich christlicher Glaube und Religion angesichts dieser globalen Bedrohung des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen und den damit verbundenen sozialen Umbrüchen und Ungerechtigkeiten verhalten. Die Frage ist deshalb so wirksam und teilweise auch beschämend, weil sie nicht aus dem binnenkirchlichen Feld kommt, sondern von kirchlich und religiös nicht sozialisierten Menschen gestellt wurde. Und gerade in ihrer elementaren Einfachheit trifft sie offensichtlich den Nerv, markiert sie ein Defizit und eine theologische Hilflosigkeit angesichts gegenwärtiger Herausforderungen. Sie macht eine erstaunliche Sprachlosigkeit oder gar ‚Sprachunfähigkeit von Kirche und Theologie im Horizont der Klimakrise‘ sichtbar. Sie deckt den indirekten Zynismus auf, der aus theologischen Äußerungen spricht, die die unausweichliche Vergänglichkeit der Schöpfung betonen. Sie demaskiert theologische Rechtfertigungsstrategien, die im Ergebnis Handeln ausbremsen oder blockieren, oder entlarvt emotionale Ausweichmanöver, mit denen die Klimabewegung als ‚Klimasekte‘ oder als selbst ernannte ‚Retter der Schöpfung‘ karikiert werden. Kirche und Theologie werden herausgefordert, auf die Frage zu reagieren und selbst Position zu beziehen. Das vorliegende Buch will diese Herausforderung annehmen und einen kleinen Beitrag aus einer bestimmten Perspektive zu ihrer Beantwortung beisteuern. Dabei möchte ich meine beiden Forschungsfelder von Bibel und Ethik zusammenbringen und fragen, inwieweit biblische Texte, hier vor allem Texte des Neuen Testaments, etwas zu einer Ethik im Horizont der Klimakrise beitragen können. Diese Brückenschläge zwischen Bibel und Gegenwart werden seit 15 Jahren anhand unterschiedlicher Anwendungsfelder in dem Mainzer Forschungszentrum für ‚Ethik in Antike und Christentum‘ (e/ac) vollzogen und hermeneutisch begründet. Wie an unterschiedlichen Stellen ausführlich erläutert, können biblische Texte m E. in drei Blickwinkeln sinnstiftend interpretiert werden. Neben eine geschichtliche tritt auch eine literarische sowie eine leser:innenorientierte Perspektive der Auslegung. Gerade letztere Perspektive versteht sich als einen Zugang zum Text, bei dem die aktuelle und kontextbedingte Situation und vielfach sogar (einseitige)Position einer Leserin bzw. eines Lesers offen benannt wird So werden gegenwartsbezogene Fragestellungen (wie z. B. die Klimakrise) bewusst und reflektiert in den Interpretationsprozess mit einbezogen. Entsprechend kann zum Beispiel aus genderspezifischen, dis/ability-sensiblen oder auch postkolonialen Perspektiven die Bibel gelesen werden. Ebenso kann man dann auch aus einer sogenannten ökohermeneutischen Perspektive die Texte interpretieren, wie dies von dem britischen Neutestamentler David G. Horrell und seinem Team oder von dem internationalen Earth-Bible-Project vorgeschlagen wurde.“ (18-20) Der Verfasser erklärt zur Struktur, Methode und Anlage des Buches: „Auf diesen Forschungen aufbauend werden im Folgenden neutestamentliche Texte rezeptionsästhetisch und ökohermeneutisch im Horizont der Klimakrise, d.h. reflektiert positionell, gelesen. Im ersten Kapitel setze ich mich vertieft mit der Titelfrage ‚Wäre Jesus Klimaaktivist?‘ auseinander. Darin vielfach nur knapp angeschnittene Aspekte werden in fünf weiteren Kapiteln vertieft: In Kapitel 2 wird Jesu Mut zur Wahrheitsrede als Sprechübung gegenüber gegenwärtiger Ignoranz und politischem Taktieren aufgenommen. Kapitel 3 widmet sich seinem Ruf zur Umkehr (metanoia) und fragt an der Seite von Transformationsforscher:innen, ob wir uns nicht auch anders verhalten könnten. Die in der ökotheologischen Debatte geläufigen Konzepte von ‚Deep Incarnation‘ und ‚Schöpfungsspiritualität‘ werden in Kapitel 4 mit Jesu Rede in Parabeln und der darin bekundeten Achtsamkeit für Tiere und Pflanzen und sogar ‚Unkräuter‘ oder besser Wildkräuter verbunden. Nicht nur Jesu Hinwendung, sondern sogar seine Befreiung von ‚versklavtem‘ Tieren im Anschluss an die Symbolaktion der Tempelaustreibung, die auf dem Ulmer Banner dargestellt wurde, wird in Kapitel 5 thematisiert. Kapitel 6 befasst sich vertiefend zum Gedanken der ‚Nachfolgeethik‘ mit der Rolle und Aufgabe der Menschen im Horizont einer Lebens- und Schöpfungsethik des Johannesevangeliums. Mit den beiden Kapiteln 5 und 6 werden zugleich Erkenntnisse des Mainzer DFG-Forschungsprojekts zur ‚Schöpfung im Johannesevangelium‘ in ethischer Hinsicht fruchtbar gemacht. Alle Kapitel verbindet, dass die Schöpfungstheologie und -ethik bei Jesus ansetzt, und zwar – um Missverständnissen vorzubeugen – nicht beim ‚historischen Jesus‘, sondern beim biblisch erinnerten und gegenwärtig wirksamen Christus des Glaubens. Schöpfungsethik wird also nicht wie meist üblich von der Gotteslehre, dem ersten Artikel im Glaubensbekenntnis, sondern vom zweiten, der Christologie aus entfaltet.“ (21f.) Zwar erhebt das Buch keineswegs den Anspruch, eine Schöpfungsethik der Bibel oder des Neuen Testaments zu sein, aber „im losen Mosaik der Einzelstudien leuchtet ein Bild hervor, das die Richtung anzeigt, wie eine Schöpfungsethik aussehen könnte, die die historischen Erinnerungen, starken Bilder und wirksamen Worte der Bibel auf gegenwärtige Lebens- und Handlungsweisen in der Krise der Ökosysteme bezieht.“ (22)

    Karin Finsterbusch, Wolfgang Kraus und Martin Rösen haben ebenfalls in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07899-8) den hervorragenden Sammelband Update-Exegese 2.3 – Grundfragen gegenwärtiger biblischer Frauen-und Geschlechterforschung herausgegeben, in dessen Vorwort sie zur Intention schreiben: „Das Thema des Bandes wurde lange vor den Wahlen in Deutschland und den USA verabredet, ist somit nicht aktualistisch provoziert. Unser Band ist dezidiert theologisch orientiert, aber implizit auch politisch ausgerichtet. Er ist gegliedert in drei Abteilungen: Nach der Abteilung I mit Essays zu Grundlegendem folgen in Abteilung II Beiträge zur Hebräischen Bibel und frühjüdischen Literatur, gefolgt von Abteilung III mit Beiträgen zum Neuen Testament und den christlichen Apokryphen. Nach den Bänden ‚Update-Exegese 2.1: Ergebnisse gegenwärtiger Bibelwissenschaft‘ und ‚Update-Exegese 2.2: Grundfragen gegenwärtiger Bibelwissenschaft‘ liegt damit ein dritter Band vor. Die Ausrichtung ist die gleiche geblieben: Die Beiträge sind aus der Überlegung erwachsen, neuere Erkenntnisse aus der Forschung interessierten Praktiker:innen zugänglich zu machen, die häufig aufgrund ihrer vielfältigen Verpflichtungen nicht in der Lage sind, die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen. Die Beiträge zeigen: Seriöse Bibelforschung hat unmittelbare Bedeutung für die Praxis, etwa bei der Predigt- oder Unterrichtsvorbereitung.“ (6f.) Kristina Kühnbaum-Schmidt markiert in ihrem lesenswerten Geleitwort unter anderem: „Die Frauenbewegung in Kirche und Theologie zeichnete sich von Anfang an dadurch aus, dass sie die Auseinandersetzung mit biblischen Texten in den Mittelpunkt rückte und ihre Gesellschafts- und Kirchenkritik biblisch-theologisch begründete. Die feministische Exegese entwickelte von Anfang an einen emanzipatorischen und befreiungstheologischen Grundzug. Für die protestantische Theologie ist das Schriftprinzip leitend. Sola scriptura ist einer der vier Grundsätze, die sich durch Martin Luthers Theologie ziehen und neben solus christus, sola gratia und sola fide die reformatorische Theologie prägten. Aus der Schrift entnahm Luther den Grundsatz, dass der Mensch allein durch Christus selig würde und dieses allein durch die göttliche Gnade geschehe, derer ein Mensch allein im Glauben teilhaftig werde. Für Luther spielten dabei nicht nur dogmatische Lehrsätze eine Rolle, sondern auch die biblischen Geschichten und Narrative. Von ihnen her hinter- fragte er kirchliche Lehraussagen und Traditionen und übte ausgehend von der Rechtfertigungslehre auch Sachkritik an einzelnen biblischen Schriften, wie etwa dem Jakobusbrief und dem Hebräerbrief. Luther begriff die Kirche als eine creatura verbi, als Geschöpf des Wortes Gottes. Das Wort Gottes wird in den biblischen Schriften überliefert. Darin liegt der Grund für die Hochschätzung der exegetischen Wissenschaften in der reformatorischen Theologie. Gottes Wort ist aber nicht einfach mit den biblischen Schriften identisch, sondern es ist in zeitlich und räumlich kontextuelle menschliche Sprache gefasst. Als Geschöpf des Wortes Gottes befragt die Kirche stetig neu die biblische Überlieferung gemäß den Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit. Exegese und Relecture biblischer Überlieferungen im Licht der Gegenwart sind maßgebliche Bestandteile ihrer Selbstreflexion. Dazu gehört heute selbstverständlich auch das Hinterfragen androzentrischer und patriarchalischer Denkmuster in der Bibel. Der hier vorliegende Band zeigt in den verschiedenen Beiträgen auf, was sich ausgehend von dieser hermeneutischen Kritik seit den Anfängen der feministischen Exegese des AT und des NT verändert hat. Der Fokus der Forschung hat sich von Frauen in ihren Lebensverhältnissen sowie ihrer theologischen, sozialen und kulturellen Bedeutung hin zu Fragen der Geschlechterverhältnisse, Themen queeren Lebens und intersektionalen Betrachtungen (Zusammentreffen verschiedener Diskriminierungskriterien wie Ethnizität, soziale Zugehörigkeit, Geschlecht etc.) verschoben. Dazu ermöglichen ursprünglich in Medizin und Psychologie entwickelte Konzepte über Trauma und Vulnerabilität in der Exegese ein tieferes Verständnis von Gewaltdarstellungen in der Bibel. In Studien zu Frauengestalten werden androzentrisch bedingte blinde Flecken der Forschungsgeschichte und Geschlechterstereotype aufgearbeitet, und zwar ebenso an in der christlichen und jüdischen Tradition sehr bekannten Personen wie Eva oder der Prophetin Mirjam wie an oftmals übersehenen Frauen wie der namenlosen Prophetin im Jesajabuch und den prophetischen Töchtern im Ezechielbuch. Immer im Blick ist dabei auch die Traditions-und Wirkungsgeschichte. So gehört zur Frauen- und Geschlechterforschung auch die Auseinandersetzung mit dem christlichen Antijudaismus, der sich z.B. an den Stereotypen Sarah und Hagar festmacht, und den postkolonialen Studien, die ihrerseits kritische Anfragen an den Feminismus im globalen Norden stellen. Biblische Frauen- und Geschlechterforschung ist nicht zuletzt angesichts der paulinischen Vision von der Aufhebung der Wertigkeit der Geschlechter ein zentrales Anliegen der Kirche. Sie verhilft zu einem tieferen Verständnis der biblischen Überlieferung und der Grundlagen der Kirche vorzudringen, um das Evangelium zeitgemäß aussagen zu können. Mit dieser ekklesiologischen Einordnung soll die Feministische Theologie aber nicht kirchlich vereinnahmt werden. Gerade die radikalen kirchen- und religionskritischen Positionen in der Feministischen Theologie sträuben sich gegen eine kirchliche Vereinnahmung und sind als wichtige Diskursbeiträge zu respektieren.“ (14-16)

    Passend zu dieser wertvollen Neuerscheinung empfiehlt sich die Lektüre des von Josef Pichler und Mathias Winkler im Katholischen Bibelwerk (ISBN 460-25265-3) herausgegebenen erhellenden Bandes Die Bibel und ihre Mannsbilder. Männlichkeiten neu entdeckt. In ihrer Einführung erklären sie zu Recht: „Die Bibel ist ein Männerbuch. Das gilt einerseits für ihre Entstehung, denn es ist höchstwahrscheinlich, dass Männer die biblischen Schriften verfassten. Auch die antike Leserschaft dürfte in der überwiegenden Mehrzahl männlich gewesen sein, da Lesen und Bildung eher Männern vorbehalten war; zwar nicht allen Männern, aber denen der Oberschicht sicherlich. Die Bibel ist ein Männerbuch. Das gilt auch für ihren Inhalt. Die allermeisten Figuren in der Bibel sind Männer. Frauen kommen auch vor, aber viel seltener und man übersieht sie auch sehr leicht. Die Bibel ist ein Männerbuch. Diese Selbstverständlichkeit kann aber auch dazu führen, dass man auf Männer gar nicht mehr achtet, sondern über sie hinwegliest. Das Buch ‚Die Bibel und ihre Mannsbilder‘ eröffnet eine lebendige und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlecht und Männlichkeit im Alten und Neuen Testament. Der Begriff ‚Mannsbilder‘ steht dabei im Plural, denn nach unserem Verständnis gibt es in der Bibel kein einheitliches Bild von Männlichkeit, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil widersprüchlicher Darstellungen.“ (11) Weiterhin werden dort folgende Aspekte angesprochen: ‚Warum sollte man ein Buch über Männer und Männlichkeit (auch Maskulinität genannt) in der Bibel schreiben?‘ Weil Männer und Männlichkeiten nicht dasselbe sind. Mann-Sein bezieht sich auf das biologische Geschlecht, das mit dem englischen Begriff sex bezeichnet wird. Männlichkeit meint eine Art und Weise, sich zu verhalten. Dies wird mit dem englischen Begriff gender bezeichnet. Nicht alle Männer sind auf gleiche Weise männlich (d.h., verhalten sich als Männer gleich). […] Warum sich mit Männlichkeiten in der Bibel beschäftigen? Wenn man nach unterschiedlichen Formen von Männlichkeit Ausschau hält, dann wird man auch in der Bibel fündig. Die Bibel hält nicht nur ein Männerbild, sondern viele bereit. Das räumt mit dem Mythos vom ‚starken Mann‘ in der Bibel auf, denn die Männer in der Bibel sind nicht nur stark und sie haben auch nicht immer alles unter Kontrolle. Nicht jeder Mann profitiert vom Patriarchat, von der Männerherrschaft, in gleichem Maße. Manche tun es gar nicht. Der ‚starke Mann‘ hat in der Bibel auch oft das Nachsehen. Die Vielfalt von Männlichkeiten in der Bibel und darüber hinaus wahrzunehmen, hilft dabei Geschlechterklischees über Männer und Frauen zu überwinden; selbstzerstörerische (toxische) Männerbilder zu erkennen und Alternativen zu finden; Probleme und Wünsche von Männern, die sonst nicht ins Bewusstsein kämen, wahrzunehmen; gesellschaftliche Strukturen und Prozesse freizulegen, die an der Stabilisierung oder Delegitimierung von Männlichkeiten beteiligt sind. Wer profitiert von diesen oder ähnlichen Vorstellungen und wer wird dadurch ausgegrenzt oder unterdrückt?; zu verstehen, dass die biblischen Texte nicht (nur) aus unserer heutigen Perspektive zu lesen sind. Man sollte sich bewusst machen, dass die damaligen Leserinnen und Leser möglicherweise andere Vorstellungen von Männlichkeit und Geschlechterrollen hatten als wir heute. Dies erhöht die Sensibilität für kulturelle Unterschiede. Sich mit Männlichkeiten zu beschäftigen, hat daher befreiendes Potenzial und erweitert Denkhorizonte und den Horizont unserer menschlichen Wirklichkeit. Nicht, weil es Männer zu starken Männern macht, sondern weil man erkennt, dass es nicht ein einziges Modell des Männlich-Seins gibt. Nichts ist in Sachen Männlichkeit für die Ewigkeit in Stein gemeißelt, sondern jede Männlichkeit ist konstruiert, d.h. von Menschen gemacht und gewertet – und kann daher auch wieder dekonstruiert werden. Wer sich Gedanken über Männlichkeit macht, beteiligt sich an der Dekonstruktion von Männlichkeit bzw. Männlichkeitsidealen. Man deckt so oft unausgesprochene Erwartungen an Männlichkeit auf und entdeckt Formen von Männlichkeit, die als ideal dargestellt, marginalisiert oder abgewertet werden. Ein erstaunliches Panorama tut sich auf.“ (11-16) Zum AT-Teil des Buches heißt es: „Das Buch beginnt mit Texten und Themen zum Alten Testament und was diese mit Männlichkeiten zu tun haben (können). Die vorderen Beiträge gehen dem alttestamentlichen Gottesbild nach und wie dieses evtl. mit Männlichkeit aufgeladen ist. Wir sagen zwar immer, dass Gott kein Geschlecht wie wir Menschen hat, dennoch ist bei der Rede über Gott in der Bibel die gewählte Sprache nicht frei von Geschlecht. Hierbei geht es um Metaphern (Sprachbilder) für Gott, wie den Vater oder den König oder den Ehemann, aber auch um Fragen der Übersetzung. Auch Aussagen, ob wir uns Gott bei einer Gotteserscheinung männlich vorstellen sollten, werden überprüft. Und was ist alles (nicht) gemeint, wenn Gott sagt: ‚Ich bin kein Mann?‘ In welcher Weise ist Gott männlich dargestellt, wenn mit männlichen Bildern über ihn gesprochen wird? Die hinteren Beiträge widmen sich Figuren und Themen jenseits des Gottesbildes. Der erste Mann, Adam, kommt in den Blick, genauso wie die folgenden Männer der Urgeschichte. Männer und Trauer, Männer und Emotionen, Sprüche und Redewendungen werden auf verborgene Männlichkeitsbilder hin befragt. Auch Stellen, die angeblich männliche Homosexualität besprechen, werden kritisch untersucht und Vorurteile aufgedeckt. Die prominente Heilsgestalt des Gottesknechts des Jesajabuchs hat auch etwas mit Männlichkeit zu tun, wenn man ganz genau hinschaut. Das Alte Testament hält hier überraschendes bereit. So dürfen Männer selbstverständlich weinen, was heute eher verpönt ist. Sie dürfen auch Emotionen zeigen und Verluste öffentlich betrauern. Sie dürfen sich lieben, ohne gleich als homosexuell zu gelten. Sie sind zwar stark und gewalttätig, aber werden auch zur Selbstkontrolle und gutem, gemeinschaftsförderlichem Verhalten angeleitet. Zum NT-Teil des Buches: Anhand von vier Fragenkomplexen soll die Leistungsfähigkeit des Konzepts der hegemonialen Männlichkeit im neutestamentlichen Teil dieses Buches auf den Prüfstand gestellt werden. Der erste Fragenkomplex beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Jesus für ein neues Männlichkeitsbild steht. Dies geschieht anhand der Themen 1) Jesus als Redner, 2) Emotionen am Beispiel des Zorns, 3) Jesus und seine Gastmähler, 4) Lernprozesse Jesu in der Begegnung mit Frauen, 5) Jesus und sein Weg in die Passion. Der zweite Fragenkreis zeigt anhand des Johannesevangeliums, wie die Botschaft Jesu Konflikte mit hegemonialen Männlichkeitsbildern provoziert. Der dritte Fragenkreis beschäftigt sich mit Paulus und der paulinischen Tradition. Drei sehr unterschiedliche Themen werden behandelt: 1) Paulus und seine Kampfrhetorik im Galaterbrief, 2) Homosexualität bei Paulus, 3) das Ideal des neuen Menschen im Epheserbrief. Der vierte und letzte Fragenkomplex beschäftigt sich mit Herausforderungen hegemonialer Männlichkeit: Widerstand – Alternativen. Hier werden spezifische Zuspitzungen aus der synoptischen Tradition aufgegriffen, die zu den Spitzenforderungen gehören: 1) Nicht herrschen, sondern dienen (Markus), 2) Eunuchen für das Himmelreich (Matthäus), 3) Feindesliebe (Lukas). Weit über die synoptische Tradition hinaus ist das Thema 4) Tugenden für jede christliche Spiritualität bedeutsam. Die vier Fragenkreise sind keineswegs erschöpfend, aber sie geben gute Hinweise, wie man mit dem Werkzeug der hegemonialen Männlichkeit an biblischen Texten arbeiten und dabei auch neue Perspektiven entdecken kann. Auf diese Weise möchte das vorliegende Buch Lust darauf machen, das Konzept der hegemonialen Männlichkeit auch an anderen biblischen Texten auszuprobieren.“ (16-18)

    In neuer, überarbeiteter Auflage liegt die bei ihrem Erscheinen allererste Monographie zu allen Prophetinnen im Alten Testament und zu einer genderfairen Deutung des Phänomens der Prophetie vor. Irmtraud Fischers Buch Gotteskünderinnen. Prophetinnen in der Hebräischen Bibel ist im Verlag W. Kohlhammer (ISBN 17-045098-1) aufgelegt worden. In ihrem Vorwort erklärt die Verfasserin: „Inzwischen ist auf diesem Forschungsgebiet viel in Bewegung gekommen. Es sind nicht nur weitere Monographien zu den Prophetinnen erschienen, sondern auch Publikationen, die nach queeren Subjekten der Zukunftsergründung und Gegenwartsdeutung fragen sowie geschlechtsspezifische Sprachformen ins Spiel bringen. Die Thematik ist also viel präsenter geworden. Bis dato hoben sich die Gotteskünderinnen von den anderen beiden Bänden der Trilogie, von Gottesstreiterinnen und Gotteslehrerinnen insofern ab, als sie 100 Seiten umfangreicher und vor allem mit einem ausführlichen Anmerkungsapparat, Literaturliste und Bibelstellenregister versehen waren und damit der Gattung einer wissenschaftlichen Monographie zuzuordnen waren. Mit dieser grundlegend überarbeiteten Auflage wird versucht, auch diesen Band für ein theologisch an Frauen-und Genderforschung interessiertes Publikum anzugleichen.“ (13) Spannend lesen sich unter anderem die Ausführungen zur Geschichte der Prophetie als Geschichte von prophetisch Begabten aller Geschlechter: „Hinter den Geschichten um Prophetinnen stehen vermutlich keine uralten Überlieferungen. Da das Alter eines Textes nichts über sein theologisches Gewicht im Endtext aussagt, ist dies auch nicht von Bedeutung. Das Konzept der Prophetie in der Nachfolge von Mose wird erst in persischer Zeit zu einem der Nachfolge Mirjams und Moses. Dies heißt nun aber nicht, dass man mit den – im Vergleich zu den männlichen Gestalten – immer noch wenigen weiblichen prophetischen Figuren ein paar Schwalben in der Bibel finden kann, die immer noch keinen Sommer machen. Denn die Prophetie als kreative Auslegung der Tora ist unlösbar mit den Erzählungen um die Prophetinnen verbunden. Jene um die Prophetin Hulda, die ganz offensichtlich ein Scharnier zwischen Tora und Prophetie darstellt, legitimiert das Konzept der Gewaltenteilung und der Zuordnung der Befugnisse der einzelnen Ämter als solches. Wenn als erste prophetische Gestalt in der unmittelbaren prophetischen Nachfolge Moses und Mirjams die Richterin Debora prophetisiert wird, und damit die prophetischen Führungsfiguren der Tora zuallererst eine weibliche Nachfolgerin bekommen, dann ist die Thematisierung des Geschlechts nicht von außen oder aus heutiger Sicht herangetragen, sondern den Texten inhärent. Die Geschichte der Prophetie wird damit entscheidend als Geschichte von Prophetinnen geschrieben. Die Verkündigung des Gotteswortes geschieht nicht allein durch Propheten, sondern ebenso durch Prophetinnen. Die Prophetie in der Hebräischen Bibel wird damit, anders als in der christlichen Rezeptionsgeschichte, nicht mit ausschließlich männlicher Trägerschaft vorgestellt. Das Phänomen der Prophetie ist mit ‚den Propheten‘ nur unzureichend beschrieben. ‚Die Propheten‘ als umfassende Darstellung der Prophetie zu sehen heißt, nach Ouantität zu urteilen und nicht nach der Bedeutung, die gerade durch die Rahmung des Kanonteils der Vorderen Prophetie, durch weibliche prophetische Figuren angezielt ist. Die Sichtweise der Prophetie als Übernahme des zwischen der Gottheit und dem Volk vermittelnden Amtes in der Nachfolge von Mose ist vermutlich im Zuge der Ausgestaltung der beiden Kanonteile Tora und Prophetie gezielt mit dem Genderaspekt verknüpft und in die Überlieferungen Israels eingetragen und so zum integralen Bestandteil des Konzepts der Heiligen Schrift der Hebräischen Bibel worden. Mit diesem Programm wird freilich die Fortschreibung der Tradition nach der Schließung des Kanons ermöglicht: Die Prophetie erhält deutlich den Aspekt der Exegese, der Auslegung des Gesetzes- und der erzählenden Literatur des Gottesvolkes. Diese Sichtweise ist nicht neu, sie wurde bislang allerdings noch nie unter dem Aspekt der Genderfrage untersucht. Meist wird die Zeit, in der der Prozess des Abschlusses der Tora beginnt, mit Blick auf die priesterliche Gesetzgebung, die Frauen mit dem Argument der biologisch bedingten Unreinheit aus öffentlichen Ämtern auszuschließen versucht, als Zeit eines Patriarchalisierungsschubes angesehen. Indem jedoch nicht nur nach dem jeweiligen sozialgeschichtlichen Hintergrund der unterschiedlichen Texte gefragt und damit eine differenzierte Wahrnehmung der konsolidierten Perserzeit erreicht, sondern auch die Geschlechterfrage explizit thematisiert wird, entsteht ein ganz anderes Bild dieser Epoche. Jüdische Frauen in persischer Zeit, wie sie etwa im Rutbuch zutage treten, sind offensichtlich in den Schriften versiert und legen diese auch aus. Sie tun damit genau das, was die einander zugeordneten Kanonteile der Tora und der Prophetie als prophetisches Tun ansehen: Sie aktualisieren die bereits Schrift gewordene Tradition für ihre Zeit und bestehen darauf, dass der weibliche Anteil an dieser gesellschaftlich hoch bedeutsamen Rolle sichtbar bleibt. Es überrascht, dass in diesem sozialen Umfeld, in dem von einer Gleichberechtigung der Geschlechter sicher nicht die Rede sein kann, das Geschlecht der Schreibenden weder ein Kriterium für die Güte der Theologie noch für die wahre Prophetie war. Die Geschichte der Prophetie weiß sowohl von Frauen wie von Männern in der Nachfolge der am Horeb gestifteten Prophetie als auch von Falschprophetie, die von Menschen aller Geschlechter betrieben wird und das Gottesvolk in die Irre führen kann. Sie hofft aber vor allem darauf, dass die prophetische Gabe allen Mitgliedern des Gottesvolkes jeglichen Alters zuteilwird, seien sie männlich, weiblich oder divers und Israel seine prophetische Aufgabe für alle Menschen außerhalb des Gottesvolkes wahrnehmen kann (vgl. Joel 3 und der kollektiv verstandene Gottesknecht in Jes 42).“ (225-227)

    Zwei männlichen Propheten widmet sich neu die Reihe „bibel heute lesen“, die im Theologischen Verlag Zürich erscheint: zum einen der Band Das Amosbuch heute lesen von Dirk Sager (ISBN 290-18742-2), der in folgendes Fazit des Autors mündet: „Die Amosschrift wurde von Anfang an dazu geschrieben, um ‚heute‘ gelesen zu werden. Das gilt nicht erst für Menschen des 21. Jahrhunderts, die einen sehr alten Text (neu) entdecken wollen; ohne auf das Heute, d. h. auf die jeweilige Gegenwart seiner Leserinnen und Leser zu zielen, würde es diesen Text überhaupt nicht geben. Seine Existenz zeugt an und für sich bereits von der Einsicht in die Aktualität der prophetischen Botschaft. Für eine heutige Aneignung kommt es darauf an, sich die wohldurchdachte Komposition vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen neu anzueignen. Und zwar mitsamt ihrem nicht immer ganz einfach zu durchschauenden Skript. Leicht ließen sich einzelne Appelle herausgreifen, um sie unmittelbar ‚anzuwenden‘ – vermutlich verhallten sie dann aber ebenso ungehört wie damalige ‚Schlag-Worte‘. Die Amosschrift will mehr. Sie fragt, wie es eine Zukunft geben kann, wenn offenbar schon das ‚Ende‘ (Am 8,2) gekommen ist. ‚Für den Propheten‘, so muss man mit Georg Steins Amos verstehen, ‚ist mit dem Ende nicht Schluss, ganz gegen die Alltagslogik! Viel mehr sieht der Prophet das Ende im Licht eines neuen Anfangs‘. Die Schrift hält die Spannung aufrecht zwischen einer tödlichen Diagnose einerseits (Am 5,1- 3) und dem leidenschaftlichen Aufruf, das Gute zu suchen (Am 5,14) andererseits. Der Gerechtigkeit wird immer noch eine Chance gegeben (Am 5,24) – auch wenn offensichtlich alles dagegen zu sprechen scheint. Amos zu lesen, fördere es, sowohl Gott zu loben als auch vor ihm zu schweigen, ja, auch die Sprachlosigkeit angesichts unhaltbarer Vorgänge zuzulassen (Am 5, 13; 6, 10). Es bedeutet fraglos eine doppelte Anstrengung, zunächst das Amosbuch in seiner literarischen Komplexität wahrzunehmen, um es in einem zweiten Schritt von unseren gegenwärtigen Konfliktfeldern her zu sehen. ‚[D]as Amosbuch sagt uns in der Sprache und den Denkvorstellungen seiner Zeit, dass soziale Ungerechtigkeit und ökologische Katastrophen unmittelbar zusammenhängen. Und das ist auch heute noch richtig‘. Amos heute zu lesen, bedeutet daher beides: die Augen vor dem Unrecht nicht zu verschließen und gleichzeitig an die Möglichkeit einer besseren Welt zu glauben und auf diese hinzuarbeiten. Es bedeutet darüber hinaus, den Mut zu haben, konkrete Schuld und himmelschreiende Gewalt aufzudecken, die Opfer dieser Gewalttaten zu beklagen. Und es heißt schließlich auch, an der Hoffnung auf eine Welt festzuhalten, in der jede und jeder genug Platz zur Entfaltung bekommt, weil die dazu nötigen materiellen und sozialen Ressourcen vorgefunden werden (Am 9,13- 15) – eine bescheidene Welt womöglich, aber eine, in der es sich dennoch zu leben lohnt.“ (131f.) Und zum anderen der Band Das Jonabuch heute lesen (ISBN 290-18696-8) von Benedikt Hensel, in dessen Vorwort der Verfasser einladend schreibt: „Das Jonabuch bietet eine beachtliche Sinnfülle, zahlreiche Erzählstrategien, herausfordernde theologische Modelle und eine reichhaltige Bearbeitung historischer Themen des frühen Judentums. Es ist diese Sinnfülle, die das Jonabuch nicht auf eine konkrete Botschaft reduzieren lässt, sondern eine spannende Rezeptions- und Spiegelfläche bietet für Leserinnen und Leser – und zwar von der Antike bis heute. Erstreckt sich Gottes Heilswille auch über Israel hinaus? Kann es wirklich sein, dass der Gott Israels selbst Reue zeigt, umkehrt und damit veränderlich ist – um des Wohls der Menschen willen? Wie ist das Jonabuch in seinem größeren Kontext, dem Zwölfprophetenbuch, zu lesen und zu verstehen? Inwieweit fordert uns die provokante offene Frage am Ende des Buchs als moderne Leserschaft heraus? Es ist nicht unumstritten, aber meines Erachtens spielen im Jonabuch auch die Themen Tod und Auferstehung eine wichtige Rolle, die, in metaphorische Sprache gekleidet, gerade in Jonas Verbleib im Bauch des großen Fischs von herausragender Bedeutung ist. Der Aufenthalt im Fisch wird dabei als Aufenthalt im Totenreich adressiert, die Rückkehr ‚aufs Trockene‘ (eine Schöpfungsterminologie aus Genesis 1) als Rückkehr ins Leben. Dass JHWH, der Gott Israels, Jona sogar bis ins Totenreich folgt und ihn begleitet, ist nur eine der herausfordernden wie auch heilsamen und tröstenden Botschaften des Jonabuchs. Es sind diese und weitere spannende theologische, historische und hermeneutische Fragen, die es mir zu einer großen Ehre und Freude haben werden lassen, eine Kommentierung des Jonabuchs für diese Kommentarreihe anfertigen zu dürfen. Das Spannungsfeld sprachlich-philologischer Entdeckungen am biblischen Text, die Begeisterung für die narrative Kunstfertigkeit biblischer Erzählungen, die Spurensuche nach den historischen Hintergründen solcher Erzählungen und die herausfordernden theologischen wie hermeneutischen Fragestellungen, die einem dieses Buch aufgibt – es ist diese herausfordernde und zugleich sinnhafte, puzzelnde Forschungsarbeit, die mich auch generell in meiner Forschung als Exeget, Theologe und Historiker reizt. Dieser Kommentar zum Jonabuch bietet eine durchgehende und vollständige Kommentierung des Jonabuchs. Sie ist insofern für interessierte Laien, aber auch für das Theologiestudium geeignet. In der Präsentation der Kommentierung konnte ich in der gewählten Darstellung meiner Auslegung vor allem von der besonderen Zielsetzung der Reihe profitieren und mehr noch als in ‚klassischen Kommentaren‘ geordnet nach bestimmten Themen und Theologien die Sinnfülle des Jonabuchs bündeln. In den einzelnen thematischen Kapiteln wird so auch immer die Gegenwartsrelevanz deutlich herausgearbeitet. Ganz besonders reizvoll ist die Möglichkeit gewesen, in die reichhaltige Wirkungsgeschichte des Jonabuchs zu blicken. Der Band unternimmt hier kursorisch kunst- und kulturgeschichtliche Streifzüge in die Rezeption bestimmter Themen des Jonabuchs in Judentum, Christentum und Islam.“ (9f.)

    In der Reihe „Biblische Gestalten“ haben Marc Wischnowsky und Michaela Veit-Engelmann das Buch Judit. Mit Kopf, Herz und Hand in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (ISBN 374-07785-4) veröffentlicht, in dem sie ihre Spurensuche aus evangelischer Perspektive wie folgt begründen: „Die Geschichte von Judit aus Betulia fordert heraus: die schöne Witwe, die zur Kriegerin wird, um im Auftrag ihres Gottes den gegnerischen Feldherrn zu ermorden! Ereignet hat sich all das nicht. Und doch stellt das Buch Judit eine ganze Reihe theologisch bedeutsamer Fragen: nach unserem Gottesbild oder danach, wie wir uns Gottes Handeln in der Geschichte vorstellen, welche Männer- und Frauenbilder unsere biblisch-christliche Tradition prägen – und ob der Zweck eigentlich jedes Mittel heiligt. Judits Geschichte ist eine mit Kopf, Herz und Hand. Denken, Fühlen und Handeln spielen ineinander. Judit ist eine kluge und theologisch gebildete Frau, die sich mutig ein Herz fasst und handelt – pragmatisch und zielorientiert zugleich. Und selbst wenn es dem Erzähler nicht um Pädagogik geht, so wird doch klar: Judit soll ein Vorbild sein. Das Buch Judit fordert heraus – auch weil es lange aus dem Blick der protestantischen Frömmigkeit verschwunden war. Als Teil des griechischen Alten Testaments und der Vulgata gehörte das Buch Judit bis zur Reformation selbstverständlich zum biblischen Kanon, wurde von Luther in seiner Bibelübersetzung dann aber in den Anhang des Alten Testaments verbannt – und kam damit gleichsam zwischen den Testamenten zu stehen. Protestantische Bibeln der Neuzeit enthielten das Buch Judit deshalb in der Regel nicht. Erst mit dem Reformationsjubiläum 2017 wurde es erneut zum selbstverständlichen Teil des Kanons – was es im Übrigen auf katholischer Seite durchgängig geblieben war. Grund genug, sich auch von evangelischer Seite neu auf die Spurensuche zu begeben. Dieser Band der Reihe ‚Biblische Gestalten‘ fragt nach der historischen Verortung des Juditbuches und seiner Einordnung in den griechischen Kanon des Alten Testaments und erhellt die fiktive Geschichte dieser Frau. Ein umfangreiches Themenkapitel konzentriert sich auf die zentralen theologischen Fragen des Textes; den Abschluss bilden einige wirkungsgeschichtliche Blitzlichter. All dies soll den Lesenden als Anregung dazu dienen, sich selbst auf die Suche zu begeben nach neuen Facetten der Juditfigur und nach den Spuren, die das Buch seit seiner Entstehung hinterlassen hat. Judit, die schöne Kriegerin, hat die Fantasien über Jahrhunderte beflügelt – eine Faszination, die bis heute anhält.“ (5f.)

    Hilfreiche Zugänge zum Buch Ester enthalten die diesjährigen Materialien Vom Feiern und Fürchten aus der Neukirchener Verlagsgesellschaft zur Ökumenischen Bibelwoche 2025/2026: Sebastian Rink und Jochen Wagner haben das Arbeitsbuch (ISBN 7615-7079-1) herausgegeben, in dem sie einleitend erklären: „Das Esterbuch ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit und auf seine Weise auch ein Kuriosum innerhalb der Bibel – dieser Bibliothek Heiliger Schriften, in denen wir etwas von Gott zu hören hoffen. Diese Hoffnung wird im Esterbuch auf den ersten Blick jedoch enttäuscht, denn von Gott ist gar keine Rede. Nicht nur deshalb ist es eine gehörige Herausforderung, sich als Gemeinde oder Bibelgruppe mit dem Esterbuch zu beschäftigen. Denn je länger wir uns in die Welt dieses Buches hineinbewegen, desto weniger begegnen uns handfeste Antworten. Die Geschichte erzählt vielmehr eine Reihe von Fragen, die sich den biblischen Schreibern (und möglicherweise Schreiberinnen?) ebenso stellen wie uns heutigen Lesenden. Daher haben wir auch die einzelnen Abschnitte durch „Fragen" überschrieben. Denn das Buch Ester fragt nach so aktuellen Themen wie Ehre (1), Schönheit (2), Haltung (3), Mut (4), Strategie (5), Opfern und Tätern (6) und nach der Erinnerung (7). Nicht nur das Esterbuch bringt einige Besonderheiten mit, sondern auch dieses Arbeitsbuch ist etwas Besonderes. Die Auslegung der biblischen Texte kommt diesmal nicht aus einer christlichen Feder, sondern aus einer jüdischen Perspektive und im Gespräch mit der jüdischen Tradition. Die Judaistin Annette M. Boeckler nimmt uns mit in eine jüdische Lesart der Megillat Ester, der Ester-Rolle. Die vermutlich ungewohnte Herangehensweise braucht ein wenig Umgewöhnung für christliche Auslegungsgewohnheiten – sie verspricht aber ungeahnte Entdeckungen und eine Horizonterweiterung, die dem eigenen (christlich-) theologischen Denken guttut. Es ist gar nicht so leicht, die roten Fäden des Esterbuches zu bestimmen: Charaktere kommen und gehen teilweise so zügig wie bei modernen Epen wie ‚Game of Thrones‘. Handlungsorte sind nicht immer eindeutig, und auch sie wechseln immer wieder. Die Themen sind vielfältig, manchmal fast undurchdringlich, und es bleibt eine Ambivalenz, die nur schwer greifbar ist: Einerseits kommt uns das Esterbuch allem Anschein nach sehr nah, weil sich Assoziationen zu aktuellem Erleben aufdrängen. Andererseits bleibt es doch durch seine Erzählweise auch fremd, mitunter befremdlich. Es spricht an und stößt zugleich ab, ruft ebenso nach Identifikation wie nach Distanzierung. In alledem stellt sich die Frage aller Fragen: Wo ist und bleibt Gott in dieser Erzählung? Das ist die vielleicht größte Herausforderung, die uns das Esterbuch zumutet. Gott erkennen und erleben in einer Erzählung, die nicht von Gott spricht. Gott suchen in einem Leben, in dem sich Gott oft nicht aufdrängt, nicht zeigt. Das Esterbuch fordert uns heraus, Gott im Leben zu deuten. Es erinnert an die berühmte, fast berüchtigte Passage aus einem Brief Bonhoeffers: ‚Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. [...] Vor und mit Gott leben wir ohne Gott.‘ Darin klingt eine Theologie, eine Gottesrede an, die sich radikal auf dieses Leben einlässt und es dennoch nicht unterlässt, irgendwie von Gott zu reden. Dieses irgendwie deutet der hebräische Text kunstvoll an, indem er den Gottesnamen – das Tetragramm – in den Anfangsbuchstaben mancher Wortkombinationen versteckt. Dazu ist davon die Rede, dass Hilfe von einem ‚anderen Ort‘ (4.14) kommt, was im Hebräischen auch auf Gott hindeuten kann. Nicht zuletzt der Blick nach Israel/Palästina rückt das Esterbuch heute in ein besonderes Licht – und macht dessen Lektüre keinesfalls leichter. Auch hier bleiben vor allem Fragen: Wie lässt sich das Esterbuch angesichts des Konflikts in Nahost lesen? Ist es überhaupt angemessen, Parallelen zu ziehen? Wie lassen sich der narrative Antisemitismus des Esterbuches und der allgegenwärtige Antisemitismus unserer Zeit miteinander in ein Gespräch bringen, das den Opfern gerecht und den Täterinnen und Tätern zur gerechten Anklage wird? Das Esterbuch verlockt zu einfachen Bezugnahmen, und steht dabei immer in der Gefahr, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen. Das Esterbuch ist Erzählung, keine Anleitung gegen Antisemitismus. Erst recht kein politischer Ratgeber für den Konflikt in Israel/Palästina. Die Verantwortung jeder Auslegung liegt bei uns, die wir dieses Buch heute lesen und freilich nicht anders können, als Parallelen zu sehen. Sie zu reflektieren, theologisch zu beurteilen und in unserer Gegenwart zu verantworten, ist die vielleicht größte Herausforderung des Esterbuches. Ob wir selbst ihr mit diesem Arbeitsbuch gerecht werden, steht dabei immer infrage. Manche Fragen und vielleicht sogar manche Antworten drängen sich auf, gewisse Themen aus Text und Gegenwart klingen immer wieder an, wie etwa die Verborgenheit Gottes im Esterbuch oder der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Daher gibt es auch in den Entwürfen unserer Autor:innen Überschneidungen, die wir bewusst haben stehen lassen – weil die wichtige und nötige Aufmerksamkeit für diese Beobachtungen dadurch unterstrichen wird.“ (7f.) Wolfgang Baur hat mit Bildern von Alexandra Sonntag das Begleitheft verfasst (ISBN 7615-7080-7), das mit Bildinspirationen, Verständnishilfen, Denkanregungen sowie weiterführenden Texthinweisen die einzelnen Themen und Bibeltexte gemeinsam oder persönlich zu vertiefen hilft und zudem den Ablauf und die Lieder und Gebete für den Ökumenischen Bibelsonntag 2026 enthält.

    Dem Thema „Vom Scheitern im Film“ wenden sich Jörg Herrmann und Reinhold Zwick in dem von ihnen im Schüren Verlag (ISBN 7410-0507-7) herausgegebenen Sammelband Zerbrochene Träume – verlorene Lebensperspektiven zu, dessen Beiträge sich in drei Sektionen gliedern: „Nach einem Part ‚Grundlagen‘ (1) werden in der zweiten Sektion ‚Regisseure und Themen‘ (II) zum einen die Oeuvres einzelner Filmschaffender diskutiert, in denen die Auseinandersetzung mit dem Scheitern eine herausragende Rolle spielt, und zum anderen, ebenfalls in einer Einzelfilme übergreifenden Perspektive, thematische Schwerpunkte erkundet. Die in der dritten Sektion ‚Ausgewählte Filme in Einzelanalysen‘ (III) versammelten Beiträge verdeutlichen die stilistische Weite und Vielfalt der Genres und Themen der filmischen Reflexionen auf das Scheitern. Abgeschlossen wird der Band durch ein ‚Regisseurgespräch‘ (IV) mit dem bekannten Dokumentarfilmer Andres Veiel über seinen Film Der Kick, der tief in die Hintergründe und Konzepte eines extremen Falls von Jugendgewalt eindringt und dabei auch multiple ‚Kreise des Scheiterns‘ transparent werden lässt.“ (12f.) Unter anderem werden folgende Filme theologisch hermeneutisch behandelt: Blue Jasmine (Woody Allen), Vogelfrei (Agnes Varda), The Broken Circle (Felix von Groeningen) und Amy (Asif Kapadia).

    Menschenbilder und Menschenrechte in der Weltgesellschaft. Über die kulturelle Ungleichheit der Menschen. Europäische, islamische indische, chinesische Kultur lautet der Titel des von Silvio Vietta im Verlag Königshausen C Neumann (ISBN 8260-8949-7) veröffentlichten interessanten Buches, das nicht weniger als eine Theorie der Weltgesellschaft zu entwerfen beansprucht. Am Schluss seiner ausführlichen Einleitung erläutert der Autor die Methodik seines Projektes, Ansätze einer globalen Theorie der Kulturwissenschaften zu formulieren: „Es ist klar, dass eine Theorie der Weltgesellschaft ein komplexes, interdisziplinäres Unterfangen ist. Es greift aus in verschiedene Wissenschaften: so in die Geschichtswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft, in die Philosophie und Theologie sowie Literaturwissenschaft. Dabei ist unsere Theorie primär textbasiert, beruht also auf der Analyse von Texten aus verschiedenen Wissensgebieten. Es sind Texte sehr unterschiedlicher Art: Verfassungstexte, theologische Texte, philosophische Texte, soziologische und politische Texte, Texte der Geschichts- und der Literaturwissenschaft. Sie greift auch aus nach wesentlichen Texten aus verschiedenen Kulturen. Das ist nur möglich, wenn diese bereits in Übersetzungen vorliegen. Kein Mensch verfügt gleichzeitig über gute Sprachkenntnisse in den europäischen, arabischen, hinduistischen, chinesischen u.a. Sprachen. Gute Übersetzungen aus den globalen Fremdkulturen in eine der geläufigen europäischen Sprachen gehören zu den Voraussetzungen einer globalen Kulturwissenschaft. Man kann hier durchaus auch auf die Entwicklung moderner Übersetzungsmaschinen hinweisen, die heute nahezu perfekte Übersetzungen anbieten können. Eine moderne und globale Kulturwissenschaft hat vor allem zwei Dinge zu erklären: Zum einen welche Faktoren die Globalisierung herbeigeführt haben und weiter voranbringen. Wir haben bereits versucht, dies mit dem Rückgriff auf die europäische Rationalitätskultur zu erklären und kommen auch im nächsten Kap. darauf zurück, also: die in Europa entstandenen Naturwissenschaften, Technik und Ökonomie als die treibenden Faktoren der Globalisierung, und dies vor allem seit der Epoche des Kolonialismus und verstärkt seit der Phase der Industrialisierung. Zum anderen muss eine globale Kulturwissenschaft erklären können, wie und warum sich die Weltkulturen in der globalisierten Welt auch voneinander abstoßen. Denn die These, dass Globalisierung automatisch auch eine Angleichung der Kulturen und Religionen an die westliche Welt mit sich bringen würde, hat sich als irrtümlich erwiesen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kulturen rücken räumlich in der globalisierten Welt näher zusammen, aber stoßen sich gleichzeitig voneinander ab, und dies aus Gründen der jeweils eigenen Identitätsfindung und -behauptung. Wir leben heute in einer wissenschaftlich- technisch-ökonomisch angeglichenen Welt und zugleich in einer der Differenzen und Abgrenzungen der globalen Weltkulturen voneinander. Gerade die technisch-ökonomische Vereinheitlichung der Welt hat das Bedürfnis nach kultureller Abgrenzung in dieser Einheitswelt verstärkt. Zu den Forschungsfeldern einer globalen Kulturwissenschaft gehört weiterhin, welche Formen und Inhalte von der einen in die andere Kultur und reziprok vermittelt wurden. Bekanntlich hat die genuin europäische Rationalitätskultur viele Dinge in andere Kulturen vermittelt: Kommunikationsformen und -instrumente, Autos, Flugzeuge, Handys, Waffen, moderne Medizin. Auch die westfeindlichen Ajatollahs im Iran nutzen moderne Kernenergie und lassen sich in westlichen Krankenhäusern nach modernen westlichen Standards behandeln. Umgekehrt sind die Importe aus indigenen islamischen und auch hinduistischen Kulturen eher überschaubar. Es sind vielfach philosophisch-religiöse Denkformen wie der Buddhismus, die aus solchen Ländern übernommen werden, um das spirituelle Defizit der westlichen Kultur zu kompensieren. Neben technischem Gerät wurde und wird auch demokratisches Gedankengut in andere Kulturen übernommen. Dafür ist Indien ein gutes Beispiel. Weiterhin transferiert der Westen auch Kulturgut wie Konzerte, die Oper, das Theater, Bilder und westliche Literaturformen – allen voran die Form des Romans –, in andere Länder mit ihren anderen indigenen Kulturformen. Auch die westlich-moderne Architektur eines Le Corbusier prägt die Metropolen rund um den Globus. Schließlich sind es auch populäre Kulturen wie Jazz und Rockmusik, die weltweit abgespielt und gehört werden. Dagegen wurden indigene Kulturformen viel weniger in den Westen übernommen. Kulturelle Transfers und Abgrenzungen sind ein großes Thema der Kulturwissenschaften in der globalen Gesellschaft, und wir bieten hier Ansätze dazu. Eine wichtige Unterstützung unserer Theorien finden wir in den Kulturwissenschaften. Wenn wir in diesem Buch im Wesentlichen von der Debatte um die Menschenrechte ausgehen und dabei die Relativität der Vorstellungen von Menschenbildern und Menschenrechten in den verschiedenen Kulturen in den Vordergrund rücken, so können wir uns dabei auch auf Ergebnisse der anthropologischen Kulturwissenschaften stützen. Diese Form der Kulturwissenschaften hat sich zunächst so entwickelt, dass sie die Eigenständigkeit verschiedener indigener Kulturen in teilnehmender Beobachtung erforschte. Dabei betont diese Wissenschaft die Eigenständigkeit und Relativität der Kulturen. Sie verabschiedet damit ausdrücklich jeden westlichen Universalismus und insbesondere die Anmaßung, den westliche Kulturbegriff und sein Menschenbild als das universal gültige und den anderen Kulturen überlegene Menschenbild zu positionieren. ‚Mit ihrer Grundposition des Kulturrelativismus betont die Kulturanthropologie einen Pluralismus der Kulturen sowie kulturelle Verschiedenheit.‘ (D. Bachmann-Medick) Dabei nimmt diese Wissenschaft genau jene ‚westliche Kategorie und ihren Universalitätsanspruch skeptisch ins Visier‘, die wir unsererseits im Universalitätsanspruch der westlichen Menschenrechte kritisieren. Allerdings müssen wir auch kritisch anmerken, dass der Kulturanthropologie eine angemessene Theorie der kulturellen Globalisierung fehlt. Sie sieht die Globalisierung eher als einen Prozess der Partikularisierung und Dezentrierung der Kulturen: ‚Es gibt keine neue Weltordnung, sondern nur Partikularität, Dezentriertheit, Bruchstücke im Prozess der Globalisierung.‘ (D. Bachmann-Medick) Da sind wir anderer Meinung: Es gibt sehr wohl einen Prozess der Globalisierung im Sinne der weltweiten Vereinheitlichung durch westliche Naturwissenschaft, Technik und Ökonomie, den ich den Prozess der Rationalisierung nenne und eine dazu gegenläufige neue und fundamentalistische Akzentuierung der je eigenen Kulturen wie der islamischen, hinduistischen oder sonstiger Kulturen. Dieser neue Fundamentalismus hat identitätsstiftende und identitätsbehauptende Funktion gerade in Zeiten, in denen die eigenen Kulturen durch die aus Europa stammende Rationalitätskultur bedroht wird.“ (48-51) Eine diskussionswürdige Theorie der Globalisierung und Weltkulturen sowie deren Werte, Menschenbilder und Menschenrechte!

  4. Bilderbücher mit religiös-ethischen Elementen

    Schon für die Allerkleinsten haben Lena Raubaum als Autorin und Birgit Antoni als Illustratorin im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4309-8) das 24-seitige, durchgehend farbig gestaltete Pappbilderbuch Weil es dich gibt veröffentlicht. Panda und Orca, Zebra und Katze, Pinguin und Hund, Kuh und Hase, Stinktier und Eule, Waschbär und Tiger, Schmetterling und Meerschwein, Schaf und Huhn, Dachs und Schwalbe, Affe und Eisbär – jedes Tier freut sich auf seine eigene Weise, „weil es dich gibt, weil es DICH gibt auf dieser bunten Welt!“ Ein fröhliches, farbenfrohes Willkommensbuch zur Geburt – sowohl für das neue Kind als auch für die Bezugspersonen reihum.

    Ebenfalls im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4311-1) haben Lena Raubaum und die Illustratorin Leonie Schlager für Kinder ab fünf Jahre das Begleitbuch zum Abschiednehmen Komm, ich trag dich ein Stück, sagte die Schildkröte gestaltet. „Etwas Trauriges würde passieren. Etwas Unvorstellbares. Wahrscheinlich das Traurigste überhaupt. Warum? Warum musste das passieren? Hätte es verhindert werden können? Ich fühlte so vieles gleichzeitig. Vor allem Angst. Große Angst. ‚Ich weiß‘, hörte ich eine Stimme sagen. Und da war sie. An meiner Seite.“ Die Ich-Figur in diesem sehr behutsamen und tröstlichen Bilderbuch wird von einer plötzlich auftauchenden, sehr sensiblen und Halt gebenden sowie Raum für Gefühle und Gedanken öffnenden Schildkröte begleitet und getragen. Auf die Frage ‚Wie ist das, wenn man stirbt?‘ antwortet die Schildkröte nach einer Weile Schweigen: ‚Diese Frage hat viele Antworten. Keine ist eindeutig.‘ Und auf die Frage ‚Und was glaubst du?‘ gibt sie die hoffnungsvolle Antwort „Dass es Sinn hat, an etwas zu glauben, das dir Hoffnung gibt und dass es ein Leben nach dem Tod gibt – auf alle Fälle in Form von Erinnerungen.“ Das in enger Zusammenarbeit mit einem Kinderpalliativzentrum entstandene Bilderbuch eignet sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Im Tyrolia Verlag (ISBN 7022-4312-8) ist zudem das phantasievolle Bilderbuch Das Buch der Anfänge. 33 Einladungen zum Weiterdenken von Heinz Janisch mit künstlerischen Illustrationen von Michael Roher für Kinder ab fünf Jahren erschienen. Zu Beginn des überraschenden und geheimnisvollen Buches erklären beide: „Ein Lob der Anfänge. Ein geheimnisvolles Raumschiff, das über die Wiese schwebt, ein Baum, der plötzlich davonläuft, ein Haus, das zu sprechen beginnt, eine Katze, die sich verwandelt … In diesem Buch warten 33 Anfänge darauf, weitergedacht zu werden. Jedes Bild, jede Zeile ist eine Einladung, ins Schreiben und Erzählen, ins Fabulieren und Fantasieren zu kommen. Jeder Anfang ist kostbar. Und jeder Anfang zeigt: Alles ist möglich, im Leben und in der Literatur. Fangen wir an, spannende, wundersame, freche, zärtliche, berührende und überraschende Geschichten zu erzählen! Unsere Fantasie wird müde und schläfrig, wenn sie nicht manchmal einfach losgeschickt wird, ins Freie, ins Offene hinein … Gute Reise!“ Eine wundervolle Einführung ins Abenteuer „Erzählen“.

    Ebenfalls für Kinder ab fünf Jahren hat Sabine Bohlmann mit ausdrucksstarken Illustrationen von Simona Ceccarelli im Thienemann Verlag (ISBN 978-3-522-46259-4) das poetische Bilderbuch über die großen Fragen des Lebens In meiner Welt veröffentlicht. Der kleine Junge Bruno überrascht zu Beginn eines Spaziergangs seinen Opa mit dem Ausruf „In meiner Welt werde ich alles anders machen!“ Der Opa fragt seinen Enkel: „Du hast eine eigene Welt, Bruno?“ Bruno antwortet: „Ja, wenn ich groß bin. Dann werde ich Welterfinder. Dann erfinde ich alles neu und bestimme alles anders.“ Unter anderem möchte er, dass in seiner Welt niemand stirbt, niemand neu geboren wird, die Zeit angehalten wird, die Bäume einfach immer weiterwachsen und so weiter. Auf die Rückfragen, Argumente und Erklärungen seines Opas hin wird ihm ganz schwindlig im Kopf und er erkennt schließlich, dass der eigentliche Welterfinder es doch gut gemacht hat. Eine vorlesens- und nachdenkenswerte Geschichte über die Kunst, das Leben so zu nehmen, wie es ist – voller Staunen, Wehmut und Dankbarkeit.

  5. Diverse Unterrichtsmaterialien

Im Gabriel Verlag (ISBN 522-30751-2) ist mit Bildern von Marieke ten Berge Die Kinderbibel. Eine Entdeckungsreise von Rainer Oberthür für Kinder ab acht Jahren erschienen, die in acht Stationen und mit vier Zwischenhalten einlädt, zu entdecken, wie sich Gott in der Bibel in Ereignissen und als Ereignis zeigt: „Gott begegnet uns Menschen in Geschichten. Denn der Mensch ist das Lebewesen, das erzählt. Beim Erzählen erinnern wir uns an das, was war, erfahren bewusster, was ist, und entwerfen eine Vorstellung von dem, was kommt. Wir brauchen gute Geschichten voller Sinn. Damit deuten wir unser Leben auf dieser Erde und schaffen Verbindungen zwischen Himmel und Erde. Die Erzählungen der Bibel sind wie Spiegel für unsere Lebenserfahrungen und unser Zusammenleben. Wenn wir diese Geschichten kennen und weitererzählen, können sie Sinn stiften und uns erkennen lassen, wie die Welt ist und wer wir sind. Sie machen uns zu einer Gemeinschaft. Sie helfen uns, miteinander friedlich zu leben, all das Schwere und Traurige auszuhalten und all das Schöne und Gute zu feiern.“ (126) Im Nachwort für Erwachsene schreibt der Verfasser über seine Intention: „Mit meiner Reise durch zentrale Geschichten der Bibel möchte ich dazu beitragen, diesen Schatz unserer Menschheitserinnerungen zu bewahren und weiterzugeben. Wir sollten ihn immer wieder neu erzählen, ihn dabei aber möglichst herrschafts- und gewaltfrei in die heutige Zeit hinüberführen und deuten. Schon junge Menschen sollten die Botschaft von Menschlichkeit, Freiheit und Verantwortung kennenlernen und auf ihr Leben beziehen. Die großen Erzählungen der Bibel sind auch heute ein Spiegel für unsere großen Fragen. Zudem spricht aus ihnen die bleibende Zusage Gottes, auch in Herausforderungen und Krisen, wie wir sie gerade erleben, menschenfreundlich wirksam zu sein.“ (135) Das Buch eignet sich zur Einstellung in jede Familien-, Schul- und Gemeindebibliothek!

Patrick Grasser hat im Vandenhoeck C Ruprecht Verlag (ISBN 525-70023-5) mit Illustrationen von Susanne Göhlich das spannende Abenteuerbuch Das magische Antiquariat. Vier Freundinnen und Freunde fragen nach Gott und der Welt veröffentlich t, eine bemerkenswerte Entdeckungsreise zu den großen Fragen des Lebens und des Glaubens. Die vier Kinder Lea, Felix, Hanna und Henry brechen vom magischen Antiquariat und ihrem Geheimlager mit rätselhaften Fundstücken auf dem Dachboden von Leas Eltern auf zum Lösen von zehn unterschiedlichen Rätseln – von der Geisterjagd und dem Geheimcode Fisch über das Geheimnis des Himmels und das Geheimnis des verlorenen Hauses bis zur rätselhaften Höhle und den verschwundenen Schulbüchern. Im Anhang sind hilfreiche Impulse und Hinweise zu den zehn Geschichten enthalten, die Erwachsenen das gemeinsame Lesen und Besprechen der Geschichten erleichtern (129-151).

Im Calwer Verlag (ISBN 7668-4740-9) hat Brigitte Zeeh-Silva ein praxisnahes, inspirierendes Buch zum Thema Achtsamkeit lehren – Achtsamkeit lernen mit dem Titel Mein Achtsamkeitsheft für die Grundschule. Begleitmaterial gestaltet, dessen langerprobte Übungen fächerübergreifend, religions- und konfessionsunabhängig für die Kinder der gesamten Klasse konzipiert sind. Zu Beginn der anregenden Neuerscheinung stehen lesenswerte Überlegungen zu Tradition und Aktualität der Achtsamkeitspraxis (5-9), zu Achtsamkeit und Resilienz (10-14) und zum Aufbau und zur Arbeit mit dem Achtsamkeitsheft (15-22), bevor dann 30 Übungen ausführlich vorgestellt und erläutert werden.

Ebenfalls im Calwer Verlag gilt es zwei empfehlenswerte neue Bücher für den Religionsunterricht zu verzeichnen: zum einen für den Religionsunterricht im 5./6. Schuljahr das 250-seitige, von Heidrun Dierk, Michael Landgraf, Hanna Roose und Hartmut Rupp herausgegebene Das Kursbuch Religion 1 (ISBN 7668-4603-7), das sieben umfangreiche Kapitel enthält zu den Themen Mensch und Welt (Über mich nachdenken – Der Mensch in Gottes Schöpfung – Die Schöpfung gemeinsam bebauen und bewahren), Gott (Gottesvorstellungen und Gottes Bilder – Gottesglaube und Gottesbeziehung – Fragen nach der Welt und ihren Anfängen), Jesus Christus (Spuren von Jesus im eigenen Leben – Zeit und Umwelt – Stationen seines Lebens nach den Evangelien – Botschaft und Wirken – Nachfolge Jesu), Bibel (Spuren der Bibel im Alltag – Aufbau und langer Weg der Bibel – Umgang mit der Bibel), Kirche und Kirchen (Anfänge der Kirche benennen – Konfessionen unterscheiden – Ökumenische Zusammenarbeit gestalten – Zeit erleben und gestalten), Ethik (Regeln für ein gutes Miteinander – Lüge und Wahrheit – Verantwortung für die Schöpfung – Kinder haben Rechte), Religionen und Weltanschauungen (Religionen begegnen – Religionen vergleichen – Das Judentum erkunden) samt einem Zusatzkapitel Methoden (223-243). Zum anderen das von Hans Burkhardt und Eva Weigand herausgegebene Kursbuch Religion elementar 10. Lehrer-/Unterrichtsmaterialien (ISBN 7668-4473-6) für den evangelischen Religionsunterricht im 10. Schuljahr an Mittelschulen in Bayern, das auf 145 Seiten als Kombination aus Schülerband und Lehrermaterialien konzipiert ist und folgende vier Kapitel enthält: 1. Die Frage nach Gott (7-51) 2. Christsein in der Gesellschaft (53-86) 3. Buddhismus – eine fernöstliche Religion sowie 4. Weitergehen – was Hoffnung gibt (118-144).

Die schönsten Erzählungen aus der Bibel lautet der Titel einer von Georg Langenhorst im Katholischen Bibelwerk (ISBN 460-25557-9) publizierten Vorlesebibel mit rund 150 zentralen, modern erzählten Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament samt Lesezeitangaben. Zur Einführung schreibt der Verfasser: „Die Bibel umfasst eine ganze Bibliothek. Sie lädt ein zum Selberlesen, zum Sich-Versenken, zum Nachdenken, zum Nachspüren von Anregungen für das eigene Leben. Oft haben wir dabei folgende Beobachtung vergessen: Vom Ursprung her ist die Bibel anders entstanden. Die meisten biblischen Bücher sind als Vorlese-Texte entstanden. Am Anfang standen meistens mündliche Erzählungen, die nicht auf das Lesen, sondern auf das Zuhören ausgerichtet waren. Und selbst von Anfang an schriftlich formulierte Texte wie Dichtungen oder Briefe sollten laut vorgetragen werden. Ursprünglich galt also die Devise, ‚Der Glaube kommt vom Hören‘, nicht vom Lesen. Man kann es so formulieren: Gottes Wort braucht die menschliche Stimme, um verstehbar zu werden. In der Liturgie haben wir diese Tradition gut bewahrt. Die (Vor-)Lesungen richten sich an die hörende Aufnahme. Dort freilich servieren wir ,Gottes‘ Wort meistens in Häppchen, aus dem Zusammenhang gerissen, gekürzt und angepasst. Wir schlagen hiermit als Ergänzung einen anderen Weg vor. Die vorliegende Auswahlbibel lädt dazu ein, die Bibel wieder und neu als Vorlesebuch zu entdecken. Man kann sie sich selbst laut vorlesen, denn das laute Lesen weckt andere Kräfte und Gedanken als das stimmlose. Man kann die Bibel anderen vorlesen, am besten in Erzählzusammenhängen: in der Familie, in Freundeskreisen und Hausgruppen, in Gemeinden, in Kinder- und Jugendarbeit, in Schulen. Dadurch werden ungeahnte Erfahrungen möglich: Als Vorlesende, die dem Gotteswort ihre menschliche Stimme leihen. Was für eine Würde! Als Zuhörende, die Gottes Wort in der Stimme anderer Menschen begegnen. Was für eine Stiftung von Beziehungen!“ (7)

Den Abschluss der diesmaligen Bücherrundschau bildet das äußerst scharfsinnige und unterhaltsame, im Verlag Patmos (ISBN 8436-1606-5) erschienene Buch Ich hörte, Sie sind Christ? Cartoons zwischen Himmel und Erde von Thomas Plaßmann, der prägnant zeichnend, pointiert und treffsicher den oft ganz alltäglichen, manchmal aber auch absurd-komischen Umgang mit Glauben, Kirche und Religion beleuchtet. Die 100 Cartoons sind ebenso augenzwinkernde wie hintergründige und geistreiche Bildkommentare und humorvolle Denkanstöße für alle Christinnen und Christen – in der Familie, im Religionsunterricht und in der Gemeindearbeit!


Prof. Dr. theol. habil. Martin Schreiner, Religionspädagoge am Institut für Evangelische Theologie an der Universität Hildesheim.



Theo-Web Nr. 2/2025, ISSN 1863-0502 Open Access, Licence: CC BY 4.0 International © 2025 Schwarz/Meyer